MINT – interessant gestalten (iv)

Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es (u. a.): Deutschland ist Innovationsland. Starke Wissenschaft und Forschung sind dabei die Garanten für Wohlstand, Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt und eine nachhaltige Gesellschaft. Wir haben Lust auf Zukunft und den Mut zu Veränderungen, sind offen für Neues und werden neue technologische, digitale, soziale und nachhaltige Innovationskraft entfachen. Wir setzen neue Impulse für unsere Wissenschafts- und Forschungslandschaft.1

Liebe Ampel-Koalition: Was halten Sie davon, Informatik als Schulfach einzuführen? Schon ab der Primarstufe. In der aktuellen LOG IN Ausgabe findet sich ein Positionspapier zu „Informatische Bildung in der Grundschule und Zentren für Digitale Bildung”. Dort heißt es mit Bezug zu den Zielen informatischer Bildung in der Primarstufe u. a.2:

Informatik ist das Kernfach informatischer Bildung und sollte deshalb einen festen Platz im schulischen Fächerkanon der Grundschule und der weiterführenden Schulen erhalten. Neben dem Unterrichtsfach ,,Informatik“ sollte informatische Bildung jedoch in fachspezifischer Form auch in anderen Fächern wie Deutsch, Mathematik oder Sachunterricht angebahnt und gefördert werden. So fordern wir in diesem Positionspapier eine verpflichtende informatische Bildung innerhalb der Grundschulen, mit der einerseits informatikdidaktische Zielstellungen verfolgt werden und die andererseits den spezifischen Gegebenheiten der einzelnen Fachdidaktiken der Grundschule gerecht wird.

(…)

Informatikdidaktische Zielstellungen wären hierbei vor allem in zwei Dimensionen zu sehen: Zum einen als Einüben und Kennenlernen eines informatischen Zugangs zur Welt, zum anderen als das Verstehen der digitalen Welt und dadurch mögliches selbstständiges Handeln in dieser. Zur ersten Facette gehören das informatische Problemlösen, Modellieren und Implementieren sowie Computational Thinking. Zur zweiten Facette gehören das Erfassen des Aufbaus und der Arbeitsweise digitaler Artefakte und Informatiksysteme sowie das Verstehen ihrer Bedeutung und der Interaktion und Wechselwirkung von Mensch und Maschine.

Man kann den Initiatorinnen und Initiatoren aus der Hochschulszene nur jeden Erfolg wünschen. Da es in unseren Breiten erfahrungsgemäß ewig lang dauert bis sich etwas bewegt (die Ampel kann mich nun gerne eines Besseren belehren), hier schon einmal eine Zusammenstellung einiger Unterrichtsideen, die dem o. g. Ansinnen gerecht werden.

Zunächst, zwei kognitiven Aktivierungen:

 

Die Autorin hat dazu tolle Bastelanleitungen online gestellt!

 

BlueBot - Ozobot

 

Raphael Fehrmann und Horst Zeinz haben vor einigen Wochen den kleinen Roboter in einem Beitrag der Zeitschrift on – lernen in der digitalen Welt – so vorgestellt:3

Der Lernroboter Blue-Bot des Herstellers TTS ist 15x15x8 cm groß und kann auf Programmebene rollende, 15 cm weit reichende Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen vollziehen. So kann er über ein Spielfeld mit 15×15 cm großen Feldern navigiert werden. Außerdem sind 90 Drehungen als Programmelemente vorgesehen. Programmabläufe können aus bis zu 40 beliebig kombinierbaren Bewegungen und Drehungen bestehen. […] Der Roboter eignet sich primär für den Einsatz in den Jahrgangsstufen 1 bis 6 zur Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses für algorithmische Strukturen, da eine begrenzte Anzahl an Befehlen eingegeben und die sich hieraus ergebende Fahrweise des Roboters unmittelbar in der Programmausführung erfahren wird. Es bestehen vielfältige Differenzierungsmöglichkeiten:

  • Gestaltung von Abläufen (Steigerung der Anzahl der Schritte; Erweiterung durch das Einfügen von Pausen)
  • Gestaltung des zu überwindenden Weges bzw. Spielfeldes (Legen vorgefertigter Felder; Legen flexibel positionierbarer Untergrundkarten)
  • Erarbeitung und Notation von Programmierfolgen (Legen der algorithmischen Folgen mithilfe der Tactile-Plättchen oder anderer Visualisierungsmittel bei gleichzeitigem, händischen Bewegen des Roboters; Planung des Programms mit und ohne visuelle Notation; Vorgabe von und Umgang mit Programmierfehlern)

 

Ich habe kürzlich Herrn Fehrmann kontaktiert, um mehr über Einsatz- und vor allem Kaufmöglichkeiten zu erfahren. Er schreibt:

  • Es empfiehlt sich meines Erachtens, die BlueBots als 6er-Pack zu erwerben, weil man dann direkt die 6er-Lade- und Transportschale zusätzlich erhält (https://www.betzold.de/prod/E_756419/). Preistechnisch unterscheiden sich die Anbieter kaum, einer der größeren, deutschen Anbieter ist Betzold (einfache Bestell- und Versand-Abwicklung für Unternehmen und Behörden, gute Rückgabekonditionen…).
  • Sinn machen unserer Erprobungen nach auch der Ankauf der Rasterfolien (https://www.betzold.de/prod/89811/). Alternativ können diese auch selbst aus Schreibtisch-Stuhl-Rollmatten und Klebetaschen o. ä. gebastelt werden, wobei sich die Original-Matten preistechnisch kaum von Do-it-yourself-Lösungen unterscheiden.
  • Alles Weitere (vorgefertigte Matten, Legeplättchen, Einsteckbilder, Aufsätze für den BlueBot etc.) können meist insb. zugunsten der didaktischen Anpassung und Ausgestaltung besser selbst mit ein wenig Aufwand und mit meist deutlich geringeren Kosten erstellt werden – ob der Ankauf vorgefertigter Materialien hier lohnt, sollte individuell beurteilt werden. Zahlreiche, einfach adaptierbare Vorlagen finden sich bspw. hier: https://www.uni-muenster.de/Lernroboter/video/index.shtml

Er findet übrigens auch den Ozobot als Lernroboter sehr spannend – und „mag ihn sogar noch deutlich mehr als den BlueBot (mehr Differenzierungsmöglichkeiten, mehr Einsatzmöglichkeiten über die gesamte Schullaufbahn hinweg …). Ich würde auch hier einen Ozo pro 3-4 Schüler einsetzen. Der Ozobot gibt noch einmal deutlich schneller und direkter im Fahrtlinien-Mal-Prozess Rückmeldung auf die Programmierung, indem er die Aktionen direkt ausführt bzw. Programmierfehler (im Codeeinsatz, im Malen,…) direkt sichtbar macht. Daher tendiere ich hier zu einer höheren Anzahl. Wenn ich den Ozobot mit Ozoblockly digital steuere, reichen 3-4 Ozos pro Klasse. So kann jeder bzw. jede Kleingruppe erst einmal das Programm per App vorbereiten und dann hinterher „gezielt“ mit wenigen Ozobots die Programmausführung testen.“

Weitere Informationsmöglichkeiten

calliope mini

Calliope mini® ist ein Einplatinencomputer, der für Bildungszwecke entwickelt wurde und bereits in Grundschulen eingesetzt werden kann. Der Calliope mini® wurde auf Grundlage des BBC micro:bit® entwickelt, der 2016 in Großbritannien an Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse verteilt wurde. Für die Weiterentwicklung zeichnet Calliopes gGmbH verantwortlich. Sie bietet auf ihrer Plattform zahlreiche Unterrichtsbeispiele und Projekte an, mittlerweile auch für ältere Schülerinnen und Schüler (12–16 Jahren).

Die „Macher“ verfolgen dabei folgende Ziele:

  • Hohe Schüleraktivierung: Coding schafft Handlungs- und Gesprächsanlässe
  • Förderung des forschend-entdeckenden Lernens: spielerische Herangehensweise und fehlertolerantes Arbeiten
  • Förderung der Modellierungs- und Problemlösekompetenz sowie des analytischen Denkens
  • Stärkung übergreifender Kompetenzen: Selbstständigkeit, Eigeninitiative und das Bilden eigener Hypothesen
  • Unterstützung bei der natürlichen Differenzierung durch viele richtige Wege zum (selbst gesetzten) Ziel

Darüber hinaus bietet der Cornelsen Verlag mit dem Handbuch für Lehrkräfte und den beiden Arbeitsheften Band 1 und Band 2 kostenfreies Material an.

Die Mini-Computer sind nicht gerade billig (zwischen 30 und 35 Euro / Stück). Meines Erachtens sollte es möglich sein, dass ggf. der Förderverein und finanzkräftige Eltern helfen, diese kleinen „Sheriff-Sterne anzuschaffen“. Auch will ich die immer wieder laut werdende Kritik „Wirtschaftslobbyismus“ nicht kleinreden (in einigen Bundesländern wird der Kauf subventioniert). Zu sehr gefällt mir der Ansatz, der vor allem den Mädchen die Chance gibt, sich spielerisch mit MINT-Thema auseinanderzusetzen und den Boden bereitet, für sie später einmal eine Berufsalternative zu sein.

Fortbildung

Das Calliope-Team der openSAP bietet einen Kurs an, der sich an Lehrer*innen und Pädagog*innen aller Schulformen richtet, die in den Klassenstufen 3 bis 6 arbeiten.

Ziel des Kurses ist es, Ihnen den Einstieg in den Calliope mini zu erleichtern, sodass Sie den Mikrocontroller an Ihrer Schule einsetzen können. Sie erhalten im Kurs eine Einführung in den Calliope mini und seine Programmierung, inklusive Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Übungen. Der Kurs erklärt außerdem, warum Programmieren ab der Grundschule wichtig ist und worauf Sie achten sollten, wenn Sie den Calliope mini an Ihrer Schule einführen.

Der Kurs ist kostenlos. Man legt sich ein Benutzerkonto auf openSAP an und nimmt am Kurs teil! Er ist mittlerweile als klassisches Selbststudium angelegt, da der moderierte Kurs Ende 2020 beendet wurde.

Abschließend noch ein echtes Highlight für Schülerinnen und Schüler bis zur siebten Klasse:

Einladung der ESA und des DLR zu einem Experiment im Weltraum

Kürzlich ist Matthias Maurer zur Internationalen Raumstation geflogen. Der aus dem Saarland stammende ESA-Astronaut wird einen besonderen Computer im Gepäck haben: eben den Calliope mini. Schulklassen am Boden können damit Experimente im Weltraum durchführen. Die ESA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt laden Schülerinnen und Schüler bis zur siebten Klasse ein, sich für die Teilnahme zu bewerben – und so aus dem Klassenzimmer in Gedanken auf die ISS zu reisen. Ein Team der Ruhr-Universität Bochum betreut die Schulen.

