Neue Leitbilder braucht die Schule …

Diese Woche sind zwei Artikel über die Generation Z erschienen. Diese Generation besteht aus Jugendlichen und Heranwachsenden, die zwischen Mitte der 1990er und Mitte der 2010er Jahre geboren wurden. Sie zeichnet sich durch eine einzigartige Mentalität aus, die von verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Faktoren geprägt ist. Sie sind von Anfang an mit Technologie aufgewachsen und sind oft sehr versiert im Umgang mit Smartphones, sozialen Medien und Online-Plattformen. Positiv wird dieser Generation zugeschrieben, dass sie politisch aktiver ist und sich stärker für soziale und ökologische Belange einsetzt als frühere Generationen. So nutzen sie häufig soziale Medien, um sich zu vernetzen, Bewusstsein zu schaffen und sich für Veränderungen einzusetzen.

Welche Rolle spielt die Internetnutzung der Generation Z

Die Artikel

zeigen besorgniserregende Entwicklungen auf. Während sich der NZZ-Artikel mit den Bedenken von Jonathan Haidt über die Auswirkungen der hohen Internetnutzung auf die psychische Gesundheit und die Zukunft der jungen Generation und deren Einfluss auf die Demokratien beschäftigt, zeigt die im WELT-Artikel vorgestellte LinkedIn-Studie, dass sich viele junge Menschen dieser Generation missverstanden fühlen.

Jonathan Haidt warnt davor, dass die intensive Nutzung von Smartphones und sozialen Medien durch die Generation Z zu einer ernsthaften Bedrohung für die Demokratie werden könnte. Er betont, dass die ständige Online-Präsenz der Jugendlichen dazu führt, dass sie Schwierigkeiten haben, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und echte soziale Interaktionen zu pflegen. Dies kann langfristig die Entwicklung der exekutiven Funktionen beeinträchtigen und die Fähigkeit der jungen Menschen, sich auf komplexe Aufgaben zu fokussieren, einschränken. Haidt warnt auch davor, dass die zunehmende Immersion in soziale Medien und die mögliche zukünftige Integration von KI die Fähigkeit der jungen Generation, echte zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen, weiter beeinträchtigen könnten.

Warum fühlt sich jeder Zweite der Gen Z missverstanden?

  • Rund die Hälfte der befragten Gen Z fürchten, dass andere Generationen sie verurteilen oder falsche Vorstellungen von der Einstellung ihrer Generation zur Arbeit haben.
  • Ein Viertel fühlt sich unwohl dabei, andere Generationen um Hilfe und Unterstützung zu bitten.
  • Ebenfalls ein Viertel vermeidet Gespräche mit älteren Kollegen aus Unsicherheit, wie sie auf diese zugehen sollen.

Es sei wichtig, so eine Schlussfolgerung, Maßnahmen zu ergreifen, um das Verständnis und die Kommunikation zwischen den Generationen zu verbessern.

Wie gehen wir mit diesen Ergebnissen um? Meines Erachtens muss sich die Schulgemeinschaft, insbesondere die Schulleitung, einer umfassenden Analyse der aktuellen Einflüsse auf die Bildungswelt stellen. Dabei sind das pädagogische Personal, die Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern ebenso einzubeziehen wie externe Expertise, aus der Psychologie ebenso wie aus der Berufswelt. Das folgende Dialogbild kann ein guter Einstieg in die Diskussion sein, zeigt es doch die verschiedenen Facetten der Digitalisierung:

Kontext: Kultur der Digitalität

 

Nadine Emmerling, Kultusministerium Baden-Württemberg

 

 

Eine ganzheitliche Schulbildung in einer Kultur der Digitalität sollte sowohl technische als auch kritische Denkfähigkeiten fördern, um Schülerinnen und Schüler auf eine zunehmend digitalisierte Gesellschaft vorzubereiten. Wenn man die allgegenwärtige Digitalisierung und das Bildungswesen miteinander in Bezug setzt, sind folgende Aspekte wichtig:

  • Medienkompetenz: Schülerinnen und Schüler müssen angeleitet werden, sich kritisch mit digitalen Medien auseinanderzusetzen,  einschließlich der Bewertung von Online-Inhalten auf ihre Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit (TikTok, Instagram, E-Sport). Es ist wichtig, den Schülern bewusst zu machen, wie sie ihre persönlichen Daten schützen und sich vor Online-Bedrohungen wie Phishing, Identitätsdiebstahl und Cybermobbing schützen können. Sie müssen über die Auswirkungen digitaler Technologien auf Gesellschaft, Kultur und Ethik nachdenken und lernen, verantwortungsbewusste digitale Bürger zu sein.
  • KI in der Schule: Dies beinhaltet das Verständnis grundlegender Konzepte der Informatik und des algorithmischen Denkens, um Probleme zu analysieren und systematisch zu lösen. Schülerinnen und Schüler sollten grundlegende Kenntnisse erwerben, um digitale Werkzeuge und Technologien besser zu verstehen und zu nutzen.
  • Kreativität: Schulen sollten Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit geben, ihre kreativen Fähigkeiten durch den Einsatz digitaler Werkzeuge wie Grafikdesign und Multimedia-Produktion zu entwickeln.
  • Kollaboration und Kommunikation: Die Förderung von Fähigkeiten zur Zusammenarbeit und Kommunikation in digitalen Umgebungen ist entscheidend, da viele Arbeitsplätze und soziale Interaktionen heute online stattfinden.

Durch die Einbeziehung externer Lernorte aus der Berufswelt gelingt eine deutliche größere praxisorientierte Ausbildung. Schulen können Praxiserfahrung in Form von Unternehmensbesuchen, Gastvorträgen von Fachleuten und Kooperationen mit lokalen Unternehmen anbieten. Dadurch erhalten die Schüler Einblicke in die Arbeitswelt und können sich besser auf den Übergang vorbereiten. Da die Generation Z digital affin ist, sollten Schulen sicherstellen, dass die Schüler über die erforderlichen Technologiekompetenzen verfügen, die in der modernen Arbeitswelt benötigt werden. Dabei werden neben fachlichen Kompetenzen sog. „future Skills“ wie Kommunikation, Teamarbeit, Problemlösungsfähigkeiten und Zeitmanagement vermittelt. Diese Fähigkeiten sind entscheidend für den Erfolg im Berufsleben und helfen den Schülern, sich in verschiedenen Arbeitsumgebungen zurechtzufinden. Lehrkräfte können darüber hinaus agile Lehrmethoden einführen, die den Schülern helfen, relevante Fähigkeiten für die Arbeitswelt zu entwickeln. Praktika, Projektarbeit und praxisnahe Aufgaben können dabei helfen, theoretisches Wissen in praktische Fähigkeiten umzusetzen.

Impuls: Leitbildentwicklung

In einer Kultur der Digitalität benötigen Schulen neue Leitbilder, weil sich die Art und Weise, wie wir lernen und lehren, grundlegend verändert hat:

  • Die Digitalisierung kann Lernumgebungen stark verändern. Traditionelle Lehrmethoden und Materialien werden zunehmend durch digitale Werkzeuge, Ressourcen und Plattformen ergänzt oder ersetzt. Neu vereinbarte Leitbilder können die Integration von Technologie in den Lernprozess berücksichtigen und die Entwicklung digitaler Kompetenzen fördern.
  • Durch digitale Technologien (auch KI) wird individualisiertes Lernen immer mehr möglich. Schülerinnen und Schüler können ihr Lerntempo anpassen, Lehrkräfte können auf deren individuellen Bedürfnisse eingehen und verschiedene Lernwege anbieten. Neu vereinbarte Leitbilder können diese Vielfalt im Lernprozess unterstützen und das pädagogische Personal dazu ermutigen, differenzierte Unterrichtsmethoden einzusetzen.
  • In einer digitalen Kultur ist es entscheidend, den verantwortungsvollen Umgang mit Technologie durch kritisches Denken und Medienkompetenz zu fördern. Dies umfasst Aspekte wie Datenschutz, Online-Sicherheit, Cybermobbing und die Auswirkungen der digitalen Technologie auf Gesundheit und Wohlbefinden. Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen, Informationen kritisch zu hinterfragen, relevante Inhalte zu identifizieren und ethische Standards beim Umgang mit digitalen Medien einzuhalten. Neu vereinbarte Leitbilder können diese Fähigkeiten als zentrale Bildungsziele definieren und die Entwicklung von digitalen Kompetenzen als integralen Bestandteil des Lehrplans betrachten.

Schulintern befindet sich das pädagogische Personal in vielen Fällen in einer Umbruchsituation: Es findet eine starke Verjüngung des Lehrkörpers statt. Darüber hinaus bringen die Lehrkräfte bzgl. Medienumsetzungen unterschiedliche Erfahrungen ein. Mit dem Leitbild kann die Arbeit eines Kollegiums eine ganzheitliche, stimmige Ausrichtung bekommen. Schulextern ist das Leitbild ist ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit der Schule und der damit verbundenen Information von Eltern und anderen interessierten Gruppen. Sie dient auch als Legitimationsfunktion: In diesem Zusammenhang wird das schulische Handeln nach außen (Betriebe, Schulaufsicht, Lokalpolitik, Öffentlichkeit) vermittelt und gerechtfertigt.

Die Herausforderung besteht nun darin, sich nach der Verständigung auf ein Leitbild, das in der Regel im Rahmen von Pädagogischen Tagen mit agilen Methoden entwickelt wird, auf eine Operationalisierung der daraus abgeleiteten Ziele zu verständigen, die eine Präzisierung der Maßnahmen erleichtert. Die sich anschließenden Evaluationen dienen der Überprüfung und dem Abgleich mit den zuvor definierten Zielen.

Wer mehr über Leitbildarbeit und damit zusammenhängende Schulprogrammarbeit erfahren und lesen will:

Leitbild

Rolle der Schulleitung

Unter „Digital Leadership“ versteht man die Fähigkeit von Führungskräften, digitale Technologien und Strategien effektiv zu nutzen, um ihre Teams oder Organisationen erfolgreich in einer zunehmend digitalisierten Welt zu führen. Digital Leadership beinhaltet eine Kombination aus Führungsqualitäten, technologischem Verständnis und der Fähigkeit, Veränderungen anzustoßen und anzupassen, um mit den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung Schritt zu halten.

Ich empfehle daher, dass Schulleitungen über ihre Führungsrolle nachdenken, z. B.

  • wie sie digitale Technologien und Strategien effektiv nutzen können, um ihre Teams oder Organisationen in einer zunehmend digitalisierten Welt erfolgreich zu führen,
  • wie sie den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung mit einer Kombination aus Führungsqualitäten, technologischem Verständnis und der Fähigkeit, Veränderungen zu initiieren und anzupassen, begegnen können,
  • wie sie Teams inspirieren und motivieren und
  • wie sie digitale Innovationen vorantreiben und an sich schnell verändernde Marktbedingungen anpassen können.
  • Wie eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung und des Lernens gefördert werden kann, um den digitalen Wandel erfolgreich zu bewältigen.

