Statistik in der Schule: Ideen und Anregungen

Es ist schade, dass die Leitidee Daten und Zufall nicht nur in den Schulbüchern eher am Rande, eben am Ende, erwähnt wird. Im Schulunterricht findet dies in der Regel seine Entsprechung in einer Behandlung am Ende eines Schuljahres. Mit diesem Beitrag möchte ich – auch wegen einiger aktueller Bezüge – für dieses Thema werben  und setze damit die vor vier Wochen aktualisierte Reihe Transformation analog digital: Mathematikunterricht fort.

Warum nun der Leitidee Daten und Zufall mehr Raum geben? Die KMK-Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss aus dem Jahr 2003 (KMK, 2003) geben eine erste Antwort. Dort heißt es: „Die Schülerinnen und Schüler

  • werten graphische Darstellungen und Tabellen von statistischen Erhebungen aus,
  • planen statistische Erhebungen,
  • sammeln systematisch Daten, erfassen sie in Tabellen und stellen sie graphisch dar, auch unter Verwendung geeigneter Hilfsmittel (wie Software),
  • interpretieren Daten unter Verwendung von Kenngrößen,
  • reflektieren und bewerten Argumente, die auf einer Datenanalyse basieren,
  • beschreiben Zufallserscheinungen in alltäglichen Situationen,
  • bestimmen Wahrscheinlichkeiten bei Zufallsexperimenten.

Diese Leitidee umfasst zwei Säulen, die beschreibende Statistik und die Wahrscheinlichkeitsrechnung zur Modellierung von zufallsabhängigen Vorgängen und Risiken. Wahrscheinlichkeiten können als Prognosen von relativen Häufigkeiten bei zufallsabhängigen Vorgängen gedeutet werden, wodurch die beiden Säulen verknüpft werden. Die darauf bezogenen mathematischen Sachgebiete der Sekundarstufe I sind die Stochastik und Funktionen. Es werden Begriffe und Methoden zur Erhebung, Aufbereitung und Interpretation von statistischen Daten vernetzt mit solchen zur Beschreibung und Modellierung zufallsabhängiger Situationen. Die stochastische Simulation spielt bei der Verknüpfung eine wichtige Rolle. Der Umgang mit Daten und Zufallserscheinungen im Alltag und Zufallsexperimenten geschieht auch unter Verwendung einschlägiger digitaler Mathematikwerkzeuge, hier vor allem Tabellenkalkulation und Stochastiktools.“

Die Schülerinnen und Schüler lernen, Phänomene aus ihrer Lebenswelt zu hinterfragen und mit den elementaren mathematischen Mitteln der Sekundarstufe I zu beantworten. Damit verbunden ist die Vermittlung von Grundlagen der Datenanalyse (Verständnis von Statistik, z.B. Datenanalyse in verschiedenen Lebensbereichen (Wirtschaft, Wissenschaft, Alltag)) und die Entwicklung kritischen Denkens. Darüber hinaus verbessern statistische Kenntnisse die Berufsaussichten und sind in vielen Berufen gefragt.

Ein weiterer Aspekt ist der interdisziplinäre Ansatz: Statistik wird auch außerhalb der Mathematik in anderen Fächern angewendet, z.B. in der Geographie (Analyse von Klimadaten), in den Sozialwissenschaften (Umfragen) oder in den Naturwissenschaften (Auswertung von Experimenten).

Curricular werden bei der Einführung in die Statistik einige grundlegende statistische Konzepte wie Mittelwert, Median, Modus, Spannweite, Varianz und Standardabweichung eingeführt. Immer in Verbindung mit Erfahrungen aus dem täglichen Leben. Kritische Analyse ermöglicht den Umgang mit statistischen Fehlschlüssen und wie diese vermieden werden können. Software-Tools wie Excel, R, Python etc. unterstützen diese Arbeit. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Datenerhebung und -analyse, der Interpretation der Daten und schließlich der Ethik in der Statistik (Datenschutz und Datenrichtigkeit).

Meine „Highlights“

Nachfolgend eine Auswahl von Themen, die bei meinen Schülerinnen und Schüler auf großes Interesse stießen. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, ins Detail zu gehen. Die Links sollen eine erste Annäherung an das Thema ermöglichen.