Weitere Informationen: Kinder schicken Mini-Roboter ins All

Scratch

 

Scratch ist eine erstmals 2007 veröffentlichte erziehungsorientierte visuelle Programmiersprache für Kinder und Jugendliche inklusive ihrer Entwicklungsumgebung und der eng verknüpften Online-Community-Plattform. Ihr Ziel ist es, Neueinsteiger − besonders Kinder und Jugendliche − mit den Grundkonzepten der Programmierung vertraut zu machen. Unter dem Motto Imagine, Program, Share („Ausdenken, Entwickeln, Teilen“) wird die kreative und explorative Erstellung eigener Spiele und Multimedia-Anwendungen, verbunden mit dem gegenseitigen Austausch darüber als Motivation genutzt. Kostenlos und werbefrei können die Ergebnisse in einer internationalen Online-Community mit dem Scratch-Player abgespielt, diskutiert und weiterentwickelt werden. Außerdem gibt es einige Beispiele, die Anregungen für Einsteiger schaffen und das Prinzip des Programmierens näherbringen.4

Eine Lehrkraft hat in einem sehr launigen Beitrag im Lehrerforum 2017 den erfolgreichen Einsatz der Programmiersprache Scratch in ihrem Unterricht wie folgt beschrieben:5Meine Lerngruppe bestand aus 12 Schülerinnen und Schülern mit weniger als 10 % Informatikerfahrung. Die Laufzeit des Projekts: Die letzten vier Schulwochen. Der Arbeitsauftrag: „einen Aspekt des Halbjahresthemas Globalisierung auswählen und eine passende interaktive Lernumgebung programmieren“. Die Lehrkraft gibt als Motivation u. a. an, vor allem Berührungsängste mit IT minimieren zu wollen und diese als Kulturtechnik erleben zu lassen. Die Praxiserfahrung der Schülerinnen und Schüler umschreibt er u. a. mit einer zunehmenden Steigerung der Motivation, dem Stolz auf das eigene, kreative Produkt, dem Gefallen an dem fächerübergreifenden Ansatz und dem Spaß an der Gruppenarbeit. Weniger Gefallen haben ihnen die Probleme bei der technischen Umsetzung.

 

 

Klasse 7: Biologie – Scratch

In dem Artikel Scratch im Biologieunterricht fragt Ulli Weisbrodt, wie eine visuelle Programmiersprache wie Scratch im Biologieunterricht eingesetzt werden kann und skizziert konkrete Unterrichtsbeispiele, wie es gehen kann. Dabei geht es um „Fotosynthese erforschen und modellieren“, um „Lungenvolumen erforschen und modellieren“ sowie um einen Reaktionstestsimulator zum Thema „Sinne und Nerven“. Der Lehrer fasst im Fazit seine Unterrichtserfahrung wie folgt zusammen:

Die Schüler*innen wenden ihre erste visuelle Programmiersprache damit in einem erweiterten MINT-Kontext an. Sie lösen naturwissenschaftliche Fragestellungen unter Einsatz von Scratch als Messwerkzeug (Reaktionstester) und auch zur Visualisierung einer aus Messwerten ermittelten mathematischen Modellierung. Damit werden zentrale Kompetenzen des
MINT-Unterrichts gefördert. Neben einer festen Einbettung von Scratch in den Biologieunterricht einer ganzen Klasse eignet sich die Website „Biologie-Unterricht“ auch, um einzelnen interessierten Schüler*innen Material an die Hand zu geben, mit dem sie sich grundlegend in die Programmiersprache einarbeiten können. Die Lehrkraft kann daraufhin Ideen beisteuern, wie Scratch sinnvoll in den Biologieunterricht eingebettet werden könnte, und die Ergebnisse der Schüler*innen als Zusatzleistung bewerten.6

Es gibt eine Vielzahl von weiteren Unterrichtsmaterialien und Anwendungsbeispielen zu Scratch, z. B.

Raspberry Pi

 

Auch hier handelt es sich zunächst um eine Platine. Die britische Raspberry-Pi-Foundation entwickelte mit dieser Platine einen Computer. Er ist bereits seit 2012 auf dem Markt, war eigentlich für den Bildungsbereich vorgesehen und wird mittlerweile zunehmend im Smarthome-Bereich angetroffen. Alarmanlagen, Licht und Heizungsregelungen, alles das lässt sich mit diesem Einplatinencomputer und dem entsprechenden Betriebssystem realisieren. Der Heise-Verlag hat kürzlich über eine kostengünstige Version berichtet. Vielleicht lohnt auch eine Nachfrage beim Förderverein, wie ein Zeitungsbericht aus NRW zeigt.

Der Raspberry Pi® verfügt über eine große Entwickler- und Anwender-Community. Lehrkräfte wie auch Schülerinnen und Schüler finden deshalb in den entsprechenden Foren schnelle und professionelle Hilfe. Microsoft® unterstützt die Weiterentwicklung mit einer Integration in ihr aktuelles Betriebssystem Windows® 10, d. h. man kann die Platine über Windows® 10 und entsprechenden Schnittstellen(z. B. USB) „ansprechen“. Stockinger7 stellt in einem Beitrag weitere Vorzüge heraus:

Der Raspberry Pi bietet günstige Einstiegsmöglichkeiten in den Educational-Robotics-Bereich. Laufend werden neue Modelle angeboten wie z. B. der ZeroBorg (www.piborg.org/zeroborg), der auch mit dem Rasperry Pi Zero® (dem ersten Modell der Foundation) kompatibel ist. Mit einer H-Brücke für nur wenige Euros können ferngesteuerte Autos aus Pappkarton selbst gebastelt werden (siehe dazu die Anleitungen von Ingmar Stapel (custombuild-robots.com/).

Mit Rasperry Pi® gelingt eine skalierte Einführung von Programmiersprachen, z. B. von einer visuellen Programmiersprache Scratch zu einer textbasierten Programmiersprache wie Python.  In der Schweiz wurde dazu speziell für den Unterricht mit TigerJython® (www.tigerjython.ch/) eine Plattform entwickelt, die entsprechende Lehrmittel für einen sinnvollen Einstieg in die Python Programmierung bereitstellt. TigerJython® ist für den Einsatz ab der vierten oder fünften Schulstufe konzipiert.

Für den Raspberry Pi® steht inzwischen eine große Menge an Weiterbildungsmaterial zur Verfügung. Neben zahlreichen Büchern werden eigene Zeitschriften angeboten. The MagPi, das offizielle Pi-Magazin, kann in der digitalen Version kostenlos herunterladen werden und enthält neben grundlegenden Informationen Berichte über teils skurrile Anwendungen, wie z. B. eine automatische Katzenfütterungsanlage. Darüber hinaus lohnt der Besuch des Blogs t3n: Neue Erweiterung verbindet den Bastelrechner mit Lego-Motoren und das dazugehörige HackSpaceMagazine (49), frei zum Download.

Hilfreich vielleicht auch der Praxisbericht: Machen Raspberry Pis Bock? Ich teste 3 Anfänger-Projekte | Selbstexperiment (youtube) …

Fortbildung

Wenn man mit Schülerinnen und Schülern Codingprojekte durchführt, kommt nicht selten die Rückmeldung: „Schon interessant zu sehen, wie das Ganze eigentlich funktioniert.“ „Irgendwie eine Idee zu bekommen, wie man selbst eine Anwendung programmieren kann, ist schon cool“. Und diese Antworten kommen nicht nur von Jungs. Der niedrigschwellige Einstieg in die kreative Entwicklung, von z. B. Smart Home Anwendungen, einer sich rasant weiterentwickelnden Branche, gelingt Lehrkräften durch Programmierung von vereinfachten Minirechnern, mit denen vom Grundschulalter an die Welt der Algorithmen begreifbar gemacht werden kann. Darüber hinaus sind mit diesen Projekten vielfach Fragestellungen rund um Datenschutz, Umgang mit Persönlichkeitsrechten und Missbrauch der Computer(mini)systeme verbunden, mit deren Sensibilisierung man gar nicht früh genug beginnen kann.

Das Hasso-Plattner-Institut in Deutschland bietet auf seiner MOOC-Plattform OpenHPI einen Einführungskurs zum Thema „Embedded Smart Home“ an, der auf dem Raspberry Pi® aufbaut.

 

cs unplugged

CS Unplugged verfolgt überwiegend eine konstruktivistische Vorgehensweise: Schüler erhalten auf ein paar einfachen Regeln basierende Aufgabenstellungen und kommen dann während des Lösungsprozesses dieser Aufgaben selbst auf stichhaltige Ideen. Dies ist nicht nur eine einprägsamere Lernmethode, auf diese Weise erkennen sie auch, dass sie diese Konzepte durchaus erfassen können. Zudem sind die Aktivitäten sehr kinästhetisch ausgerichtet – je großformatiger die Materialien, desto besser.

Durch diese Vorgehensweise können auch Sie mit Ihren Schülern lernen. Sie sollten sich zunächst die gesamte Aktivität durchlesen, um vorbereitet zu sein. Zudem haben wir Videos für viele dieser Aktivitäten bereitgestellt, damit Sie diese visualisieren können. Während die Schüler herausfinden, wie diese Konzepte funktionieren, werden Sie jedoch auch Muster und Ideen sehen, die die Schüler beim Nachvollziehen der Grundsätze hinter diesen Themen aus der Informatik erkennen.8

Hopp Foundation

Die Hopp- Foundation „kümmert“ sich vorbildlich um die Belange rund um die digitale Transformation in unserem Bildungssystem. Besonders nachgefragt sind die Webinare rund um die Einbindung eines iPad als Unterrichtswerkzeug. Darum soll es im Folgenden nicht gehen, sondern um unterrichtliche Angebote in der Sekundarstufe I. Dabei gelingt die Einführung in die informatorische Bildung auch ohne jedes Endgerät …

“Code Fred” ist ein für Schülerinnen und Schüler (SuS) konzipiertes Kartenspiel, das die Grundkonzepte der Programmierung thematisiert. Die SuS verfolgen das gemeinsame Spielziel, den Heinzelroboter Fred durch die Wohnung zu lotsen. Dazu wird mit den Spielkarten ein Pseudocode gelegt. Das Spiel durchläuft fünf Schwierigkeitsstufen.

Auf jedem Level werden die Kartensets um neue Programmierbausteine erweitert und so die Grundkonzepte der Programmierung nach und nach eingeführt. Um die immer schwierigeren Aufgaben zu bewältigen, müssen die SuS diese Konzepte einsetzen, miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Durch seine Struktur und die Verwendung des Pseudocodes eignet sich das Spiel sowohl als Einstieg in die Programmierung als auch zur Wiederholung ihrer Grundkonzepte.

Mehr Informationen und einen Einblick in das Spiel finden Sie in unserem Erklärvideo.

»Code Mainia« ist ein Kartenspiel für Schülerinnen und Schüler (SuS), bei dem es darum geht, einen Programmcode sequentiell zu legen und auszuwerten. Die SuS verfolgen das Ziel, den Code beim Ablegen der Karten möglichst schnell zu erfassen und im Kopf auszuführen.