Kürzlich wurden mir drei Bücher empfohlen, die bei diesen Überlegungen hilfreich sein können:

  • Frédéric Laloux: Reinventing Organizations – ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Verlag Franz Vahlen, 2015
  • Wilfried Schley, Michael Schratz: Führen mit Präsenz und Empathie: Werkzeuge zur schöpferischen Neugestaltung von Schule und Unterricht. Weinheim Basel: Beltz-Verlag, 2021
  • Joana Breidenbach; Bettina Rollow: New Work needs Inner Work – ein Handbuch für Unternehmen auf dem Weg zur Selbstorganisation. 2. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen, 2019

Schlussbemerkung

Zurück zum Interview in der NZZ: Jonathan Haidt sieht das Jahr 2012 als Wendepunkt für die psychische Gesundheit junger Menschen, da um diese Zeit ein drastischer Anstieg von Angstzuständen, Depressionen, Selbstverletzungen und Selbstmorden bei Jugendlichen beobachtet wurde. Er führt diese Veränderungen auf die weit verbreitete Nutzung von Smartphones in Verbindung mit sozialen Netzwerken zurück, die um das Jahr 2012 begann. Haidt argumentiert, dass der Übergang von einer spielenden zu einer telefonierenden Kindheit zu dieser globalen Krise der psychischen Gesundheit geführt hat, insbesondere bei Mädchen, aber auch bei Jungen.

In einem Gespräch mit einem Kollegen aus meiner Baby-Boomer-Generation wurde mir noch einmal bewusst, wie privilegiert wir waren, in einer Welt aufzuwachsen, die im Wesentlichen völlig frei von Technologie war. Ich will das Rad nicht zurückdrehen, aber ich will dazu anregen, dass die Leitbildentwicklung wieder deutlich mehr von der Interaktion zwischen Menschen bestimmt wird. Dies kann durch eine Neuverhandlung des Leitbildes gut gelingen, wie wir aus vielen Schulberatungen wissen…

Update (25.4.24):

  • Direkt in diesem Zusammenhang Erik Grundmann, hessischer Schulleiter, mit dem folgenden Blogbeitrag:

Mehr Medienbildung jetzt!

 … Stay tuned …

Disclaimer: Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet.

Bildnachweise:

Titelbild: EpicTop10.com @Flickr CC BY 2.0

Kultur der Digitalität: Aus: Drabe, M. (2020): Schulentwicklung und Medienkonzept. Ein Praxisheft für Schulleitungen und Steuergruppen. Schule in der digitalen Welt. Augsburg: Auer. S. 12

KI in der Schule: Herausforderungen

In der Diskussion in der ZDF-Talkshow “maybrit illner” unter dem Thema „Künstliche Intelligenz? Maschine gegen Mensch?“ wurden verschiedene Aspekte der KI-Entwicklung diskutiert. Die geladenen Gäste waren der Wissenschaftsjournalist und Physiker Ranga Yogeshwar, die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel, die Netz-Aktivistin und Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg, die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken und Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom. Sie waren sich einig, dass die KI-Technologie ein großes Potenzial hat, aber auch Risiken birgt und Regulierungen erfordert. Während Domscheit-Berg und Esken eine staatliche Regulierung forderten, plädierte Yogeshwar für eine Pause in der Entwicklung der KI, um Sicherheitsstandards zu etablieren. Bitcom-Präsident Achim Berg hielt eine solche Pause jedoch für nicht praktikabel und betonte, dass die KI-Entwicklung bereits begonnen habe und nicht mehr aufzuhalten sei. Meckel betonte die tiefgreifenden Auswirkungen, die KI auf die menschliche Kultur haben wird, und die dringende Notwendigkeit von Bildung, um die Technologie zu verstehen.

Darüber hinaus diskutierten die Gäste über Auswirkungen der KI auf die Arbeitsplätze und wie man sich darauf vorbereiten könne? Der Meinungsaustausch blieb recht vage: Einige Gäste betonten, dass KI-Systeme bestimmte Aufgaben schneller und effizienter erledigen können als Menschen, was zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen kann. Andere betonten jedoch, dass KI auch neue Arbeitsplätze schaffen kann und dass es wichtig ist, die Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln, die für die Arbeit mit KI-Systemen erforderlich sind.

 

Genauere Auskunft gibt eine US-Studie dreier Forscher, die untersucht haben, inwieweit Berufe, Branchen und Regionen von den Fortschritten der KI-Bots betroffen sind.

Sie stellen fest, dass die wichtigsten Berufe, die von der Sprachmodellierung betroffen sind, unter anderem Telemarketer und eine Reihe von (Hochschul)Lehrer*innen wie Anglistik-, Fremdsprachen- und Literatur- sowie Geschichtslehrkräften sind. Weitere wichtige Branchen, die von Fortschritten bei der Sprachmodellierung profitieren werden, seien Rechts- und Wertpapierdienstleistungen, Waren und Investitionen. Darüber hinaus  haben sie eine positive Korrelation zwischen Löhnen und dem Einsatz von AI-Sprachmodellierung gefunden.

Einer weiteren Studie der US-Großbank Goldman Sachs zufolge sind durch Generative KI weltweit 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze gefährdet. Vor allem der Verwaltungs- und Rechtssektor ist betroffen, wo fast die Hälfte aller Arbeitsplätze durch KI ersetzt werden könnten. So hat z. B. in Kolumbien ein Richter ein Urteil mithilfe von ChatGPT verfasst. Weiterhin ist denkbar, dass Sprachmodelle Klageschriften und Urteile verfassen. Bildgeneratoren sorgen zunehmend für technische Lösungen. So hat die Modezeitschrift „Cosmopolitan“ bereits ein Cover mit der Bild-KI Dall-E designen lassen und nutzt das renommierte Architekturstudio Zaha Hadid den Bildgenerator Midjourney als Werkzeug, um Häuser zu entwerfen. Und: Der Künstler Robbie Barrat hat für die Modemarke Balenciaga eine ganze KI-generierte Kollektion entworfen.

Ergänzender Artikel: KI könnte 300 Millionen Jobs vernichten, n-tv vom 13.4.2023

Zurück zum o. g. Panel. Die ZDF-Redaktion kommentiert:

Ausgerechnet Twitter- und Tesla-Chef Elon Musk will den Fortschritt aufhalten. Mit anderen Managern und Wissenschaftlern fordert er eine Pause bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz. KI kann schreiben und sprechen wie ein Mensch und stellt problemlos Bilder, Gedichte oder Klassenarbeiten her. Sie hilft schon heute zum Beispiel in der Medizin, arbeitet aber längst auch in Waffensystemen. KI ist ein Riesengeschäft, aber auch potenziell “gefährlicher als die Atombombe”, sagt zumindest Elon Musk. Was ist noch echt, was gefälscht? Was hilfreich, was schädlich? Was bedeutet die Entwicklung dieser Technologie für unsere Arbeit, unseren Wohlstand, unsere Demokratie und am Ende gar für die Frage nach Krieg oder Frieden? Haben die Deutschen zu viele Bedenken und verspielen gerade ihre Zukunft, in die Amerikaner und China längst uneinholbar gestartet sind?

Auch der Physiker Ranga Yogeshwar spricht sich für eine Pause bei der Entwicklung besonders fortgeschrittener Intelligenz aus. Selbst Expert*innen könnten nicht mehr verstehen, wie diese Programme funktionieren, so der Wissenschaftsjournalist.

Abhilfe schafft vielleicht die ARTE-Dokumentation »Algorithmen – Die unberechenbare Gefahr«.

Was passiert, wenn wir diesen algorithmischen Systemen immer mehr Aufgaben übertragen? Der Film stellt Arbeits- und Wirkungsweisen von Algorithmen vor, die immer öfter unser Leben in Schulen, Sozialämtern, Gerichtssälen und unserer Privatsphäre steuern. Sie erzeugen oft eine ungleiche Welt.  Ob wir kreditwürdig sind, uns Sozialhilfe zusteht oder welcher Partner zu uns passt – darüber befinden mittlerweile Algorithmen. Hinter den Kulissen treffen sie ohne unser Wissen Entscheidungen über unser Leben. Die Hoffnung ist, dass sie effizienter sind als wir und mit ihrer kühlen Logik die Fehlerquelle „Mensch“ eliminieren. Schaut man hinter die Fassade der künstlichen Intelligenz, so findet sich ein ganz anderes, eher beunruhigendes Bild.

Die Filmemacher treffen Menschen, die durch den Einsatz von Algorithmen zu Schaden kamen. Wie zum Beispiel Marie, die durch YouTube-Algorithmen in die Magersucht gelockt wurde. Oder Macarena, die sich sechs Jahre lang verstecken musste, weil ein Algorithmus sie für ungefährdet hielt, während ihr gewalttätiger Ehemann auf freiem Fuß blieb. Oder Derya, deren Ehe in die Brüche ging und die mit ihren Kindern obdachlos wurde, weil ein Algorithmus sie als Betrügerin abstempelte. Folgenschwere künstliche Entscheidungen, deren Fehlerquellen bei genauem Hinsehen nicht den Algorithmen, sondern den Entwicklern und Auftraggebern zuzuschreiben sind. Was passiert, wenn wir diesen algorithmischen Systemen immer mehr Aufgaben übertragen? Neben geschädigten Betroffenen kommen auch Forscher, Manager, Whistleblower, Politiker und Künstler zu Wort.

Auf den ersten Blick erscheinen Algorithmen unbestechlich und fair. Doch sie sind geprägt von den Vorurteilen ihrer Programmierer und der Internetnutzer. Klare Regeln zur Markierung von Fälschungen in Systemen der Künstlichen Intelligenz, fordert zurecht in der o. g. Diskussionsrunde der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Achim Berg. Deep Fake-Bilder müssten „irgendwo ein Wasserzeichen bekommen“. Mithilfe von KI habe nun jede*r die Möglichkeit perfekt gefälschte Bilder und Videos zu erstellen, so die Netzexpertin Anke Domscheit-Berg. Die Linken-Politikerin warnt, dass es durch die leichte Zugänglichkeit immer schwieriger werde, Wahrheit und Lüge im Netz zu unterscheiden.

Für die SPD-Parteivorsitzende und studierte Informatikerin Saskia Esken ist es zukünftig wichtig, dass bereits in der Schule der Umgang mit Künstlicher Intelligenz erlernt wird. Die Menschen müssen „Bescheid wissen darüber, wie die KI arbeitet“, so Esken.

Und damit komme ich abschließend zu einer Vorankündigung meiner Themenplattform Ki in der Schule. Ich denke, es ist deutlich geworden: Digitalisierung und Mediatisierung haben zu entscheidenden Veränderungen in allen Bereichen unserer Lebens- und Arbeitswelt geführt. Diese gehen über einen rein technischen Fortschritt hinaus und führen zu einem weitreichenden kulturellen und gesellschaftlichen Wandel, der sich auf das Lehren und Lernen in der Schule und auf die Bewältigung und Gestaltung von Lebens- und Arbeitsprozessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auswirkt. Digital gestützte Lehr-Lern-Prozesse müssen daher u.a. jene Kompetenzen fördern, die den Lernenden eine mündige, souveräne und aktive Teilhabe an der digitalisierten Lebens- und Arbeitswelt ermöglichen.