Sek. I:

 

Sek. II

Da die spezifischen in den GOS eingeführten Schulbücher bereits aussagekräftig genug in Bezug auf Inhalt und Anwendung sind, möchte ich an dieser Stelle zwei Schwerpunkte in Form einer Vertiefung näher vorstellen:

  • Hypothesentests

Ich habe dieses Thema als Projektunterricht entwickelt und es den Schülerinnen und Schüler freigestellt, welches Thema sie vertiefen wollten. Zwei Themen sind mir besonders in Erinnerung geblieben

    • Mammographie

Hier interessierte sich eine Schülerin besonders für den Umgang mit schwach positiven Befunden. Sie suchte und fand in der Lerngruppe weitere Interessierte. Neben der theoretischen Auseinandersetzung im Vorfeld wurden Universitätskliniken und Gesundheitsämter in der näheren Umgebung aufgesucht, um weitere Informationen zu erhalten bzw. durch weitere Gespräche eine Klärung herbeizuführen. Ich habe einmal ganz aktuell recherchiert, auf welche Quellen sie vermutlich heute gestoßen wären:

    • Wahlvorhersagen

Ein Vater erfuhr durch seinen Sohn, dass wir uns mit Hypothesentests beschäftigen. Er fragte ihn, ob er für ihn Marktforscher spielen könne: Er wollte wissen, ob sich bei den bevorstehenden Kommunalwahlen der Anteil seiner Partei verändert habe. Gesagt, getan: Auch er fand Mitstreiter in der Lerngruppe und organisierte mit der Klasse und Sportverein eine Umfrage auf dem Wochenendmarkt. Die Diskussion über die Auswertung (hier die Aspekte Validität (repräsentatives Abbild), Konfidenzniveau, Fehlerspanne) war für mich das Spannendste, was ich je im Unterricht erlebt habe. Auch weil ich einen Meinungsforscher eingeladen hatte, der aus der Praxis zu berichtete.

  • Wahrscheinlichkeitsrechnung

Die klassischen Unterrichtsaufgaben rund um Roulette, Black Jack und Poker habe ich einmal mit einem Besuch im örtlichen Casino verbunden. Ich wollte meiner Lerngruppe praktisch „beweisen“, dass die Spielbank immer gewinnt. Und so war es dann auch. Nach einer Einführung erhielt jeder vom Casinobetreiber zwanzig 2-Euro-Chips, die recht schnell wieder im Casino landeten. Beeindruckend war sicherlich die Atmosphäre im Casino, die durchaus verführerisch wirkte: Die Schülerinnen und Schüler, auch ich, setzten ihr eigenes Geld ein, das natürlich auch verloren ging. Im Nachgespräch zeigten sich viele sehr nachdenklich…

Fun-Fact: Ich traf einen meiner Schüler am Pokertisch an. Hinter ihm stand ein Mann. Es stellte sich heraus, dass mein Schüler ein semiprofessioneller Spieler war, der von seiner Begleitperson „unterstützt“ wurde: Mit dem zur Verfügung gestellten Geld konnte er sein Pokerspiel finanzieren. Verluste gingen zu Lasten des Sponsors, von Gewinnen erhielt er einen (mir unbekannten) Anteil. Immerhin war er so groß, dass er mir später im Unterricht sagte: „Das Auto da drüben, neben Ihrem wurde von diesem Geld finanziert…”.

Materialien

Und hier nun ergänzende und interessante Materialien, die ich in den letzten Wochen recherchiert habe. Vieles muss natürlich didaktisch aufbereitet, an die Lerngruppe angepasst, auf curriculare Vorgaben reduziert werden.

Ein neuartiges Aufgaben-Design im Mathematikunterricht soll Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, Informationen zu überprüfen und Fehlinformationen zu identifizieren. Entwickelt wurden die Aufgaben an der Uni Würzburg.

Ist ein Großteil der ÖRR “linksgrün-versifft”? Sind die meisten Deutschen gegen das Gendern? Und: Nehmen Hai-Angriffe dramatisch zu? In dieser Folge zeigt Mirko Drotschmann, mit welchen 5 Hacks du falsche Zahlen und Statistiken in den Medien durchschauen kannst. Umfragen, Zahlen-News, Statistiken sind sehr beliebt in den Medien und werden oft aufgegriffen und zitiert. Sie sollen Thesen stützen, gelten als eine Art Beweis. Viel zu oft werden Zahlen aber falsch interpretiert oder verzerrt dargestellt. Eine zugespitzte Schlagzeile scheint manchmal wichtiger zu sein als der korrekte Sachverhalt. Woran du erkennen kannst, dass etwas nicht stimmt, erfährst du in diesem Video.