Der Code ist mit der Programmiersprache Java formuliert und kompatibel mit C++. Das Spiel kann in zwei Varianten gespielt werden: In der Variante Grundspiel sollen die SuS die Anweisungen auf den Karten erklären und so eine Diskussion mit ihren Mitspielern beginnen, in der Variante Dynamische Erweiterung treten sie in einen Wettstreit miteinander ein.

Die Spielanleitungen der beiden Spielvarianten gibt es auch als Erklärvideos: Grundspiel und Erweiterung.

In der Lehrerhandreichung wird Didaktik und Methodik, hier angelehnt an die Lehrpläne Baden Württembergs näher erläutert.

Das Spiel »UCO – Undefined Cat Object« eignet sich gut zur Einführung in die Programmierung und Algorithmik mit heterogenen
Lerngruppen. Die Schülerinnen und Schüler (SuS) lernen mit der For- und While-Schleife sowie den Verzweigungen grundlegende
Konzepte der Programmierung kennen.
Auf konkrete Befehle einer Programmiersprache wird bewusst verzichtet, spezifisches Vorwissen ist nicht nötig. Die SuS bewegen ihre Spielfigur (ein von einem Kätzchen gesteuertes UFO) auf dem Spielfeld und versuchen dabei, drei auf dem Spielfeld verteilte Upgrades einzusammeln. Die Herausforderung für die SuS besteht darin, aus den Spielkarten eine sinnvolle Anweisungsfolge zu generieren, um sich gezielt auf dem Spielfeld fortzubewegen.

Mehr Informationen und einen Einblick in das Spiel finden Sie in unserem Erklärvideo.

 

Das Bestellformular findet sich hier.

Die Hopp- Foundation bietet noch eine Reihe attraktiver Informatik-Workshops an, sowohl in Präsenz als auch online.

Mit unseren Informatik-Workshops ermöglichen wir Lehrenden einen praktischen Einstieg in das Themenfeld der Informatik und geben einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten, wie Wissen aus diesem Bereich im Unterricht vermittelt werden kann. Unsere Referentinnen und Referenten stellen Anwendungsbeispiele vor, die anschließend selbstständig erprobt werden können. Bei manchen Angeboten sind Programmierkenntnisse erforderlich, andere sind für Lehrende ohne Vorkenntnisse konzipiert, die eine gewisse Neugier und Offenheit für Themen aus der Informatik mitbringen und an einem fächerübergreifenden Unterricht interessiert sind.

Wir haben unterschiedliche Fortbildungsbausteine entwickelt, welche einzeln oder modular in Kombination besucht werden können. Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Angebote auf die Bedürfnisse im Schulunterricht abgestimmt sind und setzen deshalb mehrheitlich auf eine praxisnahe Vermittlung durch Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Unterrichtserfahrungen in die Workshops einbringen.

 

Fächerübergreifendes

Die ARD hat Anfang November die Verfilmung des Elsberg Romans ZERO gesendet. Er steht noch bis Anfang Februar in der Mediathek. Tobias Hübner aus NRW hat den Roman für einen fächerübergreifenden Ansatz, hier Deutsch und Informatik genutzt. Die ZEIT Onlineredaktion schreibt weiter:9

Im Rahmen eines Förderprojekts für begabte Schüler hat Deutschlehrer Hübner schon mit eine KI trainiert, zu erkennen, ob eine menschliche Hand Schere, Stein oder Papier zeigt. Im Deutschunterricht bespricht er Narrative aus Computerspielen. Eines seiner neuesten Projekte ist eine Unterrichtsreihe zum Roman Zero des österreichischen Schriftstellers Marc Elsberg. In dem Krimi geht es unter anderem um Netzaktivisten, Datenschutz und Hacker. Diese nutzen immer wieder einen Minicomputer namens Raspberry Pi, den es auch in Wirklichkeit gibt. Hübners Schüler*innen lesen immer ein Kapitel des Romans und lösen dann dazu passende Aufgaben, manche davon mit einem solchen Raspberry Pi. Mal sollen sie per Tabellenkalkulation Daten über ihr Social-Media-Verhalten analysieren, mal in Python einen eigenen Chatbot programmieren. (Übrigens gibt es dazu auch ein Lehrer*innenheft. Einfach eine Mail an den Autor.)

Neben klassischen Deutschunterrichtthemen wie sprachliche Mittel, Inhaltsangaben und Textanalyse thematisiert er anhand der Lektüre unter anderem Open-Source-Software, Verschlüsselungsmechanismen und Heideggers Position zu Technologie. „Meine Idee ist es, (…) Informatik zu verbinden mit gesellschaftlichen Fragen, mit Kunst und Literatur und dadurch den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, was das alles mit ihrem Leben zu tun hat, das ist auch die große Chance des Medienkompetenzrahmens.“

 

MADE TO MEASURE

 

Unter dem Label Laokoon widmen sich Moritz Riesewieck, Hans Block und Cosima Terrasse künstlerischen und crossmedialen Projekten mit dem thematischen Schwerpunkt Digitalität und Gesellschaft. Cosima Terrasse entwickelt partizipative Performance-Projekte und lehrt am Social Design Studio der Universität für angewandte Kunst in Wien. Block und Riesewieck sind Theater- und Dokumentarfilmregisseure sowie Autoren. 

Mit dem in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung des Bundes initiierten und entwickelten Projekt MADE TO MEASURE unternahm Laokoon ein künstlerisches Datenexperiment und hat – allein durch Analyse der Daten, die Google über einen Menschen gesammelt hat – ein Double aus Fleisch und Blut in Gestalt einer Performerin erschaffen. Nicht die äußerliche Ähnlichkeit (allein) macht diese dabei zur Doppelgängerin: Es sind auch die Muster, Eigenheiten, Wünsche, der Humor, aber auch die Schwächen, Ängste und Unsicherheiten des Menschen hinter den Daten.

MADE TO MEASURE ist eine Kreuzung aus Datenexperiment, Schauspiel, künstlerischer Recherche und journalistischer Investigation. Für das in dieser Form weltweit bisher einzigartige Projekt arbeitete die Künstlergruppe Laokoon u.a. mit Datenanalystinnen, Insidern aus der Online-Werbebranche, Hackern, Programmierinnen und Webdesignern zusammen.

Ein unglaubliches Projekt! Unbedingt anschauen und prüfen, inwieweit der Film im Unterricht thematisiert werden kann. Ich sehe viele Fächer angesprochen: neben Informatik vor allem Ethik, Politik, Kunst und Darstellendes Spiel (DSP)/Theater AG.

 

Data Mining  –  Umfragen

 

Nun zwei Vorträge. Der eine zum Thema Umgang mit Datenbanken, der andere zum Thema Algorithmus.

Am Vortrag von David Kriesel (linke Spalte) beeindruckt mich die unglaubliche Faszination, die ein solches Thema (Daten sammeln und auswerten) bei der Zuhörerschaft auslösen kann. Man kann förmlich eine Stecknadel fallen hören …

Worum geht es? Anfang 2019 hat David begonnen, jeden einzelnen Halt jeder einzelnen Zugfahrt auf jedem einzelnen Fernbahnhof in ganz Deutschland systematisch zu speichern. Die Bahn gibt ihre Verspätungen in „Prozent pünktlicher Züge pro Monat“ an. Davids Datensatz umfasst knapp 25 Millionen Halte – mehr als 50.000 pro Tag. Ein fast komplettes Fernverkehrsjahr der Deutschen Bahn wird vermessen. Folgenden Fragen geht er nach: Wie viele Zugfahrten gibt es überhaupt? Was sind die größten Bahnhöfe? Ist das Problem mit den Zugverspätungen wirklich so schlimm, wie alle sagen? Gibt es Orte und Zeiten, an denen es besonders hapert? Und wo fallen Züge einfach aus? David ergänzt noch zum Erwartungsmanagement: Sinn ist keinesfalls Bahn-Bashing oder Sensationshascherei – wer einen Hassvortrag gegen die Bahn erwartet, ist in dieser Veranstaltung falsch. Wir werden die Daten aber nutzen, um die Bahn einmal ein bisschen kennenzulernen. Die Bahn ist eine riesige Maschine mit Millionen beweglicher Teile.10

 

Von Dr. David Weiß (rechte Spalte) erfährt man, was informatisch hinter einer online gesteuerten Umfrage steckt (hier arsnova). Das Video liefert daher Anregungen dann für einen fächerübergreifenden Ansatz, wenn man z. B. Umfragen in der Lerngruppe durchführt und die Frage aufwirft, wohin die Daten gehen, wie sie ausgewertet werden und wie sie wieder auf den Bildschirm zurückkommen. Klasse Idee für den eigenen Unterricht, zumal sich daraus viele Inhalte aus dem Curriculum abdecken lassen. Und das Ganze gleich auch noch interdisziplinär. Noch zwei Hinweise zum Video: Möglicherweise muss man mit der Maus über eine große weiße Fläche fahren, um die Videosteuerung angezeigt zu bekommen. Der Ton wird mit dem „Auftritt“ des Referenten (ab ca. 2:30) deutlich besser.

In beiden Videobeiträgen sehe ich neben der Informatik die Fächer Mathematik, Ethik und Politik angesprochen. Es macht Lust, in der Oberstufe die entsprechenden Lehrplanthemen so einzuleiten. Die Schülerinnen und Schüler werden sich ganz anders motiviert mit den dahinter stehenden Fragestellungen auseinandersetzen.

und sonst ...

Ich habe in den letzten Wochen im EduTwitter Leseempfehlungen zu Apps, Tools, Fortbildungen und politischen Beiträgen gesammelt. Hier eine Auswahl. Nicht immer gelingt im Folgenden eine Trennschärfe. Die anmoderierenden Teaser sollten aussagekräftig genug sein, um die dahinterstehenden Inhalte einordnen zu können:

… Technik …

… Curriculum …

… Methodik …

… Bildungspolitik …

… Fortbildung …

Schlussbemerkung

Das war sie nun, meine Tour d’Horizon. Wie vielschichtig und interdisziplinär sich die Wissenschaft Informatik in Fach- und Gesellschaftsfragen zeigt, oder? Die (Bildungs)Politik muss dafür sorgen, dass wir die Herausforderungen angehen. Mit einem beherzten Statement in Richtung einer informatischen Grundbildung. Curricular kommt auf die Lehrkräfteaus- und weiterbildung einiges zu. Auf die Kultusministerien (inkl. KMK) kommt zusätzlich die Aufgabe zu, die Bildungsstandards MINT zu überarbeiten, fachspezifisch, z. B. durch Aufnahme des Fachs Informatik wie überfachlich, hin zu interdisziplinären Kompetenzbeschreibungen.