Hier schon einmal ein Blick auf meine Landingpage:

 

 

… Stay tuned …

Medienkonzept – Update

Nicht zuletzt wegen der vielen, vielen KI-Beiträge (aka ChatGPT & Co.) aus der Edu®Vorschaubild der Version vom 19:13, 3. Sep. 2016und der FediLZ-Szene kommt bei den Schulträgern, bei den Schulleitungen und Steuergruppen zunehmend die Frage nach einem Update des schuleigenen Medienkonzepts auf. Bisher waren die Medienkonzepte fast immer Voraussetzung für die Beantragung möglicher Gelder aus dem Digitalpakt. Die Notwendigkeit einer Vorlage wird sicher auch in Zukunft von den kommunalen Trägern gefordert werden. Gleichwohl können die aktuellen Entwicklungen rund um diese Tools und Apps eine Gelegeneit sein, die Überlegungen und Implementationen der letzten Jahre auf den Prüfstand zu stellen.

Das gilt auch für meine eigene Themenseite, der ich ein sehr umfangreiches Update gegönnt habe, nach wie vor in Unterstützung und Bestätigung des Leitmotivs der Medienberatung NRW:

Das schulische Medienkonzept schafft durch einen Austausch aller in der Schule Beteiligten eine gemeinsame Basis für die aktive Gestaltung der Lernumgebung und Unterrichtsorganisation.

Und keine Sorge, nicht ChatGPT war federführend. Ich habe eine Reihe von Vorträgen, Blogbeiträgen, Schulwebseiten und vieles mehr recherchiert, in Gesprächen mit kompetenten und erfahrenen Medienentwicklungsberater*innen analysiert und Ergebnisse und Erfahrungen zusammengestellt und bewertet. Vor allem die Kategorie “Best Practice” lohnt einen intensiven Blick. Dabei wird auch sehr deutlich, vor welchen Herausforderungen Schulleitungen und Steuergrupppen so stehen. Damit der Überblick nicht verloren geht, sind Instrumente zum Projektmanagement sicher hilfreich. Auch diesem Aspekt widme ich zwei Themenseiten: Qualitäts- und Projektmanagement.

Und klar, ganz am Ende lasse ich dann doch noch ChatGPT zu Wort kommen. Es zeigt sich erneut, dass dieses Tool wirklich sehr hilfreich ist in Zusammenfassungen und einer Konzentration auf das Wesentliche. Daher habe ich diesen Abschnitt auch FAQ an ChatGPT genannt …

… Stay tuned …

Hybride Lernsettings – wie führe ich die ein? (Teil 2)

Im ersten Teil habe ich einen virtuellen Ausflug in die USA unternommen, Tipps und Links der nordamerikanischen  Bildungsexpertin Melanie Kitchen vorgestellt und einen Folgebeitrag mit Vorschlägen aus dem deutschsprachigen Raum angekündigt. Denn auch bei uns sind in den Sommerferien eine Reihe von E-Veröffentlichungen entstanden, die es sich lohnen, vorgestellt zu werden. Es geht um

  • methodische Überlegungen,
  • begleitende  Fortbildungsangebote,
  • PlanBs,
  • neue Prüfungsformate und
  • Förderangebote.

Neues vom BookSprint

Vor den Sommerferien habe ich bereits über das Buch Hybrid-Unterricht 101 berichtet: Über Twitter haben sich 33 engagierte Lehrerinnen und Lehrer zusammengetan und ein E-Book rund um die Vermischung von Analog- und Digitalunterricht verfasst. Das Buch wird offensichtlich sehr gut angenommen, wie das erfolgreiche Crowdfunding und Berichte in Tageszeitungen (hier am Beispiel der Berliner Zeitung) zeigen. Bei der Überarbeitung (Fehlerkorrektur, Abbildungsverzeichnis) ist nun auch eine Printversion entstanden. Hybrid-Unterricht 101 ist jetzt offiziell als Softcover Edition erschienen. Man kann sie im Buchladen unter der ISBN 978-3-96784-003-2 bestellen oder online erwerben/ downloaden.

Transformation analog – digital am Beispiel bewährter Methoden 

Die folgenden drei Quellen nehmen eine Reihe erfolgreicher Methoden aus der analogen Welt in den Blick und stellen Wege einer auch digitalen Nutzung vor: 

Neues aus der FoBi- Szene

Keine Frage: Ohne Fortbildung geht nichts voran. Es gibt einige zentrale Angebote, die Fortbildungsbeauftragte der Schulen ggfs. für sogenannte Mikrofortbildungen nutzen können. Oder, man nutzt sie eben individuell, wie z. B. die erste Option:

  • Die virtuelle PH bietet ein MOOC zum Distance Learning an. Der Vorteil ist sicher, dass man als Lehrkraft nicht nur die vielfältigen Facetten des Themas kennenlernt, sondern auch an sich selbst erfährt, wie es später Schülerinnen und Schüler bei der Bereitstellung eigener Kurs gehen wird (sog. Doppeldeckerprinzip der Pädagogik).
  • Das IQ.SH bietet in den nächsten Wochen eine Reihe interessanter Referenten und unterschiedlicher Themen an. Diese Veranstaltungen sind terminlich festgelegt. Wünschenswert ist sicher auch eine spätere Abrufbarkeit, damit man sie ggfs. in Mikrofortbildungen einbauen kann.
  • Empfehlenswert sind darüber hinaus die thematisch sehr unterschiedlich ausgerichteten Kurse zur Medienproduktion des Multimediakontor Hamburg.
  • Und schließlich noch ein Angebot der Humboldt-Universität mit einem Videotutorial zum Einsatz und Produktion von Videos im (Online-)Unterricht.

PlanB: Blaupause, Vorschläge aus Kultusbehörden und neue Prüfungsformate

Wenn man die letzten zwei Monate die Berichte in den Print- und Onlinemedien Revue passieren lässt, hat man den Eindruck, die schulische Bildung dreht sich nur noch um Abstand, Hygiene, Alltagsmasken (AHA). Einige wenige Länder haben in ihrem “PlanB” auch Optionen aufgenommen, wie im Falle einer (auch teilweise) stattfindenden Verlagerung des Unterrichts nach Hause verfahren werden soll, sog. Blended Learning (aka hybride) Verfahren. Eine gute Vorlage, die quasi als Blaupause dienen kann, kommt von der Friedrich- Ebert- Stiftung.

Drei Veröffentlichungen aus Kultusbehörden lohnen mehr als nur ein Blick:

auch mit der Option, von anderen Ländern zu lernen, wenn das eigene Ministerium erweiterte Aussagen schuldig geblieben ist.

Und schließlich, häufig nachgefragt: Wie sehen geeignete Prüfungsformate aus? Ricarda Dreier, Axel Krommer, Björn Nölte und Oliver Schmitz stellen eine Reihe von zeitgemäßen Prüfungsformaten für den Distanzunterricht vor.

Förderprogramme der Länder

Vielfach wird seitens der Schulleitungen bemängelt, dass bei ihnen noch nichts angekommen sei. Das Netzwerk Digitale Bildung hat sich in den Ländern einmal umgehört, wie sich dort die jeweiligen Bestimmungen gestalten. Dort heißt es u. a.: Der Nachholbedarf bei der Digitalisierung von Schulunterricht ist groß. Vielerorts muss in Infrastruktur und Ausstattung investiert werden, um einen zeitgemäßen Unterricht mit digitalen Werkzeugen gewährleisten zu können. Dafür stehen Fördermittel aus unterschiedlichen Quellen zur Verfügung. Neben den Fördermitteln aus dem DigitalPakt Schule gibt es in den einzelnen Bundesländern zahlreiche weitere Möglichkeiten für Schulen und Schulträger, Zuschüsse für die Anschaffung von digitaler Technik zu beantragen. Diese haben wir hier (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) für Sie zusammengestellt.

In Ergänzung dazu noch abschließend dieses Interview einer Agentur mit dem Geschäftsführer eines Herstellers von Netzwerk- und Security-Lösungen: Eine gelungene Digitalisierung der Bildung. Die Einschätzungen fassen recht gut zusammen, vor welchen Herausforderungen Schulleitungen und Schulträger (Kommunen) stehen.

Vielleicht hilft dem einen oder anderen auch dieser Thread zum Thema Inventarliste:

Schlussbemerkung

Schulen werden unterschiedlich agieren (müssen): Zu verschieden die Bedingungen vor Ort. Für die viele o.g. Vorschläge gilt:

Lehrende müssen viele Fragen, auf die es weder allgemeine noch zeitlich beständige Antworten gibt, selbst, also in ihrer eigenen Praxis, lösen – unterstützt durch digitale Medien1.

Bestechend, wie ich meine, eine Strategie der Schulen von @FrauKers und @CarolineTreier, die ein sogenanntes “soft-closing” durchgeführt haben: Ihre Schulen haben nach einer kurzen Vorbereitungszeit – und ohne Coronazwang – die Tore geschlossen und den Schülerinnen und Schülern ein digitales Lernangebot angeboten, mit vielen kleinen Hybriden bzw. Mixes aus Distanzunterricht und Präsenz.

Bildnachweis:

Titelbild Luisella Planeta Leoni @pixabay

Coverbild E-Book: Little Girl taking online classes, verändert mit Effects Art. URL: https://www.canva.com/media/MAD865IKO8A

Update 18.09.2020:

Nachträge zu hybride Lernsettings

  • Zum Thema Lernsetting:
    • Axel Krommer (@mediendidaktik_) hat ein Erklärvideo zur sogenannten didaktischen Schieberegel erstellt. Damit der Kontext deutlich wird, hier der Link zu seinem dazugehörigen Blogbeitrag, der das Video eingebettet enthält.
    • Seit 2008 veröffentlicht das mmb Institut (@mmb_institut) regelmäßig eine Übersicht über die verschiedenen digitalen Lernformen und Lernwerkzeuge unter dem Titel „Vielfalt der Lernformen“. Sie dient einer groben Einordnung der unterschiedlichen E-Learning-Tools nach dem Grad des Selbstlernens vs. kollaborativen Lernens und nach dem Grad ihrer Lernorganisation (formell/informell). Über die Jahre hinweg zeigt die Übersicht auch, welche Lernformen neu hinzugekommen sind und wie sich ihre Funktionen verändern. Das Institut stellt in einem Blogbeitrag eine aktualisierte Variante vor.
    • Eine empfehlenswerte Übersicht gebende Materialsammlung von Unterrichtsideen, Apps & Tools kommt aus Sachsen-Anhalt (@MBSachsenAnhalt)Digitale Medien und Werkzeuge nutzen – Aus der Praxis für die Praxis
    • Auch Niedersachsen bietet eine Themenseite an: Werkzeuge und Methoden
    • Zum Thema Videokonferenzen: Broschüre zum Unterrichten mit Videokonferenzsystemen, Übersichtsseite/ Regeln eines bayerischen Beratungsnetzwerks
  • Zum Thema Fortbildung:
    • Die Plattform WirLernenOnline (@wirlernenonline) hat Materialien und Erläuterungen zur einfachen Gestaltung einer Mikrofortbildung bereitgestellt, mit dem Ziel
      • praktisch ausprobieren,
      • voneinander und miteinander lernen,
      • freie Bildung verbreiten.
    • Weitere Konzepte zu Mikrofortbildungsveranstaltungen: Jan Vedder (@vedducation): Unterrichtsentwicklung im eigenen Kollegium und Forum Bildung (@ForumBilDig): Praxisleitfaden
  • Zum Thema Prüfungsformate
    • Björn Nölte (@Noelte030) hat in einem Newsletter neben sieben Vorschlägen einer Differenzierten Leistungsbewertung noch eine Reihe weiterer Materialien identifiziert bzw. vorgestellt.