Wie schafft man es aus einer diffusen Datenwolke von Geld- und Glückswerten einen deutlich sichtbaren linearen Zusammenhang zu zaubern? Mach es wie Nobelpreisträger Daniel Kahneman! Folgende statistische Tricks werden im Video aufgedeckt: – Durchschnitte (Median) ohne Angabe der Streuung – Z-Scores – Logarithmische Transformation

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen hat die EU Wahl vom 9.6.2024 noch nicht stattgefunden. Im Abgleich dazu ergibt sich möglicherweise eine weitere Perspektive einer Beurteilung.

An Weihnachten wird viel gestritten, und dieses Jahr wird es dabei oft ums Klima gehen. Viele Fehlinformationen sind zu diesem Thema im Umlauf – hier sind kompakte Antworten auf die gängigsten Mythen.

Dieses Beispiel dient eher einer Ideenskizze für einen sehr anspruchsvollen fächerübergreifenden Deeper Learning Ansatz.

    • Geeignet für ein fächerübergreifenden Projektunterricht in der Sekundarstufe II unter Beteiligung Mathematik (Statistik), Informatik und PoWi
    • Deeper Learning sagt: Von Verständnisfragen zum (sensationellen) Vortrag über ein Brainstorming (Verständigung über kleinere Data-Mining-Projekte) hin zur Implementation. Hierzu gibt es eine Anleitung des Autors (Vortragsfolien ab S. 28). Ich empfehle die abschließende Reflexion aufzuteilen: Lernprozess durch die Lehrkraft und Inhalt durch ein Peer- Assessment der SuS untereinander (ich habe damit im Informatikunterricht der Sek. II sehr gute Erfahrungen gemacht)
    • Was mir darüber hinaus gefällt:
      • Sehr praxisnah, weil sich der Vortrag auf reale Daten stützt.
      • Netiquette ist wichtiger Bestandteil des Vortrags: David ruft zurecht immer wieder zur Fairness auf. Wirklich erfreulich angesichts des Getöses in den sozialen Netzwerken…
  • Ein klassisches Beispiel für Selektionsbias ist die “Berkson’s Bias” oder “Berkson’s Paradoxon”.

Diese Art von Bias tritt in medizinischen Studien auf, wenn Patienten für die Studie aus Krankenhäusern ausgewählt werden. Die Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, sind in der Regel schwerer krank als diejenigen, die ambulant behandelt werden. Daher könnte eine Studie, die nur Krankenhauspatienten einschließt, zu dem Schluss kommen, dass eine Krankheit schwerwiegender ist als sie tatsächlich ist, wenn man die gesamte Bevölkerung betrachtet.

Ein spezifisches Beispiel für Berkson’s Bias wäre eine hypothetische Studie, die den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs untersucht. Wenn die Studie nur Patienten einschließt, die bereits wegen Atemproblemen im Krankenhaus sind, könnte sie zu dem Schluss kommen, dass Rauchen und Lungenkrebs stärker korreliert sind als sie tatsächlich sind. Dies liegt daran, dass Raucher eher Atemprobleme haben und daher eher ins Krankenhaus eingeliefert werden, was zu einem überproportional hohen Anteil von Rauchern in der Stichprobe führt.

 

Beispiele zu statistischen Fehlschlüssen

Was gefällt mir daran?

    • Fächerverbindenden Ansatz, hier Mathematik, Informatik und PoWi
    • Visualisierte Umsetzung der Bayes-Formel
    • Aufträge für stärkere SuS möglich (durch Quellenstudium)
    • Sehr praxisnah, weil der Artikel eine aktuelle Diskussion abbildet

 

Was gefällt mir daran?