Leider konnte ich Informatik nur in der Oberstufe unterrichten, weil das Fach in der Stundentafel zur Sekundarstufe 1 nicht vorgesehen war. Zwar konnte ich mit einem Wahlfach, mit einer Informatik AG/Homepage AG einige Schülerinnen und Schüler aus der Sekundarstufe 1 heranführen, weit entfernt allerdings von einer informatischen Bildung, wie ich sie mir vorstelle. Weil eben auf eine kleine Interessengemeinschaft begrenzt. Daher der o. g. Appell an Ampel und KMK.

Nun hoffe ich erst einmal, dass die vielen Anregungen – wie in meiner Überschrift getitelt – zu einem die Schülerinnen und Schüler anregenden und interessanten Unterricht führen werden …

In diesem Sinne:

… Stay tuned …

Update (28.12.21): Förderungen für Schulen: Diese 10 Stiftungen helfen bei der Realisierung euer Projekte von @app_camps

Bildnachweise:

Titelbild: Adrain Degonda@https://tiny.phzh.ch/methodikdesprogrammierens

calliope mini, scratch, rasperry pi@wikipedia

code fred, mainia, uco @hopp-foundation

zero@wikimedia

Ars Electronica @flickr cc by nc nd 2.0 Format: 250×141

Toolbox für den Unterricht

Gemäß des Mottos: „Und täglich grüßt das Murmeltier“ setzen sich Lehrkräfte wieder einmal mit der Frage auseinander, wie sie mit den anstehenden Pandemieregelungen umgehen können. Neben dem Rückgriff auf eigene Erfahrungen bieten sich Publikationen an, die bei Planungs- und Umstellungsüberlegungen Unterstützung bieten. Darum soll es in diesem Beitrag gehen. Ich führe in zwei Printmedien der Joachim Herz Stiftung ein, die sich praxisnah mit didaktischen Aspekten zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht auseinandersetzen. Abschließend stelle ich noch – passend zum Thema Toolbox – weitere Links zu Beiträgen aus dem EduTwitter vor, die es sich lohnen aufgesucht zu werden. Doch der Reihe nach:

 

Auch wenn in der Überschrift „Naturwissenschaften digital“ steht, sind die Hefte fächerübergreifend nutzbar. Vor allem die Theorie betreffend. Die Praxisbeispiele greifen ausschließlich Themen der Biologie, Chemie und Physik auf, und doch lässt sich m. E. ein Transfer auf andere Fächer herstellen. Das sieht auch der Verlag so:

Die beiden Bände der Toolbox liefern Beiträge zum praktischen Einsatz von digitalen Werkzeugen im Chemie-, Physik- und Biologieunterricht sowie im naturwissenschaftsorientierten Sachunterricht. Darin sind klare Anleitungen, Angaben zu Zeitaufwänden, benötigten Geräten und Materialien sowie direkt einsetzbare Unterrichtsmaterialien enthalten. Von Virtual Reality über digitales Endoskopieren bis hin zu Wärmebildkameras und kooperativem Arbeiten – die Möglichkeiten, die das Lehren und Lernen mit digitalen Medien für den naturwissenschaftlichen Unterricht bieten, sind vielfältig. Die meisten Ansätze sind auf andere Fächer übertragbar, sodass zwei umfangreiche Toolboxen für Lehrkräfte entstanden sind.

Was die Bände auszeichnet, ist deren evidenzbasierter Ansatz. Die Autoren des Einführungskapitels „Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien – Leitlinien zum Lehren mit Multimedia“, Raimund Girwidz und Christoph Hoyer von der Ludwig-Maximilians-Universität München schreiben (u. a.): (Wir nehmen) verstärkt lernpsychologische und didaktisch-methodische Erkenntnisse und weniger technische oder pädagogische Gesichtspunkte (in den Blick). In den Vordergrund rücken dabei Theorien und empirisch fundierte Richtlinien, wie mit Medien Lernprozesse sinnvoll zu unterstützen sind. (…) Im Fokus stehen übergeordnete Merkmale, die generelle Konzepte für ein Unterrichten ermöglichen. In der nachfolgenden Darstellung werden zunächst grundlegende Ansätze skizziert und auf die einschlägige Literatur verwiesen. Obwohl eine Vielzahl von Theorien und Erkenntnissen verfügbar ist, mangelt es bisher an Konkretisierungen speziell zur Physik, Chemie oder Biologie. Hier fehlt oft die konkrete Anbindung an naturwissenschaftliche Unterrichtsthemen. Die Brücke schlagen im Folgenden verschiedene Beispiele in Form von kleinen Programmen und Applets. Sie helfen, wichtige Erkenntnisse und Ansätze aus der Lehr-Lern-Psychologie praxisnah vorzustellen. 

Zum Einstieg werden die besonderen Merkmale multimedialer Lernmittel herausgestellt. Dazu gehören Multimodalität, Multicodierung und Interaktivität. Im Anschluss wird anhand von Beispielanwendungen verdeutlicht, wie ausgewählte lernpsychologische Erkenntnisse umgesetzt werden können. Die Ziele hierbei lauten:

  • Verankerung von Wissen und situiertes Lernen
  • Förderung kognitiver Flexibilität
  • Einfluss multimedialer Anwendungen auf mentale Modelle
  • Wissensstrukturierung und Vernetzung
  • Supplantationsprinzip und Kohärenzbildung

Allerdings ist es auch wichtig, Lehrkräfte für Problemfelder beim Einsatz von Multimedia zu sensibilisieren. Deshalb werden exemplarisch noch die folgenden Themen angesprochen:

  • Kognitive Belastung (cognitive load)
  • Verarbeitungstiefe
  • Multiple Repräsentationen

Nach dieser Einführung kommen dann die Schulpraktikerinnen und -praktiker zu Wort. Gleich das erste Thema setzt sich mit einer Fragestellung auseinander, die mich aktuell sehr beschäftigt: Es geht um Quizwerkzeuge.

Der Autor, Stefan Richtberg vom Wilhelmsgymnasium München, schreibt:

Moderne Quiz-Systeme ermöglichen das einfache und schnelle Erstellen von Fragen und Frageserien, die die Schülerinnen und Schüler individuell beantworten können. Quizze bieten die Möglichkeit, Schülerinnen und Schülern auf spielerische Weise Fragen zu stellen. Quiz-Formate sind aus diesem Grunde eine gute Möglichkeit der Schüleraktivierung. Zusätzlich erhalten die Lernenden automatisiert Rückmeldung über ihren Lernfortschritt und die Lehrkräfte können Probleme ihrer Schülerinnen und Schüler schnell identifizieren sowie evidenzbasiert Rückschlüsse auf die Wirkung ihres Unterrichts ziehen.

Die Umsetzung seiner Unterrichtsidee ist nicht nur als isoliertes PDF-Dokument abrufbar und damit gut in einer SchiLF- Kaffee- und Teestunde (@annekatweiss) einbindbar, sondern ist auch noch auf einer zusätzlichen, dieses Thema begleitenden Webseite ausgeführt, mit einem Webinar, mit ergänzenden Materialien u. v. m.

Die Bücher werden kostenfrei in einer Printversion (Bestellung hier) und als PDF zur Verfügung gestellt:

 

Weitere Apps & Tools

Ich empfehle, die Druckvariante zu bestellen. Was die analoge Lektüre so wertvoll macht? Mich unterstützt beim Lesen auf Papier der haptische Sinneseindruck, die Inhalte buchstäblich besser zu begreifen. Peter Gerjets, Professor für Lehr-Lernforschung am Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen, untersucht, wie digitale Medien beschaffen sein müssen, um gutes Lernen zu unterstützen. Das Hirn, sagt Gerjets, verarbeite Reize in Handnähe besser: „Offenbar ist die Aufmerksamkeit größer und die mentale Kontrolle stärker, wenn wir etwas betrachten, das wir anfassen und halten – weil es dann oft um die Steuerung von Handlungen geht.“1. Die Broschüren sind handlich und eignen sich wegen ihres DIN-A4-Formats sehr gut als Kopiervorlage. Man kann die Hefte in die Fachbereichsbibliothek stellen, in Fachkonferenzen „rumgehen“ lassen und damit für zusätzlichen Gesprächsanlass sorgen.

Und nun, wie angekündigt weitere Empfehlungen aus dem EduTwitter:

Viel Spaß nun beim Ausprobieren oder wie Maybritt Illner als Rausschmeißer formulieren würde: „…beim Vermehren der gewonnenen Einsichten.“

In diesem Sinne

Stay tuned

Bildnachweis:

Titelbild: Marvin Meyer @unsplash.com

Beitragsbild: Band 1 @Joachim-Hertz-Stiftung

(MINT)Adventszeit – interessant gestalten(iii)

Die Individualisierung von Lernprozessen bedeutet, für alle Schülerinnen und Schüler Lernbedingungen zu schaffen, die ihnen eine optimale Entfaltung ihrer Potenziale ermöglichen und ihnen die ihrer individuellen Leistungsfähigkeit entsprechende bestmögliche Bildung vermitteln. Ein Blick auf den vergleichsweise geringen Anteil von Schülerinnen und Schülern auf den beiden oberen Kompetenzstufen der PISA-Studien bzw. der Ländervergleiche der Kultusministerkonferenz sowohl im Bereich der Naturwissenschaften/Mathematik als auch in Deutsch und Englisch verdeutlicht die Notwendigkeit, die Förderung von leistungsstarken und potenziell leistungsfähigen Schülerinnen und Schülern zu verbessern.

Wie kann das gelingen? Mit Blick auf die beginnende Adventszeit stelle ich in diesem Beitrag einige Ideen, inklusive Umsetzung aus meiner Schulpraxis vor.

Externer Kalender

 

Meine ersten Erfahrungen habe ich mit einem online entwickelten Angebot gesammelt, hier Mathematik. Ich habe meine Lerngruppen angemeldet und die Werbetrommel gerührt. Der aktive Schülerinnen- und Schülerkreis war überschaubar. Das war mit Blick auf die herausfordernden Aufgabenstellungen für mich o.K. Immerhin haben sich während der Laufzeit des Wettbewerbs weitere Lernende interessiert gezeigt.

Welche externen MINT- Anbieter gibt es? Stand heute empfehle ich die folgenden Adressen anzusteuern:

Aus dem Jahr 2020 sind einige Umsetzungen noch verfügbar, die zumindest Eingang im Unterricht oder bei individuellen Adventskalendern (siehe nächster Abschnitt) Berücksichtigung finden können, z.B.

Individueller Kalender: Pädagogischer Ansatz

Später habe ich als Klassenlehrer dann Lerngruppen spezifische Varianten entwickelt. Zum einen, weil sich das Schulhalbjahr dem Ende näherte und ich einen Überblick über den Kompetenzstand haben wollte. Zum anderen, weil ich einige Aufgabentypen vernachlässigen musste: Känguruaufgaben sowie Fermiaufgaben. In den Schuladventstagen waren die ersten 15 Minuten dem Öffnen und dem dahinterstehenden Tun reserviert. Da ich die Inhalte selbst gestaltet habe, habe ich im weiteren Unterrichtsverlauf daran angeknüpft (wir haben eine Doppelstunden-, d. h. 90 Minuten- Struktur). Vielfach habe ich die Inhalte hinter den Türchen zeitnah formuliert (also in den Dezembertagen), auch um Beobachtungen aus dem Unterricht mit berücksichtigen zu können.