Update 13.05.2021: Regelplakat für Tabletklassen

Update 02.09.2022: Schulentwicklung: Selbstevaluation mit der „Werbung”: Keine Planungsmaßnahme ohne anschließende Überprüfung!

 

Hybrides Lernen – Blended Learning: Blaupausen

Kürzlich in der FAZ: Zwei Monate Distanzunterricht – und noch immer fehlt an vielen Schulen ein Konzept für das Homeschooling. Warum gibt es eigentlich keine Mindeststandards für Fernunterricht? Die Unzufriedenheit aller Beteiligten nimmt ja zu – und der Fernunterricht kann noch weit ins nächste Schuljahr hineinreichen1. Diese Aussage wird auch von einer Lehrkraft im Twitterlehrerzimmer bestätigt:

Prof.’in Eickelmann rief dazu auf, erfolgversprechende Konzepte zur Bewältigung der Corona- Zeiten vorzustellen. Die geringe Resonanz ist letztlich eine weitere Bestätigung ihrer Befunde, wie weit wir in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten zurückliegen, etwa Dänemark2.

Ich will das Thema aufgreifen und zwei Ideen zur Diskussion stellen. Sie sind in der vorgestellten Form im Sinne einer hybriden Umsetzung (noch) nicht erprobt. Gleichwohl basiert er in großen Teilen auf langjährige Erfahrungen im Einsatz digitaler Medien im (Präsenz)Unterricht. Um es vorneweg zu sagen: Für die Abwicklung benötigt es (Dienst)Laptops für Lehrkräfte, Leihgeräte für Schülerinnen und Schüler, datensichere Lernplattformen und Konferenzsysteme. Alles da, nichts muss erfunden werden. Und: Es braucht das Know-how der Lehrkräfte, die Ideen auch umsetzen zu können. Es ist effektiv, das in Teamarbeit zu entwickeln. Steigen wir also in eine Art Mini-Fortbildung für ein virtuell gebildetes Team ein …

Blended Learning: Definition

 
Blended Learning ist ein integriertes Lernkonzept, das die heute verfügbaren Möglichkeiten der Vernetzung über Internet oder Intranet in Verbindung mit ‚klassischen‘ Lernmethoden und -medien in einem sinnvollen Lernarrangement optimal nutzt. Es ermöglicht Lernen, Kommunizieren, Informieren und Wissensmanagement, losgelöst von Ort und Zeit in Kombination mit Erfahrungsaustausch, Rollenspiel und persönlichen Begegnungen im klassischen Präsenztraining. (Sauter, 2004) 3

Alternative Begriffe wie „hybride Lernarrangements“ oder „internetgestützte Lehre“ finden angesichts der Corona-Zeit deutlich breitere Verwendung. Die Grafik von Claudia Wiepcke (2006) verdeutlicht die Komplexität dieses didaktischen Modells. Die Qualität eines hochwertigen Blended- Learning– Angebotes zeichnet sich aus durch

  • ein durchgängiges, über alle Phasen des Lernprozesses gehendes Curriculum
  • eine Wahl des Mediums, welches die Stärken der jeweiligen Phase voll zur Geltung bringt
  • ein Programm, das den Lernenden möglichst viel Freiraum einräumt (Lerntempo, Lernstil, Eingangskanäle, soziale Bindung, Module usw.)
  • eine Didaktik, die dem Spaß am Lernen Priorität einräumt.

Direkt übersetzt heißt Blended Learning „vermischtes Lernen“. Beim Blended Learning werden zwei Lernformen (Präsenzschulung und E-Learning) kombiniert und zu einer Einheit zusammengeführt. Wie jede schulweit vereinbarte Didaktik ist auch diese Form hybriden Lernens, also die Mischung aus der traditionellen Lernform (Präsenzveranstaltung) und der Online-Lernform curricular zu verankern.

Michael Kerres hat sich bereits zu SaN Zeiten mit dieser Lehr- und Lernform beschäftigt: Hybride Lernarrangements: Personale Dienstleistungen
in multi- und telemedialen Lernumgebungen

Im Folgenden stelle ich eine in den Lehrplänen des hessischen Kultusministeriums veröffentlichte Blaupause vor. In den Leitfäden der kompetenzorientierten Kerncurricula wird für eine Umsetzung ein didaktisches Modell vorgeschlagen. Das hessische Schulgesetz ermöglicht eine aus diesen Kerncurricula weiter entwickeltes, schulinternes Curriculum. D. h. das Kultusministerium “lädt” Schulgemeinden geradezu dazu ein, eine die schulinternen Bedingungen und Erwartungen berücksichtigende Fassung zu erstellen.
 

Hybrides Lehr- Lernarrangement: Blaupause

Viele Fachschaften denken mit Blick auf temporäre Schulschließungen darüber nach, wie ein Unterricht auch zu Hause stattfinden kann. Tools werden ausprobiert. Videokonferenzen werden abgehalten, Kultusministerien denken über die Einführung von Clouds und Learningmanagementsystemen (LMS) nach. Nur: Wie kann digital gestützter Unterricht und damit hybrides Lernen gelingen? Wie gestaltet sich ein didaktischer Plan, der niederschwellig genug ist, um alle Lehrkräfte mit ins Boot zu nehmen, auch und gerade diejenigen, die beginnen, sich die digitalen Wege zu erschließen?

Das in allen hessischen Kerncurricula verankerte Prozessmodell wurde mit seiner Einführung durch eine Fortbildungsinitiative begleitet. Auch wenn Werkzeuge aus Digitalien eine eher untergeordnete Rolle spielten, haben sich einige medienaffine Lehrkräfte überlegt, wie diese (analoge) Unterrichtsfolie mit Hilfe digitaler Elemente zu einem kompetenzorientierten und um digitale Elemente erweiterten Lernarrangement genutzt werden kann. Der Lehr-Lernzyklus besteht aus einer mit fünf Handlungsfeldern ausgewiesenen Spirale und zielt darauf ab, Lehrenden und Lernenden bezogen auf einen an Kompetenzen orientierten Unterricht ein Handlungsgerüst zur Verfügung zu stellen. Neue Medien werden Lerngruppen abhängig hinzugezogen, wenn sie dem individuellen Lernprozess dienlich sind.

Das Schaubild stellt, wie die Spirale andeutet, einen Lehr-Lernzyklus dar, der in eine Folge von Lehr-Lernzyklen eingebunden ist, die insgesamt einen langfristigen Kompetenzerwerb ermöglichen sollen. Lehr-Lernzyklen können eine unterschiedliche Dauer haben. Es kann sich zum Beispiel um die Bearbeitung einer Lernaufgabe, um eine fachbezogene Unterrichtseinheit, um ein fächerübergreifendes Projekt oder um die langfristige Entwicklung von Kompetenzen mit wechselndem Inhaltsbezug (etwa beim Aufbau von Argumentationskompetenz) handeln. Im Zentrum des Prozessmodells stehen Lernende und Lehrende, die in fünf Handlungsfeldern aktiv sind und Verantwortung übernehmen. Lernende erwerben Kompetenzen dadurch, dass sie selbst aktiv sind.

 

1. Phase: Lernen vorbereiten und initiieren

Aus Lehrerinnen- und Lehrersicht ist

  • ein Bezug zu Kern- und Schulcurriculum bzw. Lehrplänen herzustellen,
  • die Lernausgangslage zu bestimmen,
  • eine Transparenz der Kompetenzerwartungen herzustellen und
  • eine kognitive Aktivierung sicherzustellen.

Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:

  • Warum ist es wichtig, den Kenntnisstand vor dem Unterricht zu erfassen?
  • Wie können wir Schülerinnen und Schüler mit anregenden Unterrichtseinstiegen besser auf das Lernen vorbereiten?
  • Wie lassen sich Kontrastierungen nutzen, um Unterrichtsinhalte lernwirksamer zu vermitteln?
  • Wie kann mit geistigen Werkzeugen die Übertragung des Gelernten auf neue Situationen unterstützt werden?
  • Welche Aufträge eignen sich zur Vertiefung des Wissens?
  • Wie können wir die Lernenden darin unterstützen, Fehlvorstellungen zu bemerken und zu ersetzen?

Aus Schülerinnen- und Schülersicht: Ich weiß und kann schon etwas. Ich habe eine Vorstellung davon, was wir vorhaben. Ich stelle Fragen und entwickle Ideen.

Hilfreiche Werkzeuge aus Digitalien: Text- und Bildverarbeitungsprogramme, Mindmap, Padlet. Lernstände ermittlen (Tutory Arbeitsblatt).

2. Phase: Lernwege eröffnen und gestalten

Aus Lehrerinnen- und Lehrersicht:

  • Situierung
  • Anforderungssituationen (Lernaufgaben)
  • Anknüpfung und Vernetzung
  • Konstruktion und Instruktion
  • Dokumentation der Lernwege

Aus Schülerinnen- und Schülersicht:
Ich arbeite alleine und mit anderen. Ich habe Ziele und erhalte Unterstützung. Ich nutze mein Können und lerne Neues. Ich sammle und zeige Spuren meiner Arbeit.

Hilfreiche Werkzeuge aus Digitalien: Text- und Bildverarbeitungsprogramme, Mindmap, Padlet. Plus: flipped classroom, Lernpfade, Quizze

3. Phase: Orientierung geben und erhalten

Aus Lehrerinnen- und Lehrersicht:

  • Lernstandsfeststellung (formativ: beurteilend, orientierend, unbewertet)
  • Selbst- und Mitschülereinschätzung
  • Feedback: Lerngespräche
  • Stärkung und Ermutigung

Aus Schülerinnen- und Schülersicht:
Ich weiß, was ich schon kann und woran ich noch arbeiten muss. Ich bekomme Rückmeldung und Beratung. Ich setze mir neue Ziele.

Hilfreiche Werkzeuge aus Digitalien: Text- und Bildverarbeitungsprogramme, Feedbacktools

4. Phase: Kompetenzen stärken und erweitern

Aus Lehrerinnen- und Lehrersicht:

  • Differenzierte Anforderungssituationen: Übung, Vertiefung, Anwendung und Transfer

Aus Schülerinnen- und Schülersicht:
Ich arbeite auf meine Ziele hin und erhalte dabei Unterstützung. Ich nutze mein Wissen und Können – auch in für mich neuen Situationen. Ich erprobe und festige, was ich gelernt habe.