    • Fächerverbindender Ansatz, hier Mathematik, Informatik und PoWi
    • Praxisnaher Ansatz: “Eine Behörde überwacht mithilfe einer Software die unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation deutscher Internetnutzer*innen…”
    • Lösungen im Twitterformat (aus 2017(!)) mit der damit zu verbindenden Kompetenzvermittlung
    • Aufträge für stärkere Schülerinnen und Schüler möglich (z. B. durch Quellenstudium)

Literatur

Basisliteratur

  • Arthur Engel: Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, Bd. 1 und 2

Die beiden Bände haben mir geholfen, mich mit dem Thema vor allem theoretisch vertraut zu machen. Erinnerungen an das Mathematikstudium werden sicher bei dem einen oder anderen wach werden. Nur noch im Antiquariat erhältlich.

Der vorliegende Band der Reihe Lehren lernen unterstützt Sie, indem er grundlegende Konzepte der quantitativen Wissenschaftsmethoden im Zusammenhang mit Schule und Erziehung verdeutlicht. Dafür vermitteln die Autoren äußerst verständlich in Form eines Lehrbuchs die Grundlagen der Statistik und beziehen diese auf die Praxis des Lehrberufs. Hier lernen Sie das Konzept der statistischen Signifikanz kennen und verstehen.

Wesentliche Inhalte des Buches sind

    • die Formulierung von Hypothesen
    • die Einführung in die wichtigsten Verfahren wissenschaftlicher Datenerhebung
    • die Einführung in das statistische Testen von Annahmen
    • das Interpretieren von wissenschaftlichen Ergebnissen.

Im Downloadmaterial finden Sie vielfältiges Übungs- und Lernmaterial. So ist Statistik für alle zugänglich und verständlich. 

Die Leitidee „Daten und Zufall“ stellt einen der fünf Inhaltsbereiche dar, die für den Mathematikunterricht in der Sekundarstufe I maßgeblich und aufgrund der Bildungsstandards bundesweit verbindlich sind. Wie aber kann man diese Leitidee mit Leben füllen? Wie kann man Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung zu der einen Leitidee Daten und Zufall für die Schule verknüpfen? Das Buch “Leitidee Daten und Zufall” für die Sekundarstufe I gibt hierauf unterrichtspraktische und didaktisch-methodische Antworten. Es geht von konkreten unterrichtsrelevanten Problemstellungen aus und entfaltet an diesen die aktuellen Fragen der Stochastikdidaktik. Über tragfähige Beispiele werden inhalts- und prozessbezogene Standards zur Stochastik vernetzt, um lebensnahe statistische Phänomene im Unterricht erfahrbar werden zu lassen.

Ergänzende Literatur

Hat mich seinerzeit bei der Einführung von Binomialverteilung, Testen und Schätzen unterstützt. Vor allem das Kapitel 5 konnte ich für Ideen für einen projektorientierten Ansatz (s.o. „meine Highlights“) nutzen. In einschlägigen Online-Antiquariats erhältlich.

Statistik und Mathematik prägen unser Leben so stark wie noch nie. Trotzdem gilt die Welt der Zahlen und Strukturen oft als abstrakt und kompliziert. Dieses Buch tritt den Gegenbeweis an: Die Autoren zeigen auf unterhaltsame Art, wie man – ganz ohne Formeln und besondere Vorbildung – erstaunliche statistische und mathematische Erkenntnisse gewinnen kann. Grundlage dafür bilden 150 auf SPIEGEL ONLINE und im „Schleswig-Holstein Journal“ publizierte Kolumnen, die für das Buch teilweise kommentiert und ergänzt wurden. Die Zusammenstellung lädt dazu ein, zwischen den einzelnen Kapiteln und Abschnitten hin- und her zu springen, darin zu schmökern und fast beiläufig den eigenen „gesunden Menschenverstand“ zu schulen. Das Buch führt somit das erfolgreiche Konzept des bereits veröffentlichten Werks „Achtung: Statistik“ mit neuen Inhalten und erweitertem inhaltlichem Fokus fort.

Wer die Autoren kennenlernen möchte, hier ein von der Zeitschrift Journalist freundlicherweise zur Verfügung gestellter Beitrag der beiden Wissenschaftler:

In Münster sind besonders viele Radfahrer betrunken, Schwangere verursachen mehr Unfälle als Nicht-Schwangere und wer >Shades of Grey< liest, der…

Studien, Zahlen und Statistiken liefern Schlagzeilen, nicht immer zu Recht. Dabei lassen sich unsaubere Statistiken ganz kleicht entzaubern. 