Klassenprojekt

Eine weitere Variante entwickelte sich einmal in einer Lerngruppe des Jahrgangs 7. Ich habe sie zu Beginn des Schuljahres übernommen und sehr schnell wahrgenommen, dass die Schülerinnen und Schüler nachmittags an vielen Arbeitsgemeinschaften teilnahmen und im Matheunterricht bei fächerübergreifenden Fragestellungen sich immer sehr lebendig und selbstbewusst einbrachten. Ich habe meine an informatische Themen interessierte und an meiner Informatik AG teilnehmenden Schülerinnen und Schüler eingeladen, einen Klassenadventskalender zu „basteln“. Der Kalender wurde dann im internen Learningmanagementsystem (LMS) publiziert.

Heraus kam ein Kessel Buntes: TikTok vergleichbare Videos mit Mitmachelementen sowie Quizformate (Jeopardy und/ oder „Wer wird Millionär“). Auf die Inhalte habe ich keinen Einfluss genommen. Ein temporär ins Leben gerufener Redaktionsrat aus sieben Schülerinnen und Schüler war für die Koordination, Sammlung und Erstellung der Türcheninhalte verantwortlich. Mehrere Arbeitsgemeinschaften boten ihre Hilfe an, so z. B. meine Informatik AG sowie die von Kolleginnen geleiteten Theater AG und Musik AG. Sie haben dem Redaktionsrat wie auch den Inhaltsentwicklern mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Viele Beiträge sind erst im Laufe des Dezembers fertiggestellt worden, zum einen, weil zu Beginn der Initiative (Mitte November) noch nicht alle 24 Tage besetzt werden konnten, zum anderen, weil die Redaktion sich nicht einigen konnte, was berücksichtigt werden sollte und was nicht. Manches Mal musste ich ein wenig „auf die Tube drücken“, damit wir rechtzeitig online waren …

Die Entstehungsprozesse und sich anschließenden Diskussionen haben mir ein teilweise völlig neues Bild meiner Lerngruppe vermittelt: Manche Schülerinnen und Schüler engagierten sich in einer Art und Weise, wie ich das im Unterricht selten habe beobachten können. Zudem lernte ich sie mit MINT fremden Kompetenzen kennen: Theater- und Musikspiel,  Buchinteressen und vieles mehr.

Jahrgangsprojekt

Eine weitere Variante bietet sich durch ein im Jahrgangsteam entwickelter fächerübergreifender Unterrichtsansatz an. Ich habe einmal ein Jahrgangsteam 5 einer IGS kennengelernt. Die Gesamtkonferenz beschloss einen Projektunterricht, dessen Themen sich an den Fachcurricula der Fächer Gesellschaftslehre (GL), Naturwissenschaften (NaWi), ästhetische Bildung orientieren sollten. Die Lehrkräfte der weiteren Fächer (hier Deutsch und Mathematik) wurde in Abhängigkeit der zu vermittelnden Methoden geeignet eingebunden. Ähnlich wie in meiner oben vorgestellten Klasse 7 sind hier Themenangebote des Lehrkräfteteams mit/ ohne Beteiligung der Schülerinnen und Schüler denkbar, je nach Kompetenzstand der Lerngruppe (hier Selbstständigkeit).

Individueller Kalender: Umsetzung

Und natürlich stellt sich hier die Frage nach einem Tool. Da bieten sich z. B. die PowerPoint-Vorlage von Tobias Krah, die H5P-Vorlage  – nicht nur für den Grundschulbereich (?) – von Verena Knoblauch und eine Idee (genial.ly) von @ArthurThoemmes an.

PPP – Vorlage

 Und hier geht es zum Downloadlink.

H5P-Vorlage

genial.ly

Weitere digitale Varianten sind einem Blogbeitrag von Nele Hirsch zu entnehmen. Auch hier ist H5P ein Thema. Die Erläuterungen stammen aus dem Jahr 2020, sind aber 1-1 auf heute übertragbar.

Ich habe bei dem „schule digital“-Adventskalender 2020 die in Neles Blogbeitrag vorgestellte glitch.me- Variante eingesetzt. Die Beiträge selbst habe ich in meiner WordPressimplementation zu „Schule in der digitalen Welt“ abgelegt. Mit dem nützlichen Nebeneffekt, die Einträge immer mal wieder nutzen zu können, um im EduTwitter den einen oder anderen Tipp zu geben. Hier der direkte Link zum Adventskalender des letzten Jahres.

Aktuell empfiehlt Nele übrigens:

Auch für dieses Jahr sind eine Vielzahl von Adventskalender angekündigt, so wie hier:

Man darf gespannt sein, was uns in den nächsten 14 Tagen noch so ins Haus steht …

Update (19.11.): Märchenbearbeitungen – Adventskalender

Update (20.11): Padlet mit Impulsen für die Advents- und Weihnachtszeit von @ArthurThoemmes

Update (21.11./24.11.): Digitaler Adventskalender für Lehrkräfte, Digitaler Adventskalender für SuS von @VerenaKnoblauch

Update (23.11.): Digitaler Moodlekalender der Regenbogenschule

Update (24.11.): Scratchkalender: In 24 Türchen erklärt @Bingenberger den Kindern, wie man ein Schneeballspiel in Scratch coden kann.

Update (26.11.): Weihnachts-Clips von Edeka, Lidl & Co. von @ArthurThoemmes

Update (27.11.): Adventszeit in der Mastbruchschule Paderborn von @FrauHihi; Weihnachtsbräuche von @heidihaselmann; Digitaler Adventskalender für die Primarstufe von Religionspädagogik Köln; (Fachbezogene) Adventskalendersammlung 2021 von @an_annago

Update (28.11.): Fortbildungskalender der hessichen Lehrkräfteakademie (Abteilung Medienbildung); Ideenbörse von @MrsGreenGER

Update (01.12.): Mathekalender der@TUM_Mathematics; Kalender der @HSD_Paderborn; Kalender der @HOOUHamburg Anton-Adventskalender von @antoneducation; Moodle Adventskalender von Moodle@RLP

… Stay tuned …

Bildnachweis:  In cc0- Lizenz via Jörg Lohrer (@joerglohrer).

MINT interessant gestalten (II)

So häufig gefordert und gewünscht: Gebt Schülerinnen und Schüler mehr eigenen (Lern) Spielraum! Lasst sie selbst entscheiden, was sie in ihren (freien) Lernzeiten bewältigen wollen. Im Folgenden stelle ich einige aktuelle Angebote vor, die genau dies zum Ziel haben: Schülerinnen und Schüler zu motivieren, sich ein Endgerät zu „erobern“ (iPad- Einführungskurs), sich einer Herausforderung zu stellen (Informatik-Wettbewerb), sich gemäß ihrer Interessen weiter zu entwickeln (Programmierkurse) und/ oder sich über Themen der Zukunft zu informieren (Künstliche Intelligenz).

Let’s dive in ..

iPad für Schülerinnen und Schüler

Wie funktioniert der Moodle-Kurs?

  1. Beginne mit dem ersten Kapitel “Grundfunktionen”.
  2. Gehe die Themen Schritt für Schritt durch.
  3. Die Themen sind immer in einen Erklärfilm und Übungsaufgaben unterteilt.
  4. Gehe zum nächsten Thema über.
  5. Gib uns am Ende eine Rückmeldung über den Kurs.

 

Python - Beginners

Dieser openHPI Einsteigerkurs richtet sich an Schüler:innen, die schon immer in die Welt des Programmierens hineinschnuppern wollten oder schon erste Erfahrungen in der Programmierung gesammelt haben. In 4 Modulen (10 Wochen) beschäftigen wir uns auf spielerische Art und Weise mit der Programmiersprache Python. Der Kurs ist für Schüler:innen Mittelstufe (ab der 7. Klasse) gedacht und lässt sich wunderbar in den Unterricht integrieren.

 

Python - Advanced

Du bist Schülerin zwischen 14 und 21 Jahren? Du hast den nebenstehenden Kurs durchgearbeitet und die einfachen Bausteine von Python verstanden? Du möchtest mehr Python verstehen oder an dem Informatik Wettbewerb BwInf (Bundeswettbewerb Informatik) teilnehmen? Dann bist du hier genau richtig!

In diesem vierwöchigen kostenlosen Kurs für Python advanced lernst du etwas anspruchsvollere Themen und weitere Bausteine der Programmierung in Python kennen. 

Jugend forscht 2022

Die »Stiftung Jugend forscht e. V.« ruft junge Menschen mit Interesse an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik dazu auf, an der 57. Wettbewerbsrunde von »Jugend forscht« teilzunehmen. Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende bis 21 Jahre können sich bis zum 30. November 2021 mit ihrem Forschungsprojekt zum Jahresthema »Zufällig genial?« anmelden. Die Fragestellung ist frei wählbar, muss jedoch dem Fachgebiet Arbeitswelt, Biologie, Chemie, Geo- und Raumwissenschaften, Mathematik/Informatik, Physik oder Technik zugeordnet werden können. Die Teilnehmenden erwarten auf der Regional-, Landes- und Bundesebene des Wettbewerbs verschiedene Geld- und Sachpreise im Gesamtwert von über einer Million Euro.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen für Einsteiger

Hier lernen Jugendliche und andere Interessierte ohne Programmier-Erfahrung und technisches Hintergrund-Wissen, die Welt des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz zu verstehen. (…) Auch auf ethische Fragen beim Einsatz künstlicher Intelligenz sowie die Begrenzungen der Technologie maschinellen Lernens wird in dem vierwöchigen Gratis-Kurs eingegangen. 

Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen in der Praxis

Wir wollen das Basiswissen aus dem nebenstehenden Kurs  weiter vertiefen und ein Gefühl für die Chancen und Herausforderungen von Machine Learning Projekten in der Praxis vermitteln. Dafür betrachten wir mehrere konkrete Anwendungsfälle – unter anderem die Erkennung von Gebärdensprache aus Bildern und die Stimmungsanalyse von Zeitungsartikeln. 

KISS* - KI für Schülerinnen und Schüler

Künstliche Intelligenz weckt großen Hoffnungen aber auch viel Ängste. Ursache dafür ist häufig Unwissen über die dahinterliegenden Mechanismen.

KISS soll umfangreiches Material zum besseren Verständnis und zur Auseinandersetzung mit der wichtigen Zukunfts-technologie der Künstlichen Intelligenz in einem freien Online Education Tool (WordPress / H5P) bereit stellen.