Hilfreiche Werkzeuge aus Digitalien: Digitale Plattform mit Aufgaben- und Lösungsmanagement, Blog, Wiki.

5. Phase: Lernen bilanzieren und reflektieren

Aus Lehrerinnen- und Lehrersicht:

  • Anforderungssituationen (Leistungsaufgaben)
  • Leistungsfeststellung (summativ: bezogen auf Kompetenzniveaus, i. d. R. bewertet)
  • Reflexion
  • Perspektiven

Aus Schülerinnen- und Schülersicht:
Ich weiß, welche Ziele ich erreicht habe und wo ich stehe. Ich halte fest, was ich mir vornehme. Ich bringe meine Vorschläge für die Weiterarbeit ein.

Hilfreiche Werkzeuge aus Digitalien: Blog, Digitale Plattform mit individuellen Förder- und Forderplänen

Hybrides Lehr- Lernarrangement: Praxis I

Der Vorschlag ist nun eine Unterrichtseinheit (UE) in einer Lernspirale darzustellen, d. h. in den Textboxen zu den Handlungsbereichen die Links (bzw. Auftragsbeschreibungen) unterzubringen, die dann den Unterricht abbilden helfen. Im Unterricht (Präsenzphase) wie zu Hause, z. B. bei einer Videokonferenz wird dann – mittels Screensharing – der entsprechende Link (bzw. Auftrag) “aufgerufen” und abgearbeitet. Alle Materialien liegen auf der digitalen Lernplattform (siehe meinen letzten Beitrag Digitale Plattform (LMS)).

In dem o. g. Beispiel (Mathematik, Klasse 8, UE Parabel) beginne ich mit der Mitteilung an die Schülerinnen und Schüler, was die UE voraussetzt (Kasten in orange ganz oben). Dazu setze ich eine Übersicht “Who is who” ein, um das Verständnis zur Terminologie zu erleichtern (erster Link in der rechten oberen Textbox, hier in Word erstellt). Mit einem Textverarbeitungsprogramm oder mit einem Padlet sammle ich die Rückmeldungen ein. So verschaffe ich mir einen Überblick darüber, was ich im Laufe der nächsten Unterrichtswochen nachsteuern muss, entweder individuell oder – wenn es viele Lernende betrifft – global, für alle.

Anschließend stelle ich das Thema vor (2. Link: L-Präsentation: Was erwartet uns?). Die Vorstellung des Themas habe ich mit einem Präsentationsprogramm erstellt (PPP). Erneut sammle ich mit Word und/ oder einem Padlet Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler ein, was sie mit dem Thema verbinden und welche Erwartungen sie bereits jetzt an das Thema haben.

Und so weiter, und so weiter.

Hybrides Lernen kann auch bedeuten, dass man mit einem Teil der Klasse in der Schule zusammenarbeitet, während der andere Teil zu Hause ist. Wie gelingt hier eine Zusammenarbeit? Mit einer Videokonferenz, mit classroom Screen und Screensharing. Voraussetzung: Die Lerngruppe ist in das Verfahren eingeführt und benötigt somit “nur noch” den Arbeitslink. Ich entscheide noch, mit welcher Sozialform ich das Ganze abgearbeitet bekommen will: Einzelarbeit, Gruppenarbeit (dann in Nutzung eines sogenannten Breakout- Room Verfahrens), Think-Pair- Share, u. v. m. Alles koordiniert durch die tollen kleinen Tools innerhalb der Anwendung classroomScreen:

 

 

In dem Screenshot habe ich nun zur Bearbeitung “Einstiegsaufgaben in Gruppenarbeit mit S-Präsentation” aufgerufen (letzte Option im ersten Handlungsfeld, noch zu verlinken mit einer Worddatei mit Aufgaben, passend zu den zuvor eingesammelten Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler, siehe oben). Im Klassenraum bilden sich Kleingruppen, zu Hause werden mittels der Videokonferenz Breakout Rooms gebildet. Hier muss die Lehrkraft unbedingt auf die Rollen Zeitwächter, Moderation und Präsentator/-in aufmerksam machen, da die oben abgebildete Uhr nicht “mitgenommen” wird. Ich kann natürlich als Lehrkraft in den Raum gehen und “nach dem Rechten” schauen. Jede Intervention will jedoch gut überlegt sein, sie schafft Unruhe. Daher habe ich bereits nach 20 Minuten eine Unterbrechung eingeplant, um sich im “Plenum” abzugleichen bzw. um sich über das weitere Vorgehen zu verständigen.

Ich habe den Ablauf der 1. Phase in einem “Quick & dirty Video” aufgezeichnet. Einfach anhalten, wenn es zu schnell wird …

 

 

Evaluation

Noch einmal, zu großen Teilen ist das bereits von mir ausprobierte und bewährte Praxis. Ich habe regelmäßig meinen Unterricht evaluiert. Die Rückmeldungen waren immer hilfreich, für beide Seiten. Sie haben mich darin bestärkt, in der Erarbeitungsphase (Phase 2) vor allem die Instruktionsmethode zu nutzen. Die Schülerinnen und Schüler haben mich, so deren Rückmeldung, dann als sehr authentisch wahrgenommen. Sie begrüßten, dass ich viel Zeit für die Phase 4 (“Selbstständige Übungsphase”) eingeräumt habe, zwischen 1,5 und drei Wochen, je nach Jahrgangsstufe. Hier waren die Rückmeldungen: “Sie gaben uns Zeit, uns auf die Klassenarbeit/ Klausur vorzubereiten, individuellen Interessen nachzugehen (z. B. individuelle Exkursionen in Betriebe, Universitäten, wenn es sich anbot), uns auch herausfordernden Aufgaben aus dem Anforderungsbereich III zu stellen (ich habe bei der Auswahl der Aufgaben im Übungsbereich wie bei Klassenarbeiten immer die Anforderungsbereiche I, II, und III ausgewiesen) u. v. m. Die Zeit dafür habe ich eben durch den hohen Instruktionsanteil in der Phase 2 gewonnen, die ich nun in dieser Konstruktionsphase 4 sinnvoll nutzen konnte.

Das Prozessmodell funktioniert wie bereits oben ausgeführt in jedem Fach: In den hessischen Kerncurricula wird das Modell im sogenannten Leitfaden A eines jeden Faches vorangestellt. Gleichwohl gibt es – natürlich – unterschiedliche Praktiken. Mir wurde immer von fachfremden Kolleginnen und Kollegen gesagt, ein Backwards Planning System sei nur in MINT Fächern sinnvoll und meinen damit, dass es in den anderen Fächern nicht möglich sei, von der Klassenarbeit/ Klausur ausgehend, dort Kompetenzerwartungen ausweisend rückwärts den Unterricht zu entwickeln. Aus vielen Rückmeldungen der Fortbildnerinnen und Fortbildner aus dem Sprach- und geisteswissenschaftlichen Bereich weiß ich, dass das so nicht stimmt. Wie auch immer: Es gilt, einen eigenen Weg zu finden

Daher noch eine weitere Möglichkeit, das hessische Modell zu leben. Das folgende Video stellt eine Umsetzung einer Deutsch- und Englisch- Kollegin vor, die vor allem auf ein sogenanntes E-Portfolio setzt. Ich habe ihren Plan – Do – Check – Act – Ansatz4 per Videoscreen einmal aufgezeichnet:

Hybrides Lehr- Lernarrangement: Praxis II

Schlussbemerkungen

Die hier vorgestellten Ideen haben sich bereits in der Unterrichtspraxis bewährt. Bezüglich Videokonferenz müssen sich die Ansätze noch bestätigen … hier muss also ein Test her … durch Sie? Gerne arbeite ich in Updates Erfahrungen von Ihnen ein. Lassen Sie es mich ggfs. via Kontaktformular wissen …

In aktuellen Twitterbeiträgen ist immer wieder von einem “großen Wurf”, “Bildung 4.0” etc. die Rede. Ich bin da zugegebenermaßen zurückhaltender. So sehr ich meine Blaupausen einmal umgesetzt sehen möchte, akzeptiere ich die aktuellen Rahmenbedingungen. Mein Vorschlag ist niederschwellig gedacht, z. B. eine Steuergruppe/ die Schulleitung

  • stellt einen Plan B dafür auf, der nach den Sommerferien auch dann einen Unterricht ermöglicht, wenn es zu einer Zwei- und Mehrteilung einer Lerngruppe kommen sollte
    • Endgeräte für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler
    • Bereitstellung einer datenschutzkonformen digitalen Plattform (LMS)
    • Bereitstellung eines datenschutzkonformen Videokonferenzsystems
  • ermöglicht Teams, hybride Modelle
    • zu testen und
    • dem Kollegium vorzustellen
  • wertet Erfahrungswerte anderer Schulen aus:
    • In einem ZEIT- Artikel5 wird das Gymnasium Neubeuern, eine Privatschule südlich von Rosenheim vorgestellt. Die Schule hat ein Modell aus New York adaptiert, das von der Bertelsmann-Stiftung in einem Videobeitrag näher vorgestellt wird: Die Schülerinnen und Schüler entscheiden selbst, mit welchen Lernmodulen sie sich beschäftigen wollen. Videobasierte Module sind über die schulinterne Lernplattform abrufbar. Jede Schülergruppe wird von zwei Lehrkräften begleitet, die bei Verständnisfragen helfen. Für die Erledigung der Module werden Termine gesetzt.  In den nachfolgenden Unterrichtsstunden wird das Erlernte vertieft, geübt und praxisnah angewandt.
    • Marc Albrecht hat ein Padlet entwickelt und lädt Schulleitungen ein, ihre Überlegungen, Ideen, Umsetzungen einzutragen. Eine tolle Idee, wie ich finde …

Auch organisatorisch ist vieles zu überdenken und auszuprobieren. Auch hierzu einige Ideen6:

  • Einführung von A / B-Stundenplänen, bei denen einige Schülerinnen und Schüler an A-Tagen und andere an B-Tagen kommen. Diejenigen, die nicht in der Schule sind, werden zu Hause eingebunden (s.o.). Eine andere Variante: Halbe Tage, an denen die eine Hälfte der Lernenden morgens und die andere Hälfte nachmittags zur Schule kommt.
  • Kohorten: Die Lernenden werden in kleine Gruppen eingeteilt, die den ganzen Tag zusammen bleiben, z. B. lernschwach – lernstark. 
  • Auflösung der 45-90 Minuten RhythmenDie Lerngruppe/ Kurs wird über ein-zwei Wochen von derselben Lehrkraft unterrichtet und wechselt dann zu einer anderen Lehrkraft. Anstatt den Fachunterricht einmal pro (Doppel)Stunde zu wechseln, findet ein Wechsel etwa alle zwei Wochen statt.
  • Eine Lehrkraft unterrichtet mehrere Fächer. Damit das funktioniert, muss die Lehrkraft möglicherweise auf einen eher projektbasierten Lernansatz umsteigen, bei dem die Schülerinnen und Schüler an langfristigen Projekten beteiligt sind, mit einem vernetzten Lernen über mehrere Fächer.
  • Individuelle Lernpläne
    • Einige Schülerinnen und Schüler erhalten einen Vollzeitunterricht zu Hause ohne digitale Unterstützung. Diese Lernenden erhalten die Aufgaben in Papierform und werden regelmäßig von einer Lehrkraft (i. d. R. der/ die Klassenlehrer/-in) besucht (Prinzip Nachhilfe). Mag im ersten Moment unrealistisch klingen, ist aber m. E. ein Gedanke wert. Dieses Format ist vor allem dann einzuplanen, wenn Lernende wie Eltern einen digital gestützten Unterricht ablehnen.
    • Schülerinnen und Schüler erhalten einen Vollzeitunterricht zu Hause mit digitaler Unterstützung, z. B. via digitaler Plattform.
    • Es werden Kohorten (s.o.) gebildet, die einige Tage zur Schule kommen. Für diese Gruppen werden Wochenpläne erstellt, deren Bedürfnisse ähnlich sind. Das hilft den Aufwand zu reduzieren.
  • Fernunterricht im klassischen Sinne, mit videobasierten Angeboten der Lehrkräfte.
  • Prüfungsformate: Rechtliche Bewertung (Oliver Schmitz, Schulleiter der Kaiserin-Theophanu-Schule Köln-Kalk), Leistungsbewertung zu Hause (ehemals Oberstufenkoordinator bei Voltaireschule Potsdam)
  • Lernstand diagnostizieren, z. B. via Lernbrücken aus Baden-Württemberg

Und zum Abschluss eine, auch für Schulen nutzbare Sketchnote von Evelyn Kraft, eine eindrucksvolle Übersicht mit ergänzenden Ideen von Michael Graf sowie ein Wakelet mit Rückmeldungen nach einem Aufruf im Twitterlehrerzimmer.

Übrigens, Jennifer Gonzales (Pädagogin, USA) hat sich ebenfalls mit dem Blackwards Design auseinandergesetzt. Wie immer mit einem individuellen Blick auf ihre Unterrichtserfahrung: Backward Design: The Basics

 

Jetzt fehlt es eigentlich nur noch an einer professionellen Auswertung (Evaluation) dieser Konzepte. Vielleicht finden sich ja eine Didaktikerin, ein Didaktiker für diese wertvolle Arbeit? Den Schulen wäre es jedenfalls zu wünschen …

Bild: Luisella Planeta Leoni @pixabay

Digitale Plattform (LMS): Eine Orientierungshilfe

Im Zusammenhang mit den Diskussionen rund um Fernunterricht, aka Hybridlernen, aka Homeschooling werden immer wieder Forderungen nach einer digitalen Plattform laut. Florian Emrich (Konrektor einer Grundschule, Medienberater in NRW) in einem Tweet: “Ich hätte ja gerne einen Wahl-o-mat für schulische Lernmanagementsysteme. 10 Fragen beantworten und gewichten und danach eine Anzeige bekommen, welches aktuell verfügbare System am ehesten passend ist.” So oder ähnlich dürfte es aktuell vielen vor Ort Entscheidern gehen, seien es Schulleitungen und/oder Schulträger. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit möglichen Einführungsszenarien in Schulen.

Vorab folgende Definition des Begriffs „digitale Lernumgebung“:

Digitale Lernumgebungen stellen interaktive Systeme dar, die den Lerninhalt, pädagogische Modelle sowie Interaktionen zwischen den Lernenden an die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen der Benutzer anpassen und personalisieren.

Eine Lernplattform bzw. Learning Management System (LMS) ist ein komplexes Content-Management-System, das der Bereitstellung von Lerninhalten und der Organisation von Lernvorgängen dient. Aufgabe einer web-basierten Lernumgebung ist, die Kommunikation zwischen Lernenden und Lehrenden zu ermöglichen. Sie fungiert als Schnittstelle zwischen Bildungsanbieter und lernender Person. Nicht darunter fallen Bildungsinhalte, die über das Internet angeboten werden, wie die üblichen Webpräsenzen oder -portale. Vorteile einer Lernplattform sind Entlastung im Lehrbetrieb, die Regelung des Informationsflusses, Vereinfachung des Lernens und Übernahme zahlreicher Verwaltungsaufgaben.

Zunächst zwei einführende Videos: Das linke (bzw. das erste) Video stammt von studiumdigitale und ordnet Begrifflichkeiten ein, das rechte Video (bzw. das zweite) zeigt einen Ausschnitt aus einem Film von Valerie Henschel: Schulen im Corona-Stress – Lernen aus der Krise. Sie stellt in dieser Filmpassage eine Schule aus Mainz vor, wie sie eine digitale Plattform in den aktuellen Corona-Zeiten nutzt.

Stellvertretend für diese Definition/ Praxis stehen Softwaresysteme wie z. B. Moodle, DiLer, WebWeaver®, itslearning®, IServ®, HPI Cloud, schulmanager online, die unter einer zentralen Oberfläche mehrere aufgabenspezifische Teilprogramme anbieten, mit denen verschiedene Lernszenarien unterstützt werden, u. a.:

  • Dateiablage: Grundsätzlich können sowohl Lehrkräfte wie auch Schülerinnen und Schüler Ordner anlegen und Dateien hoch- und herunterladen.
  • Wiki individualisiert und global, mit unterschiedlichen Schreib- und Leserechten
  • Blog, individualisiert und global, mit unterschiedlichen Schreib- und Leserechten
  • Schwarzes Brett (Forum) mit Schreibrechten für alle Mitglieder der Lerngruppe
  • Chat: Alle Mitglieder der Lerngruppe können chatten.
  • Videoconferencing: Tool, das im Wesentlichen in einem Präsentations- und / oder Schreibtisch- Sharing besteht
  • Umfragen: Tool, das sowohl für Meinungsumfragen als auch für Feedbackgaben genutzt werden kann
  • Lernpfade: Tool, das strukturierte Wege durch eine Reihe von aufeinander abgestimmten Arbeitsaufträgen entwickeln hilft. Schülerinnen und Schüler können dann im Unterricht und/ oder zu Hause selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten und üben.

Lehrkräfte und Lernende kommunizieren mit diesem passwortgeschützten System über einen gewöhnlichen Webbrowser bzw. eine App. Gemeinsam ist diesen Konzepten, dass trotz einer einheitlichen Gestaltung der Lernumgebung eine auf den Lernenden zugeschnittene, individualisierte und personalisierte Darstellung des Lernmaterials möglich ist. Das gelingt mit Werkzeugen zur Erstellung, Kommunikation und Verwaltung von Lerninhalten sowie zur Koordination von webbasierten Lernangeboten und zur Beurteilung der Lernenden (Feedback-, Umfragetools).

Digitale Lernumgebung: Kritik

Medienaffine Lehrkräfte wie Aus- und Fortbildner*innen äußern sich kritisch zu dieser Form der digitalen Didaktik. Twitter- und Blogbeiträge zweier Pädagogen verweisen darauf, dass ein LMS letztlich “old school” sei, da es die SAMR-Stufe 2 nie verlasse …

Kritik aus der universitären Lehre (Phase 1)

Herbert Hertramp ist Ausbilder von Lehramtsstudentinnen und -studenten und hat sich in einem Thread mit dem LMS Moodle auseinandergesetzt 1:

Habe nun etliche Zeit mit der Frage verbracht, ob Moodle in der heutigen Zeit wirklich noch zur Online-Lehre taugt. Hm, mein Fazit würde ich überschreiben mit: “Moodle zementiert das Modell der geschlossenen Klassentüre”.

Ja, man kann feine Sachen in Moodle umsetzen. Wenn man viel Zeit in Bastelarbeiten investiert, kann man das System sogar “modern” wirken lassen. Auch schätze ich Verknüpfungen, H5P-Aktivität usw. usw. usw. Aber das alles passiert in einer “Kapsel”. So, wie eben vor Jahrzehnten bereits kreativer und guter Unterricht in einem geschlossenen Klassenzimmer ablief. Dass eine “offene Klassentür” deutlich besser ist, wird ja nun auch schon seit Jahrzehnten an etlichen Schulen gezeigt.

Fachübergreifend oder offen oder vernetzt – das alles sind “alte” Hüte. Aber inzwischen ist der Aspekt der “Vernetzung” (und des flexiblen Austausches in andere Systeme) zentral geworden. Und hier hat Moodle ganz deutliche Schwächen. Mir kommt es so vor, dass die Teilnehmer:innen und Dozent:innen sehr viel Arbeit in etwas stecken, was die “Diffusion” durch die Wände der Kapsel niemals schaffen wird – und damit auch von anderen nicht wahrgenommen werden kann.

Jede(r) erfindet das Rad neu. Von daher bin ich nur bedingt mit der aktuellen Tendenz zufrieden, im Schulsystem so sehr auf Moodle zu setzen. Gerade für die Lehramtsausbildung benötige ich offene Formate, die Produktionen von Schüler:innen deutlich besser abbilden und Unterricht besser vernetzen können.

Die o. g. Vorbehalte gelten übrigens für jedes LMS. Lehrkräfte im #twitterlehrerzimmer bestätigen durchaus die Einschätzung des Ausbilders und sehen dennoch in der Verbindung mit H5P Möglichkeiten, bisher unbekannte (Lern)Aktivitäten in Gang zu setzen. Im übrigen, so weitere Kommentare, sorge die Moodle-Community für fortlaufende Verbesserungen, auch in Richtung des 4K und/ oder Dagstuhl-Modells.

Kritik aus einem Studienseminar (Phase 2)

Jan Marenbach, ein Seminarausbilder (Phase 2) formuliert in seinem Blogbeitrag2 ebenfalls Vorbehalte zu dieser Transformation digitaler Didaktik, hier am Beispiel der HPI Cloud:

Das LMS fokussiert in seiner Architektur das klassische Hochladen von Präsentationsdateien, Dokumenten oder Tabellen. (…)  Die sparsam gestaltete Benutzeroberfläche, in der Visualisierungen etwa durch eine Linkvorschau nicht möglich sind, erlaubt nur geführtes oder zielgerichtetes Navigieren — intuitives Suchen und Stöbern funktioniert kaum. Das hat Folgen für den Workflow: Es liegt mehr Verantwortung bei den “Erstellern”, Wege vorzugeben. (…) Die Vorteile, die sich aus der Verwendung von BigBlueButton als Oberfläche für Videokonferenzen, aus einem Chattool sowie aus Kalender- und Office-Applikationen ergeben, werden aufgehoben durch eine geschlossene Struktur, die ein selbstbestimmtes Navigieren im Internet verhindern soll. (…) Ich habe daher die Sorge, dass die Entwicklungen der letzten Wochen mit zunehmender digitaler Vernetzung und Kollaboration der Kolleg*innen am Studienseminar untereinander mit Einführung der Schulcloud einen Rückschritt erleben werden: Wir ziehen uns zurück in die abgeschlossenen Räume unserer Kurse und “schließen die Tür”.