 

Schlussbemerkung

Die Unterrichtsangebote sollen vor allem die stärkeren Schülerinnen und Schüler fördern helfen. Da sich die Beiträge – wie die Überschrift ja einleitend aussagt – auf MINT bezieht, will ich gerne noch abschließend auf den Blogbeitrag Bilder für Schulprojekte finden aus dem Jahr 2018 von @DerLinkshaender verweisen. Er ist noch immer aktuell wie ich finde, richtet sich vornehmlich an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I und geht auf das wichtige Thema Urheberrecht ein, ein alle interessierendes Thema:

Allen eine schöne Herbst(ferien)zeit!

Stay tuned!

Titelbildnachweis: coyot@pixabay

MINT interessant gestalten (I)

Das neue Schuljahr beginnt. Mit neuen und alten Lerngruppen. Mit bewährten und unbekannten, den Unterricht neu belebenden Inhalten und Methoden. Ich werde in loser Folge praxisnahe Ideen aus der Didaktik des MINT-Unterrichts vorstellen. Auch um Anregungen zur Motivation von Schülerinnen und Schüler zu geben, um ein im folgenden Tweet beschriebenes Desinteresse abbauen zu helfen.

 

Mit einer Empfehlung aus der analogen Welt (aka Buchrezension) starte ich heute die Reihe „Matheunterricht interessant gestalten“. Es geht um das Buch DIE WICHTIGSTEN ZAHLEN UND IHRE GESCHICHTEN von Prof. Beutelspacher.

Der C.-H. Verlag bewirbt das Buch so:

Vor mehr als 20000 Jahren aus praktischen Gründen erfunden, haben Zahlen für viele etwas Magisches. Albrecht Beutelspacher erzählt die spannendsten Geschichten rund um die wichtigsten Zahlen. Ein Buch, das sich ganz ohne mathematische Vorkenntnisse erschließt und in dem jeder seine Lieblingszahl entdecken wird.

Über 30 Prozent aller Zahlen beginnen mit 1, und so steht auch die Zahl, mit der das Zählen beginnt, am Ausgangspunkt dieser kurzweiligen Reise durch die Welt der Zahlen. Mit der 2 zerfällt die Welt in zwei Teile, in der 3 wächst sie wieder zusammen. Die 4 ist die Zahl der Orientierung, die 5 die Zahl der Natur und mit der 6 kommt endlich Ordnung in die Welt. Die 7 Weisen waren eigentlich 22, und dafür, dass die Woche ausgerechnet 7 Tage hat, gibt es keine rationalen Gründe. Die 0 hat lange Zeit gefehlt und war, als sie vor 2000 Jahren in Indien erfunden wurde, längst überfällig. Wäre es nach der Französischen Revolution gegangen, hätte ein Tag heute 10 Stunden mit jeweils 100 Minuten, von denen jede aus 100 Sekunden bestünde. Die wilde 13 zerstört die perfekte innere Balance der 12 – muss sie aber deshalb gleich Unglück bringen? Die 5 607 249 ist die größte Zahl, auf die je ein Mensch gezählt hat, aber nicht die größte in diesem Buch. Mit der Kreiszahl p betreten wir das Reich der transzendenten, mit der –1 das Reich der negativen Zahlen. Deren scheinbare Paradoxien illustriert vortrefflich der folgende Witz, der sich ebenfalls in diesem wunderbar leichtfüßig geschriebenen Buch findet: Ein Professor steht vor einem Hörsaal. Er sieht fünf Studierende den Hörsaal betreten und nach einiger Zeit sechs Studierende herauskommen. Da denkt sich der Prof: „Wenn jetzt noch einer reingeht, ist der Hörsaal wieder leer.

Zur Didaktik ...

Lassen Sie mich Ihnen erst einmal den Autor vorstellen. Meinen ersten Kontakt mit dem Hochschulprofessor für Geometrie und Diskrete Mathematik bekam ich durch den Artikel im Licht im Zahlendschungel im SPIEGEL (2004). Als hessische Lehrkraft, noch dazu in der Nähe Gießens arbeitend, nutzte ich mehrfach die Gelegenheit, mit meinen Schülerinnen und Schülern „sein“ Museum zu besuchen. Oder als hessischer Fortbildner sein Angebot zu nutzen, unterrichtende Mathematiklehrkräfte experimentelle Ideen zum MU weiterzugeben, stets verbunden mit einer konkreten Vermittlung seiner vielen Praxismodelle im Museum. Wer seinem didaktischen Verständnis nachspüren möchte, dem empfehle ich:

 

Beutelspacher hatte noch etwas im Blick: Die Beschäftigung mit der Angst vor dem MU. Das Buch greift die Ansätze aus diesem Artikel auf. Man glaubt gar nicht, welche Geschichten sich hinter den Zahlen 1,2,3, … verbergen. Der Autor nimmt die Leserinnen und Leser, ob jung oder alt mit in die zeithistorische Reise von 500 v. Chr. bis heute. Einfach beeindruckend, wie viel Mathematik sich in Geschichte, Musik, Kunst, Geografie u. v. m. wiederfindet. Was die Akzeptanz dieses Buches deutlich erleichtert, ist die Aufteilung in viele, viele kleine Häppchen. Sehr leicht verdaulich, weil eben im Großen und Ganzen auch von „Otto Normal Verbraucher“ verständlich geschrieben, wie einige Pressestimmen bestätigen. Die Schülerinnen und Schüler profitieren darüber hinaus, weil ihnen eine Ahnung vermittelt wird, was sich hinter der Wissenschaft Mathematik so alles verbirgt. Denn Beutelspacher beschreibt Phänomene, mathematische Modelle (Axiomatik, Geometrie, Analysis) und macht – mit Blick auf digitale Technologien – an geeigneten Stellen darauf aufmerksam, dass erst diese Werkzeuge die „Wahrheit“ (aka den Beweis) einiger mathematischen Vermutungen erbracht haben.

... und Methodik I ...

Wir Lehrkräfte können mehrfach Gewinn aus dem Buch ziehen:

Die Anregungen aus seinen Fortbildungen habe ich z. B. immer gerne bei der Einführung eines im Unterricht zu behandelnden Mathe- Themas genutzt. Meine Schülerinnen und Schüler haben mir – selten genug – immer dann 100 % Aufmerksamkeit geschenkt, wenn ich kulturhistorische Bezüge hergestellt habe, wenn ich mit Experimenten begonnen habe, wenn ich plötzlich mit einem Musikstück die Unterrichtseinheit begonnen habe, etwa bei der Einführung der Zahl π: Ich kam in die Klasse und spielte ihnen einen Titel von Kate Bush vor, verbunden mit der Frage: „Was hat diese Musikerin möglicherweise motiviert, dieses Lied zu kreieren?“

 

 

Der Text und – für mich – die Musik gibt möglicherweise Auskunft: Die Unendlichkeit der Ziffernfolge… Ich reicherte das Ganze noch an mit historischen Hinweisen, wie eben im Buch von Beutelspacher im gleichnamigen Kapitel beschrieben. Und, ganz aktuell bietet sich zu diesem Thema auch ein Bezug zur Forschung an:

 

Wer WELT Abonnent ist, kann hier ein Interview mit der Leiter der Schweizer Forschungsgruppe finden. Schülerinnen und Schüler fallen eine ganze Reihe von Fragen ein. Auch die, wozu das gut sein soll. Und schon war der Advance Organizer, einer meiner bevorzugten Initiierungsmethode für die Unterrichtseinheit fertig. Denn darum geht uns Lehrkräften doch: Zum Nachdenken anregen, Schülerinnen und Schüler zu motivieren, sich mal selbst auf den Weg zu machen. Übrigens bieten sich für einen fächerübergreifenden Ansatz Querverbindungen zu den Fächern Englisch/ Deutsch (Thema Lyrik) an.

 

... und Methodik II

Auch bei den vom Autor vorgestellten Beweistechniken können Lehrkräfte profitieren: Ich habe meine Schülerinnen und Schüler stets „verloren“, wenn es um Widerspruchsbeweise, vollständige Induktion und weitere Beweisstrategien ging. Hier ein Beispiel, von dem ich glaube, dass der Begleittext von Beutelspacher möglicherweise ein besseres Verständnis befördern hilft. Es geht um den Widerspruchsbeweis zu „√2 ist nicht rational“. Die Schulbuchvarianten ähneln der Wikipediaversion (siehe unten links), die ich nun der Beutelspacher- Variante gegenüberstelle. Fragen Sie einmal Ihre Schülerinnen und Schüler, welche der beiden Varianten besser „verstanden“ wird (zur Vergrößerung einfach anklicken). Meine Vermutung, die textlastigere rechte Variante:

 

 

Schlussbemerkung

Zusammenfassend kann es für dieses kleine handliche Bändchen nur eine klare Empfehlung geben: Für unseren Matheunterricht, für unsere Schülerinnen und Schüler, wie auch für all die Zeitgenossen, die immer wieder mit dem Spruch „In Mathe war ich auch immer schlecht.” aufwarten. Wie wäre es mit einer ergänzenden Aussage, die ich kürzlich in meinem Bekanntenkreis gehört habe: „Hätte ich dieses Buch gekannt, hätte ich vielleicht eine Chance gehabt, aus dem Matheunterricht mehr mitzunehmen …”

Und, wer Geschmack gefunden hat: Der DLF hat in einem Podcast mit dem Titel Wie Mathematik unser Leben prägt zwei spannende Sachbücher vorgestellt. Gerne mal reinhören …

In diesem Sinne

Stay tuned

 

Bildnachweis:

Titel- bzw. Coverbild: @C. H. Beck- Verlag

Beweistechnik, links: @Wikipedia

Beweistechnik, rechts: @Beutelspacher: Auszug aus vorgestelltem Buch, S. 136

Transformation analog – digital: Mathematikunterricht

In diesem Beitrag geht es um die digitale Transformation im Mathematikunterricht (MU). Es kommen Fachdidaktikerinnen und -didaktiker zu Wort, die den MU nicht nur analysiert, sondern – und das ist sehr lobenswert – auch Praxisbeiträge entwickelt haben. Viele Unterrichtsmaterialien sind sofort nutzbar, andere dienen als Anregung bzw. benötigen Vorbereitungszeit.

Doch der Reihe nach. Aus aktuellem Anlass, die Bruchrechnung war wieder Thema in einem kürzlich geposteten Tweet:

Mir geht es nicht um die – sicher berechtigte – (Nach)Frage zum Bewertungsschema. Mir geht es um das Päckchen rechnen. Muss das im Jahr 2020 noch sein?