Jan Marenbach verbindet seine mediendidaktische Analyse mit seinem, eher auf Kollaboration ausgerichteten didaktischen Verständnis:

Ich bin gewohnt, den Austausch mit den Lehramtskandidat*innen sowie den kollegialen Austausch über Padlet zu gestalten: Inhalte werden dort kuratiert und laden über die Linkvorschau zum Stöbern ein, Konzepte werden über offene Dokumente zugänglich gemacht und kollaborativ weiterentwickelt bzw. Dokumentation zum Kommentieren veröffentlicht. Durch neue Verlinkungen von Blogs, Padlets, cloudbasierten Präsentationen und weiteren Materialsammlungen bleibt das Padlet “lebendig”.

Marenbach ist verantwortlich für eine Vorbereitung der Lehrkräfte auf deren Job in der Schule. Bereitet sein Ansatz wirklich auf das Lernsystem Schule vor? Oder wird nicht vielmehr etwas vermittelt, was sich auf Seminarebene ganz gut umsetzen lässt, nicht jedoch über alle Klassen hinweg im System Schule? Ist es nicht mit Blick auf Letzteres wünschenswert, beides vorzufinden: Ein Classroom- Management unterstützendes LMS, gekoppelt mit Kollaborationstools, die das didaktische Spektrum erweitern helfen? 

 

Ich will es dabei bewenden lassen und die inhaltliche Diskussion nicht weiter befeuern. Die ist im Gange und wird die eine oder andere wünschenswerte didaktische Ergänzung hervorbringen. Erste Anregungen dazu habe ich im Prolog meines Beitrags Digitale Didaktik – Blaupausen beschrieben. Die Transformation wird sich nicht leicht bewerkstelligen lassen, denn neben den vielen Lehrkräften, die zurzeit die ersten Schritte gehen, gibt es eine Reihe von medienaffinen Lehrkräften, die mit den Vorschlägen Deeper Learning, E-Portfolio, Maker, Agiles Lernen (Scrum, Kanban) etwas anzufangen wissen. Es wird also auf eine kluge und professionelle Moderation ankommen (siehe unten, 2. Empfehlung).

Ich halte den Weg, den wir 1996 bei Schulen ans Netz e. V. mit lo-net begonnen haben, noch immer für den richtigen Einstieg in das Thema. Auch nach mehr als 20 Jahren. Unsere Prämisse war seinerzeit: Lass’ uns auf die aktuelle Unterrichtssituation schauen und lass’ uns den Lehrkräften einen Einstieg eröffnen, der eine Transformation des eigenen (analogen) Lernszenarios nach Digitalien erleichtert. Die Evaluation eines Landesinstituts hat das für bremische Schulen bestätigt. Dazu im nächsten Abschnitt, genauer 3. Empfehlung, mehr.

Ergänzende Informationen

Empfehlungen

1. Empfehlung: Regionales (Schul)Netzwerk bilden

Die Bertelsmann-Stiftung hat bereits in den 90er Jahren auf eine Netzwerkarbeit unter Schulen gesetzt. Seinerzeit überregional (Netzwerk innovative Schulen), nun – vor allem in NRW – regional. 2017 wurde in der Region Gütersloh das Projekt Schule und digitale Bildung aus der Taufe gehoben.3

Übergeordnetes Ziel des Projekts ist es, in den fünf Projektjahren bis 2022 ein Unterstützungsangebot für die 114 Schulen und ihre 18 Träger im Kreisgebiet Gütersloh aufzubauen, damit sie einerseits die Qualität des Unterrichts und der schulischen Arbeit verbessern und die Teilhabe der Kinder und Jugendlichen in einer zunehmend digital geprägten Lebens- und Arbeitswelt gewährleisten können. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts gemeinsam mit den Schulen, den Schulträgern, der Schulaufsicht, dem Bildungsbüro für den Kreis Gütersloh, den Medienberatern und dem Kompetenzteam des Kreises sowie vielen externen Beraterinnen und Beratern zusammen. (…)

 

Das Projekt „Schule und digitale Bildung“ unterstützt Schulen dabei, zeitgemäßes Lernen zu ermöglichen – auch durch den Einsatz digitaler Medien. Es geht um eine Erweiterung der Kompetenzen, des Methodenrepertoires und der didaktischen Möglichkeiten von Lehrkräften sowie die Etablierung einer Lernkultur, die stärker auf individualisiertes Lernen und individuelle Förderung sowie an den aktuellen Anforderungen der Gesellschaft ausgerichtet ist. Diese Veränderungen hinsichtlich der Integration digitaler Medien in das Schul- und Unterrichtsleben erfordern abgestimmte Planungen der Schulen (Medienkonzept) mit ihrem Träger (Medienentwicklungsplanung), sowie bedarfsgerechte Qualifizierungen und Unterstützungsangebote. Deshalb unterstützt das Projekt die Verantwortlichen aus den Schulen und ihre Träger dabei, sich über zeitgemäßes Lernen und eine pädagogisch begründete, zukunftsfähige Ausstattung zu verständigen und sie in ihre schuleigenen Konzepte zu implementieren. (…)

 

Für die Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern und die zu gestaltende Unterrichtspraxis stellt die Digitalisierung eine große Chance dar. Das Projekt unterstützt Lehrkräfte und Schulleitungen, die Chancen und Potenziale der Digitalisierung zu erproben und zu nutzen, mit dem Ziel ihre Schul- und Unterrichtsqualität zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Eine zentrale Funktion nimmt hierbei die Medienkonzepte der Schulen ein. In diesen werden sowohl die unterrichtlichen Veränderungen, die sich durch den Einsatz neuer Medien ergeben, als auch die spezifischen Schritte der Schulentwicklung beschrieben. Damit erhalten die Medienkonzepte für alle am Schulleben Beteiligte einen handlungsleitenden Charakter. Entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen und bedarfsorientierte Angebote des Projektes unterstützen Schulleitungen, Lehrkräfte und Schulträger dabei ihre eng abgestimmten Entwicklungen zu planen und umzusetzen.

Die Schulvertretungen tauschen sich regelmäßig aus, erfahren so von erfolgreichen pädagogischen Ideen und Umsetzungen. Im Netzwerk der 114 Schulen organisierte Fortbildungen werden anschließend lokal in den einzelnen Schulen, in den Fachschaften weitergegeben. So multipliziert sich Wissen ohne größeren Stundenausfall. Lediglich die Freistellung der Lehrkräfte für die regionalen Treffen, für die Runden Tische hat die Schulleitung sicherzustellen.

2. Empfehlung: Meinungsbild in der Schulgemeinde einholen

Kluge und professionelle Moderation ist nur möglich, wenn man über Anwendungswissen verfügt, um genau das zu vermeiden, was das Bild des Schweizer Pädagogen Beat Döbeli Honegger andeutet4:

Das Bundesministeriums Bildung, Wissenschaft und Forschung in Österreich hat eine Reihe von Fragebögen entwickeln lassen, die den Schulen eine Evaluation der Corona-Angebote ermöglichen helfen (vgl. etwa “Evaluation und Feedback zu Fernunterricht” des Bundesministeriums Bildung, Wissenschaft und Forschung, Österreich). Die Fragebögen sind in Kooperation mit IQESonline.net entstanden. Der Geschäftsführer bietet einen kostenfreien 4-wöchigen IQES-Probezugang an, um die IQES-Mediathek zum Lernen mit digitalen Medien kennenlernen sowie webbasierte Befragungen zum Fernunterricht durchführen zu können und schreibt dazu: …bitte vermerken Sie beim 3. Schritt „Konto“ im Feld „Ihre Mitteilungen“: „vierwöchiger kostenloser Probe-Account“.

Ich kann aus eigener Erfahrung den kostenpflichtigen Anbieter empfehlen: Man bekommt qualifizierte Unterstützung, z. B. bei ergänzenden, eigenen Fragen zum bestehenden Pool. Auswertungstools zeigen das Ergebnis in verschiedenen Repräsentationen an (Tortendiagramme, Tabellen, …). Weitere Vorteile sind die Vernetzung der im System befindlichen Schulen, Ideen und Strategien zur Schulentwicklung und eine mit vielen Materialien ausgestattete digitale Bibliothek.

 

3. Empfehlung: Erfahrungswerte aus anderen Kommunen nutzen

Noch ist nicht überall die Entscheidung für ein LMS gefallen. Auf Schulträgerebene empfiehlt sich eine Vernetzung von Schulen. Das Landesinstitut für Schule Bremen (LiS) hat für seine Schulen einen sehr professionellen Weg gewählt: Von der Entwicklung eines Pflichtenhefts über die Analyse vor Ort in Schulen, die in Frage kommende Systemlösungen im Einsatz hatten, über die Auswertung und abschließende Kriteriengewichtung zur Ausschreibung.5

Evaluationssetting

Der Schulträger Bremens hat 2010 begonnen darüber nachzudenken, wie Schulen mit einer digitalen Plattform unterstützt werden können. Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reihe von Schulen, die aus eigenem Antrieb das eine oder andere LMS eingesetzt haben. Das Medienzentrum wollte sich diese Erfahrungen zu nutze machen und hat einen Leitfaden entwickelt. Leitfragen bei den geplanten Interviews mit den unterschiedliche Plattformen nutzende Schulen waren:

  1. Welche Ziele haben Sie sich für den Einsatz der Lernplattform gesetzt? Welche Ziele wurden erreicht, welche nicht?
  2. Welche Erfahrungen haben Sie um Umgang mit der Lernplattform gemacht (Probleme, Vorteile)? Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse mithilfe von drei konkreten Beispielen.
  3. Welche Wünsche haben Sie? Welche Anforderungen stellen Sie an eine Lernplattform?
  4. Welche Möglichkeiten zur Unterrichts- und Schulentwicklung nutzen die Schulen, wenn ihnen eine Lernplattform zur Verfügung steht?
  5. Welche hemmenden und fördernden Faktoren lassen sich dabei erkennen?
  6. Welche Unterstützung benötigen Schulen und Lehrkräfte bei der Etablierung dieses neuen Werkzeugs, welche Ressourcen müssen bereitgestellt werden? 
Ergebnisse
  • Die Schulen haben eine Vorstellung davon, was mit einer Lernplattform erreicht werden soll. Sie sind in der Regel nicht verschriftlicht und lassen sich demzufolge auch nicht evaluieren. Damit ist eine Prozesssteuerung erschwert.
  • Sind organisatorische- technische Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt, scheitert der Einsatz der Plattform für die ganze Schule.
  • Der Funktionsbereich Dateimanagement wurde an allen Schulen genutzt und bildet den Einstieg bei der Nutzung der Plattform in doppelter Hinsicht:
    • Schulen, in denen die verfügbare Lernplattform von der Schulleitung als Werkzeug zur Schulentwicklung genutzt wird, “locken” die weniger IT-affinen Kolleginnen und Kollegen auf die Plattform, indem (nur) Dokumente zentral verfügbar gemacht werden, die so aktuell, vollständig und übersichtlich auf keinem anderen Weg zugänglich sind.
    • Lehrkräfte, die mit der verfügbaren Plattform im eigenen Unterricht arbeiten, stellen dort stets auch Dokumente für ihre Schülerinnen und Schüler ein. Oft werden (später) auch weitere Funktionalitäten genutzt.
  • Die aktiv beteiligten Schulen erkennen nach kurzer Zeit das erhebliche Potenzial, das dieses Werkzeug für die Entwicklung der eigenen Schule spielen kann
  • Die unterschiedlichen Ansätze, die an den beteiligten Schulen mit der Lernplattform verfolgt werden, spiegeln die unterschiedlichen Profile der verschiedenen Schulen wider.
  • Etliche Schulen, die gar nicht am Projekt beteiligt waren, haben davon erfahren und zeigten großes Interesse an den Ergebnissen. In den meisten Fällen stellten sie eine schulinterne Entscheidung solange zurück, bis die Bildungsbehörde Konsequenzen aus der Studie gezogen hat.

Hier einige Dokumente, die seinerzeit (2010) veröffentlicht wurden:

Was erhoffen bzw. befürchten wir vom Unterrichten mit Lernplattformen, Kriterienliste-1, Kriterienliste-2 

Empfehlungen der Evaluationsgruppe
  1. Liegt der Schwerpunkt auf Unterrichtsentwicklung, dann mit der Einführung der Lernplattform in der Regel in Jahrgangsteams beginnen, die mit ihren Klassen hochwachsen und an die folgenden Jahrgänge Strukturen, Inhalte und Erfahrungen weiter geben
  2. Liegt der Schwerpunkt auf Schulentwicklung, dann Voraussetzungen schaffen, dass die Lehrkräfte die Plattform in kurzer Zeit nutzen können und als schulinternes Werkzeug akzeptiert wird. Dieser Ansatz kann von der Schulleitung gefördert werden, wenn auf bestimmte Informationen nur über die Plattform zugegriffen werden kann (z. B. Belegung von Ressourcen)
  3. Neben halbtägigen Einführungsveranstaltungen (Fortbildungen) ist über die gesamte Schulzeit Unterstützung zu geben. Vor allem die Vernetzung der Schulen mit Meinungsaustausch und Distribution von Materialien ist sicherzustellen.

Der Wetteraukreis ist einen ähnlichen Weg gegangen. Sie hat drei in Frage kommende Lösungen einem aus Lehrkräften und Schulleitungen der Region besetzten Gremium vorstellen lassen. Dabei kam dann die Landeslösung (Moodle, Wiesel) trotz aller Kenntnis der Vorteile (siehe die folgende Empfehlung) nicht zum Zuge. Gründe waren vor allem Skalierbarkeit, vom Anbieter bereitgestellter Service und Support, Fortbildungsmaßnahmen und Weiterentwicklung durch das ortsansässige Medienzentrum. Medieneinbindung (FWU) und Distribution dieser Medien mit einer intelligenten Proxy- Lösung kamen später hinzu.

 

4. Empfehlung: Nutzung landeseigener Angebote

Man ist gut beraten, Landes- und/ oder Schulträgerlösungen zu nutzen, denn (z. B.) in Baden Württemberg ist seit jeher das Angebot der Lernplattform Moodle eng mit der Landesakademie und den pädagogischen Fachseminaren abgestimmt und richtet sich nach den Vorgaben der aktuellen Rahmendienstvereinbarung. Die Updates werden auf die Einhaltung des Datenschutzes hin überprüft und, falls nötig, wieder gemäß den datenschutzrechtlichen Vorgaben angepasst. Eine pädagogische Nutzung der in der Plattform zur Verfügung gestellten Module wird auf dem Lehrerfortbildungsserver erläutert. Bayern mit mebis, Bremen mit its learning und Sachsen mit lernsax gehen vergleichbare Wege.

Noch aus einem anderen Grund sind Landesangebote einzubeziehen: Die Erlasse zu Rahmensetzungen zur Medienkompetenzentwicklung werden vielfach mit Lehr-, Lernangeboten verknüpft. So bieten z. B. Landesinstitute Moodlekurse an, die man – sofern vorhanden –  in die eigene Schulinstanz importieren und verändern kann. Diesen Import bieten mittlerweile einige digitale Plattformen als Plugin und/ oder zusätzliche Softwareinstallation an. Das Problem ist sicher, dass man u. U. zwei Lernpfadangebote parallel laufen hat. Gerade in diesem Zusammenhang sollte eine Umfrage unter Lehrkräften und Schülerinnen und Schüler Sicherheit geben, ob das gewünscht ist (vgl. 2. Empfehlung).

 

5. Empfehlung: Datenschutzbelange beachten

Wird – leider, leider – in den Twitterthreads/ Webinaren immer wieder negativ konnotiert. Es führt aber kein Weg daran vorbei:

Eine Lernplattform kann in der Schule zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden. Dabei gibt es gemeinsame, mancherorts auch unterschiedliche Rahmenbedingungen, die es zu beachten gilt:

  • Bei dem Einsatz einer Lernplattform als didaktisch-methodisches Element zur Gestaltung von Lernen gibt es eine Vielfalt von Möglichkeiten wie Einsatz im Regelunterricht, im Förderunterricht, im Lernstudio, im Freizeitbereich oder für die Arbeit außerhalb der Schule. Neben den Daten der Lehrkräfte müssen hier auch die Daten von Schülerinnen und Schülern gespeichert werden. Notwendig werden dann Datenschutzerklärungen, Elterninformationen, Einwilligungserklärungen für die Verarbeitung von Daten im Unterricht und bei freiwilliger Nutzung der Plattform im außerunterrichtlichen Bereich.
  • Nutzt eine Schule das schuleigene System als Hilfsmittel zur Organisation schulinterner Abläufe (Protokollablagen, Vertretungspläne, Raumbuchungssystem, Forum mit E-Mail-Funktion etc.), müssen personenbezogene Daten von Lehrerinnen und Lehrern verarbeitet werden. Hier greifen dann neben Regelungen des Datenschutzgesetzes auch Regelungen des Landespersonalvertretungsgesetzes. Vereinbarungen mit Lehrkräften und Personalrat haben hier entscheidende Funktionen.
  • Wird die Homepage der Schule mit einem schuleigenen System gestaltet, dann sind auf dieser im Netz frei zugänglichen Seite z. B. die Eigentumsrechte von Bild, Ton und Texten nach den Regeln des Urheberrechts zu beachten.

Die Schulleitung …

  • … stellt gemäß Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) u. a. Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Datenverarbeitung, Transparenz, Zweckbindung, Integrität und Vertraulichkeit sicher. Dabei sind verschiedene Ebenen zu beachten (vgl. Bild).

 

  • … kommt der Informationspflicht über die jeweilige Datenverarbeitung bei einem Einsatz von Tools nach, durch allgemeine Hinweis-/Merkblätter oder durch eine Datenschutzerklärung in (leicht) verständlicher Sprache adressiert an die Schüler*innen, an die Eltern und die Lehrkräfte.
  • … stellt sicher, dass Einwilligung z.B. statt bei Veröffentlichung von Bildern, Arbeitsergebnissen und Vertretungspläne mit Namen auf der Homepage der Schule oder in sozialen Netzwerken vorliegen.

Schlussbemerkung

Verfolgt man die aktuellen Diskussionen in den Twitterblasen und Webinaren, dann wird hybrides Lernen unterschiedlich “gelebt”. Das kann niemanden verwundern. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen in den Schulen vor Ort. Auch in Zukunft wird es immer wieder Klagen über Verfügbarkeit (“System ist dauernd down”) und Usability (“Das versteht doch keiner. Und überhaupt …”) geben.

Meine Empfehlung für einen ersten Zugang:

  • Aufbau bzw. Entwicklung eines regionalen Netzwerks mit Schulen
  • Befragung in der Schulgemeinde durchführen
  • Entwicklung Pflichtenheft, entweder auf Schul- und/ oder regionaler Ebene. Dazu auf Kriterien verständigen, ggfs. das Medienzentrum mit ins Boot nehmen.

Das Pflichtenheft entsteht nach intensiven Diskussionen über Lehr- Lernarrangements, entweder in digital modifizierter Übernahme eines analogen Modells oder in Form eines digitalen Modells, vgl. Digitale Didaktik: Prolog. Mit einer abschließenden Vereinbarung gelingt im günstigsten Fall eine Verständigung auf digital gestützte Organisationstools (LMS), kollaborative Tools (z. B. Etherpad) oder Kombinationen aus beiden.

Es folgt der meist vom Schulträger vorzunehmende Prüfungs- und Evaluationsprozess. Neben den großen Anbietern (iServ, its learning, Webweaver, hpi cloud, schulmanager, …) sind Landeslösungen und kleine Lösungen (nextcloud) bei der Evaluation zu berücksichtigen. Zwei Medienberater aus NRW haben eine Marktanalyse vorgenommen und veröffentlicht. Eine Zertifizierung durch den Landesdatenschutzbeauftragten ist dringend zu empfehlen, damit sich die Schulgemeinde entsprechend geschützt sieht. Für manche Behörden ist das Pflicht.

Es folgt die Umsetzung vor Ort, der sog. Rollout. Stichworte sind:

  • Endgeräte an Lehrkräfte (sog. Dienstgeräte) und Schülerinnen und Schüler (Leihgeräte und/ oder Kauf via Bildungspakt, Finanzierungsmodelle)
  • Fortbildung, Fortbildung, Fortbildung
  • Support (1st, 2nd Level) durch Systemanbieter
  • Betreuung vor Ort und angemessene Entlastung (z. B. abgesichert durch ein Zeit- und Tätigkeitsprotokoll)

Eine Schülerinnen- und Schülergerechte und deren Individualität einbeziehende Umsetzung wird nur gelingen, wenn

neben der veränderten Infrastruktur (Lerninseln) eine Haltung der Lehrkräfte vorliegt, die sie daran glauben lässt,

  • dass Kinder lernen wollen,
  • dass ich als Lehrkraft Schülerinnen und Schüler erst einmal persönlich stabilisieren muss, um das Lernen zu ermöglichen
  • dass dazu eine Loslösung von inhaltlichem Fachbezug notwendig ist.

Daher legen wir als IGS Wert darauf Menschen und nicht Fächer zu unterrichten.

so der Schulleiter Thomas Ferber (Richtsberg Gesamtschule, Marburg) in dem bereits zu Beginn vorgestellten Film von Valerie Henschel 6.

Update, 08.11.2020: Konzept eines Mini LMS von Niklas Tervooren

 

 

Bildnachweis

Titelbild: @wikipedia,

Normenhierarchie: Dr. Jacek Lagoni aus Webinar „Datenschutz und Urheberrecht im virtuellen Klassenzimmer“, 7. April 2020

Videonachweis:

ZDFzoom, Ausschnitt 10:21 – 13:44)