Seit PISA (2001) wird der Notwendigkeit einer Kompetenzorientierung das Wort geredet. In Aus- und Fortbildungen der Mathematiklehrkräfte wird hervorgehoben, dass sich laut Wittmann1 ein guter Mathematikunterricht primär ausrichtet an

  • der Ausweisung der Lernziele (im Kontext zur Bruchrechnung etwa: argumentieren, darstellen, mit formalen Elementen umgehen)
  • einem entdeckenden Lernen als Unterrichtsprinzip
  • der Forderung nach Anwendungs- und Strukturorientierung mit expliziten Verweisen auf arithmetische und geometrische Muster
  • der Forderung nach produktivem Üben (und dazu gehört ganz sicher nicht das Päckchen rechnen)

In einer Studie zum Mathematikunterricht im 9. Jahrgang schließen die beiden Autorinnen Rjosk und Henschel einen Beitrag mit folgenden Fazit ab2:

Insgesamt weisen die Ergebnisse in Übereinstimmung mit früheren Studien darauf hin, dass der Lernerfolg weniger damit zusammenhängt, wie Lehrkräfte das Lernen im Unterricht organisieren, also welche Lern- und Organisationsformen oder Methoden sie einsetzen. Wichtiger ist vielmehr, wie gut Schülerinnen und Schüler dazu angeregt werden, sich intensiv mit dem Unterrichtsthema auseinanderzusetzen und wie sehr sich die Jugendlichen konstruktiv unterstützt und ernst genommen fühlen. 

Zurück zur Bruchrechnung. Welche digital unterstützte Methoden bieten sich hier an?  Der erste Vorschlag setzt auf die Einführung eines neuen (OER)-Lehrbuchs, der zweite auf die Nutzung eines Web-Tools, auch zum Zwecke einer ersten Diagnostik:

    • Bruchrechnen – Bruchzahlen & Bruchteile greifen und begreifen, ein neuartiges Lehr- und Lernbuch zum Selbstlernen und zur Benutzung im Schulunterricht (TU München). Das Buch gibt es auch in einer E-Book-Variante, allerdings nur für die iOS-Welt. Ein User “smoothlobster” hat das Buch unter der Überschrift „Da steckt wirklich was dahinter“ wie folgt rezensiert: Das Buch macht nicht nur Spaß, man merkt auch, dass die Inhalte wirklich sinnvoll und didaktisch aufgearbeitet wurden. Nicht einfach nur stumpfes Üben mit bunten Bildchen, sondern Lernen mit System. Auf solche Schulbücher habe ich lange gewartet!

Update (07.06.2021): Evaluation

 

  • Unterstützung aus Digitalien kann möglicherweise die App Anton geben. Sie ist in der Primarstufe sehr beliebt und die Anbieter haben ihr Angebot nun auch auf Sekundarstufe 1 ausgeweitet, sowohl für das Fach Deutsch als auch für das Fach Mathematik. Vieles aus dem Lehrplan findet sich hier wieder, z. B. Bruchrechnung. Man wird sich anfangs dazu setzen müssen. Zum einen, um zu verstehen, wie die Schülerinnen und Schüler (SuS) das Kalkül (falsch) anwenden. Zum anderen, um die SuS im Umgang mit dem Tool zu begleiten. Die Tipps sind – so meine Vermutung – nicht immer für die SuS verständlich genug geraten.

Da wir uns gerade in der Mittelstufe (Sek. I) bewegen, hier noch weitere Beispiele:

  • Längenmaße greifbar machen. Wie gut schätzen Kinder Distanzen ein?  Ein Unterrichtsprojekt aus Österreich unter Nutzung von iPads (Maßband, Keynote) . Was gefällt mir daran?
    • Geeignet für einen fächerübergreifenden Ansatz (Mathematik, Sachunterricht)
    • Protokoll eines Stundenablaufs
    • Aufträge für stärkere SuS möglich (durch herausfordernde Fragestellungen, z.B. Messung größerer Distanzen)
    • Sehr praxisnah

Kosima ist ein langfristig angelegtes Forschungs- und Entwicklungsprojekt für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I. Im Projekt werden vielfältige Aspekte von mathematischen Lernprozessen in sinnstiftenden Kontexten untersucht. Dabei werden Schritte der Entwicklung- und Erforschung von Lernarrangements, der Fortbildung und Auswertung eng aneinander gekoppelt und die Arbeit aller entscheidenden Partner eng miteinander verzahnt. Hochschule, Schulbuchverlag (Cornelsen) und Lehrkräfte aus der Praxis befassen sich mit der Entwicklung und Untersuchung von Lernarrangements.

  • Das Wohnungsprojekt, ein Unterrichtsprojekt von Jan Vedder mit seinem Fazit:
    Die größte Stärke des Wohnungsprojekts besteht für mich darin, dass die Lernenden sich die Lernschritte möglichst eigenständig erschließen, das Erlernte anwenden & teilen sowie ihr eigenes Lernen planen und reflektieren. Der Prozess des Lernens und der Lernorganisation liegt bei den Schüler*innen selbst. Mit der verbundenen authentischen Lernsituation und einem ‘echtem’ Lerninteresse (Wieviel Farbe brauche ich denn nun?) werden mathematische Themen für die Lernenden relevant. Diese Ausgangslage ließe sich auch fächerübergreifend ausbauen. (…) So ließen sich in dieses Projekt einfach und unkompliziert Fachaspekte aus den Fächern Deutsch (Expose schreiben und layouten), Chemie (Farben herstellen), Wirtschaft und Politik (Wohnungsmarkt, Versicherungen, Mietpreise etc.), Erdkunde (urbane Lebensräume u.a.), Kunst (Modellbau, 3D-Druck der Wohnungen), Werken (Möbelbau) und vielerlei mehr integrieren und zu einem großen Ganzen mit reziproken Bezügen verschmelzen.

Bevor ich gleich auf die Oberstufe überleite, hier noch ein Angebot für die Primarstufe:

  • PIKAS (Prozessbezogene und Inhaltsbezogene Kompetenzen durch die Anregung fachbezogener Schulentwicklung) ist ein Angebot des Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik (Kooperationsprojekt der TU Dortmund und Uni Münster). Im Projekt PIKAS werden Materialien zur Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts in der Primarstufe erarbeitet. Es geht sowohl darum, Basiskompetenzen zu sichern, als auch darum, Problemlösefähigkeiten zu entwickeln. Mathematikunterricht soll die prozessbezogenen Kompetenzen und die inhaltsbezogenen Komptenzen der Lernenden entwickeln. Zehn Doppelhaushälften bieten Ihnen dort forschungsbasierte, praxiserprobte Materialien und Konzeptionen zur Umsetzung guten Mathematikunterrichts mit Videos, Handreichungen, Links und vielem mehr.

MU in der gymnasialen Oberstufe: Kompetenzmodell

Ich will nicht verheimlichen, dass die Entscheidung der Länder nach dem PISA-Schock Bildungsstandards einzuführen, kritisch gesehen wird (siehe “Brandbrief“). Gleichwohl gibt es eine in etwa gleichstarke Professorinnen- und Professorengruppe, die die Kritik zurückweisen. Gilbert Greefrath, Didaktikprofessor in Münster und Mitunterzeichner des Briefs3:

Es gibt ein Problem bei den Mathematikfähigkeiten, da sind wir uns einig. Die Frage ist aber, ob die Bildungsstandards Teil des Problems sind oder Teil der Lösung. Der Unterricht hat sich durch die Standards bereits positiv verändert. Die Kompetenzorientierung sorgt dafür, dass die Schüler gerade nicht – wie noch in den neunziger Jahren üblich – Fertigkeiten abspulen, ohne die Inhalte zu verstehen. Der Einfluss der Bildungsstandards hat aber auch Grenzen. So könnten etwa Prüfungsaufgaben im Abitur bestimmte in den Standards verlangte Kompetenzen nicht so gut abrufen, wie es im Unterricht möglich ist, etwa die in den Bildungsstandards verlangte Kompetenz „Mathematisches Kommunizieren.“

Was nun genau fordert die Kultusministerkonferenz (KMK) beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe (Sek. II)4:

Bildungstheoretische Grundlagen des Mathematikunterrichts sind der Allgemeinbildungsauftrag wie auch die Anwendungsorientierung des Unterrichtsfaches Mathematik. Demnach wird Mathematikunterricht durch drei Grunderfahrungen geprägt, die jeder Schülerin und jedem Schüler vermittelt werden müssen:

  • Mathematik als Werkzeug, um Erscheinungen der Welt aus Natur, Gesellschaft, Kultur, Beruf und Arbeit in einer spezifischen Weise wahrzunehmen und zu verstehen,
  • Mathematik als geistige Schöpfung und auch deduktiv geordnete Welt eigener Art,
  • Mathematik als Mittel zum Erwerb von auch über die Mathematik hinausgehenden, insbesondere heuristischen Fähigkeiten

Die Kompetenzbereiche haben folgende Struktur5:

Und weiter heißt es (u.a.):

Die allgemeinen mathematischen Kompetenzen werden von den Lernenden nur in der aktiven Auseinandersetzung mit Fachinhalten erworben. Dabei beschreiben die drei Anforderungsbereiche unterschiedliche kognitive Ansprüche von kompetenzbezogenen mathematischen Aktivitäten. Die allgemeinen mathematischen Kompetenzen manifestieren sich in jedem einzelnen mathematischen Inhalt, d. h. allgemeine mathematische Kompetenzen und Inhalte sind untrennbar miteinander verknüpft (in der Abbildung durch ein Raster angedeutet). Man wird erst dann vom hinreichenden Erwerb einer allgemeinen mathematischen Kompetenz sprechen, wenn diese an ganz unterschiedlichen Leitideen in allen drei Anforderungsbereichen erfolgreich eingesetzt werden kann.

Für den Erwerb der Kompetenzen ist im Unterricht auf eine Vernetzung der Inhalte der Mathematik untereinander ebenso zu achten wie auf eine Vernetzung mit anderen Fächern. Aufgaben mit Anwendungen aus der Lebenswelt haben die gleiche Wichtigkeit und Wertigkeit wie innermathematische Aufgaben.

Die Entwicklung mathematischer Kompetenzen wird durch den sinnvollen Einsatz digitaler Mathematikwerkzeuge unterstützt. Das Potenzial dieser Werkzeuge entfaltet sich im Mathematikunterricht

  • beim Entdecken mathematischer Zusammenhänge, insbesondere durch interaktive Erkundungen beim Modellieren und Problemlösen,
  • durch Verständnisförderung für mathematische Zusammenhänge, nicht zuletzt mittels vielfältiger Darstellungsmöglichkeiten,
  • mit der Reduktion schematischer Abläufe und der Verarbeitung größerer Datenmengen,
  • durch die Unterstützung individueller Präferenzen und Zugänge beim Bearbeiten von Aufgaben einschließlich der reflektierten Nutzung von Kontrollmöglichkeiten.

MU digital: Aus Sicht der Bildungsforschung ...

Im Fach Mathematik bestehen riesige Chancen, durch einen guten Medieneinsatz die grundlegenden Werkzeuge und Techniken für mathematische Anwendungen beherrschen zu lernen. (…) Mathematische Zusammenhänge lassen sich mit dem Computer visualisieren. Man findet sie heutzutage auch schon oft in visueller Form, und deshalb muss man lernen, damit umzugehen.6

Timo Leuders

Prorektor für Forschung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg

Ergebnisse einer Metaanalyse zeigen, dass Schülerinnen und Schüler im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht vom Einsatz digitaler Medien profitieren können. Insbesondere deuten sich folgende Implikationen für den MINT-Unterricht an:7

  • Digitale Medien haben im MINT-Unterricht einen größeren positiven Einfluss auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, wenn sie ergänzend zu traditionellen Unterrichtseinheiten eingesetzt werden als wenn sie diese ersetzen.
  • Der Einsatz digitaler Medien scheint erfolgreicher zu sein, wenn Schülerinnen und Schüler in Paaren und nicht alleine mit den Geräten arbeiten.
  • Wirken Lehrerinnen und Lehrer während der Arbeit mit digitalen Medien unterstützend, deutet sich ein größerer positiver Effekt an als wenn die Schülerinnen und Schüler ohne Hilfestellung arbeiten müssen.
  • Es deutet sich an, dass der sog. „Neuheitseffekt“ sich auch in der Leistung der Schülerinnen und Schüler bemerkbar macht: Kürzere Unterrichtssequenzen mit digitalen Medien haben einen größeren positiven Effekt als längere Sequenzen.
  • Es zeigt sich, dass Schülerinnen und Schüler von einer Ausbildung ihrer Lehrkräfte an den konkreten digitalen Geräten und der im Unterricht benutzten Software direkt profitieren können.
  • Der positive Einfluss digitaler Medien zeigt sich verstärkt, wenn die Schülerinnen und Schüler selbst an den Geräten und mit den Programmen arbeiten und diese nicht nur von den Lehrerinnen und Lehrern vorgeführt werden.

Hilfreich der kritische Blick von Markus Hohenwarter8:

Die Meinung, dass sich allein durch die Einführung neuer Technologien wie grafikfähiger Taschenrechner und Computer der Mathematikunterricht verbessern würde, ist aus heutiger Sicht sicherlich verfehlt. Die Hoffnung, dass neue Medien Lernerfolge schlagartig erhöhen können, hat es auch früher schon gegeben – sie war stets vergebens. So haben zahlreiche Medien-Vergleichsstudien der letzten Jahrzehnte gezeigt, dass Lernerfolge de facto unabhängig vom verwendeten Medium sind. Die Medien haben an sich nur eine untergeordnete Bedeutung. Primär wichtig sind die an ihnen ausgeführten Aktivitäten. Medien, die nicht „bearbeitet“, sondern nur betrachtet werden können, haben daher nur sehr beschränkten Wert.

Und, abschließendes Resumee von Rainer Känders9:

In jedem Einzelfall müssen wir als Lehrerinnen und Lehrer mit unserem gesamten Fachverstand schauen, was ein digitales Hilfsmittel zur Begriffsentwicklung beitragen kann. Werkzeuge haben keinen Wert an sich. Mathematikunterricht beschäftigt sich mit der Entwicklung begrifflicher Systeme: Erst lokal, dann global und dazu gehören Explorieren, Entdecken, Raten, Analogisieren, Begründen, Beweisen, Ordnen, Exemplarizität, klärende Beispiele, gute Probleme, usw. Ab und zu ist GeoGebra oder vergleichbare Software hilfreich dabei. Zudem macht es Spaß und ist daher … eine der schönsten Nebensachen der Welt!

MU digital: ... Beispiele ...

Für den Mathematikunterricht der GOS gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen.

Weitere Unterrichtsbeispiele enthält der Band Norbert Noster, Hans-Georg Weigand (Hrsg.): Mathematische Erkundungen – Praxiserprobte Unterrichtseinheiten mit digitalen Werkzeugen – 

Aus dem Vorwort: In vielen Beiträgen dieses Buches werden Unterrichtssequenzen zur Einführung eines neuen Begriffs beschrieben, wie zum Beispiel der Signifikanztests (S. 39) oder die irrationalen Zahlen (S. 23). Allerdings verbirgt sich hinter mathematischen Erkundungen unserer Ansicht nach weit mehr. So erhält das Erkunden spezieller Eigenschaften eines Begriffs eine eigene Kategorie. Dazu gehört neben der Untersuchung der Auswirkungen von Parametern auf die Binomialverteilung (S. 70) auch die Bestimmung der Kreiszahl π (S. 85). Weiterhin ist das Erkunden der Beziehungen eines Begriffs zu einem anderen Begriff wichtig, wenn es etwa darum geht, Funktionsterme mit Schaubildern in Beziehung zu setzen (S. 97) oder das exponentielle Wachstum in Abgrenzung zum linearen Wachstum zu betrachten (S. 139). Eine weitere bedeutende Kategorie stellt das Erkunden der Beziehung von Begriffen zur Umwelt dar. So kann die Frage nach der Dauer des Ladevorgangs des Akkus eines mobilen Telefons untersucht werden (S. 151), oder es kann erkundet werden, was elliptische Kurven sind und wie mittels dieser Nachrichten verschlüsselt werden können (S. 161). 

Und, nicht ganz unwichtig für uns Mathe-Lehrkräfte: Die Autoren haben Lösungsideen skizziert. Die CAS Befehle stammen aus der Casio-Systemwelt. Das ist opportun, wie ich finde, schließlich finanziert die Firma das Projekt MaLeNe (Mathematik-Lehr-Netzwerk). Im Übrigen ähneln viele Befehle denen der Geogebra- und TI-Systeme.

    Noch nicht ausgearbeitet, eher Ideenskizzen für einen sehr anspruchsvollen fächerübergreifenden Deeper Learning Ansatz.

    • BahnMining – Pünktlichkeit ist eine Zier, Vortrag von David Kriesel auf der 36. Chaos Communication Congress
      • Geeignet für ein fächerübergreifenden Projektunterricht in der Sekundarstufe II unter Beteiligung Mathematik (Statistik), Informatik und PoWi
      • Deeper Learning sagt: Von Verständnisfragen zum (sensationellen) Vortrag über ein Brainstorming (Verständigung über kleinere Data-Mining-Projekte) hin zur Implementation. Hierzu gibt es eine Anleitung des Autors (Vortragsfolien ab S. 28). Ich empfehle die abschließende Reflexion aufzuteilen: Lernprozess durch die Lehrkraft und Inhalt durch ein Peer- Assessment der SuS untereinander (ich habe damit im Informatikunterricht der Sek. II sehr gute Erfahrungen gemacht)
      • Was mir darüber hinaus gefällt:
        • Sehr praxisnah, weil sich der Vortrag auf reale Daten stützt.
        • Netiquette ist wichtiger Bestandteil des Vortrags: David ruft zurecht immer wieder zur Fairness auf. Wirklich erfreulich angesichts des Getöses in den sozialen Netzwerken…

    MU digital: ... Blick ins Ausland

    Ich hatte in einem meiner früheren Magazinbeiträge den Aufbau regionaler Netzwerke angeregt. Sie können hier helfen, die Überlegungen mit Lehrkräften anderer Schulen zu diskutieren. In Ottawa (Kanada) habe ich einmal ein solches Netzwerk kennengelernt. In ihm sind neben den Schulen Firmen und die kommunale Selbstverwaltung vertreten. 

    In vielen nordamerikanischen Schulen ist die Nutzung von Grafikinformationssystemen (GIS) curricular verankert. Mit dem GIS ist es möglich, die Region bzw. den Ort wie auf einer Landkarte zu suchen und durch entsprechende Markierung solange zu vergrößern, bis man abschließend auf die textuell hinterlegten Informationen stößt. In Ottawa gab es eine Reihe von GIS- Software herstellenden Firmen. Sie suchten seinerzeit immer wieder konkrete Anwendungs- und Testszenarien. In Absprache mit der Kommune wurden seitens der Firma Aufgaben gestellt, die die Schülergruppen umsetzen sollten. Die SuS entwickelten Apps zu:

    • Sightseeing in OttawaWas bietet Ottawa? Wie organisiere ich mir eine Museen-Tour? Wie sieht ein günstiger (Fuß-) Weg aus? Wann sind die Öffnungszeiten?
    • Verkehrsdichte im Ballungsbereich: Wann kommt es zu besonders gefährlichen Situationen wie Staus? Wie sieht zu unterschiedlichen Tageszeiten der günstigste Weg aus?
      Hier wurden von einer Schülergruppe eine Umfrage in ausgewählten Bezirken durchgeführt und Zahlen ermittelt, die entsprechende Rückschlüsse zulassen. Die für das Projekt verantwortlichen SuS erkannten dabei die hohen Gefährdungspotenziale für die befragten Einwohner und machten bei ihrer Befragung nicht nur auf den Datenschutz aufmerksam, sondern nahmen ihn auch so ernst, dass sie bereits bei der Umsetzung sehr verantwortungsvoll geeignete Sicherheitsmaßnahmen vorsahen. So musste z. B. verhindert werden, dass Unbefugte dieses System benutzten, um für jeden befragten Haushalt ermitteln zu lassen, wann das Haus verlassen wird und somit »frei« steht.

    Ich habe einmal mit meiner Homepage-AG (Sek. I/II) etwas Vergleichbares umgesetzt (Virtueller Rundgang in unserer Schule und Umgebung). Warum sollte das nicht auch im projektorientierten Mathematikunterricht möglich sein? 

    Außerhalb der Schulmauern und international aufgestellt: Das ist das Prinzip von MathCityMap

    MathCityMap verknüpft die „alte Idee“ der mathematischen Wanderpfade, also die Auseinandersetzung mit Mathematik an interessanten, realen Orten mit technischen Möglichkeiten wie GPS-Lokalisierung und mobilem Internetzugang. MathCityMap besteht aus einer Aufgabendatenbank, bei der jede Aufgabe mit GPS-Koordinaten versehen ist. Weiter ist MathCityMap eine webbasierte interaktive App, welche in der Lage ist, mit dem Benutzer in einfacher Form zu kommunizieren um z. B. Lösungshilfen zu geben oder die Lösung der Aufgabe zu kontrollieren. Ebenso ist es möglich, dass sich jeder (Lernende, Lehrer oder Privatpersonen) an der Aufgabenentwicklung beteiligen kann und so eine MathCityMap Community  entsteht10.

     

     

    Schlussbemerkung

    Es macht viel Sinn, die Ausflüge in die digitale Welt mit einem Medienkonzept zu begleiten, denn sonst läuft man Gefahr, dass lehrkraftabhängig die eine Lerngruppe die oben vorgestellten Unterrichtsbeispiele kennenlernt, und die andere eben nicht. Bärbel Barzel hat sich dazu im Rahmen eines Vortrags einige Gedanken gemacht. Auch hier gilt: Es werden Ideen vorgestellt, die fachschaftsindividuell diskutiert gehören. Der Verdienst der Kollegin liegt ganz sicher darin, dass wir nicht bei null anfangen müssen …

     

    Bildnachweis: Oberholster Venita by pixabay