Stochastik erkunden von Wolfgang Riemer und Reimund Vehling ist Mitte Dezember 2021 im Friedrich Verlag erschienen. Das Buch, das aufgrund des Einbands und Formats eher wie ein Heft wirkt, hat es in sich. Nachdem ich es gelesen hatte, brauchte ich erstmal zwei Tage Pause, um die Fülle an Informationen einigermaßen in meinem Kopf zu ordnen.

 

 

Schlussbemerkung

Die Welt der Statistik bietet weit mehr als nur Zahlen und Formeln. Sie öffnet Türen zu einem tieferen Verständnis unserer Umwelt und schärft unseren Blick für die verborgenen Muster des Lebens. Die Beispiele aus dem Unterricht – vom faszinierenden Drei-Türen-Problem über die kreative Bestimmung der Zahl π mit der Monte-Carlo-Methode bis hin zu spannenden Umfragen und Hypothesentests – zeigen, dass Statistik lebendig, spannend und absolut greifbar sein kann.

Statistik lehrt uns, kritisch zu denken, fundierte Entscheidungen zu treffen und die Flut an Informationen, die uns täglich begegnet, souverän zu navigieren. Mit den richtigen Werkzeugen ausgestattet, können Schülerinnen und Schüler als informierte Bürger, als zukünftige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und als zukünftige Fachkräfte ihr Umfeld besser verstehen und aktiv gestalten.

Liebe Blogleserinnen und -leser, liebe Lehrkräfte: Fördert die Neugier und den Forscherdrang unserer Schülerinnen und Schüler, indem wir ihnen die faszinierende Welt der Statistik näherbringen.

… stay tuned …

 

Bildnachweis: Gerd Altmann @pixabay

 

Finanzbildung an Schulen

In einer Welt, die von komplexen finanziellen Entscheidungen geprägt ist, ist eine solide Finanzbildung für junge Menschen von entscheidender Bedeutung. Inspiriert durch den Podcast >>Geld auf dem Lehrplan – Finanzbildung in der Schule<< untersuche ich, warum die Integration von Finanzbildung in den Schulunterricht so wichtig ist und wie Lehrkräfte und Ministerien dazu beitragen können, Schülerinnen und Schüler auf eine finanziell kompetente Zukunft vorzubereiten.

Finanzbildung ist in der heutigen komplexen Wirtschaftswelt von entscheidender Bedeutung, da sie den Schülerinnen und Schülern die grundlegenden Fähigkeiten vermittelt, die sie benötigen, um finanziell kompetent und unabhängig zu sein. In der Sendung werden einige Gründe genannt, warum Finanzbildung in der Schule wichtig ist:

👉 Alltagsrelevanz: Finanzielle Entscheidungen beeinflussen jeden Aspekt unseres Lebens, von der Budgetierung des täglichen Bedarfs bis hin zur Planung größerer Investitionen wie Bildung und Immobilien.

👉 Prävention von Verschuldung: Eine solide Finanzbildung kann dazu beitragen, dass junge Erwachsene zu verantwortungsbewussten Verbrauchern werden und unnötige Verschuldung vermeiden.

👉 Vorbereitung auf die Zukunft: Schülerinnen und Schüler sollten lernen, für ihre Zukunft zu sparen, zu investieren und sich finanzielle Ziele zu setzen.

👉 Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit: Durch finanzielle Bildung können junge Menschen besser auf wirtschaftliche Herausforderungen und Unsicherheiten reagieren. (Stichwort: VUCA)

👉 Förderung der wirtschaftlichen Gerechtigkeit: Finanzielle Allgemeinbildung trägt dazu bei, die Kluft zwischen finanziell gut und weniger gut gestellten Menschen zu verringern.

 

Zusammenfassung der Podcastinhalte

Der Beitrag von Andrea Lueg geht der Frage nach, welche Themen wie Budgetieren, Sparen, Investieren, Krediten und Schuldenmanagement in einem Curriculum zur finanziellen Allgemeinbildung behandelt werden sollten und mit welchen Unterrichtsmethoden sie umgesetzt werden können. Dabei kann es sich nur um Ideen handeln, nichts davon ist bisher in den Bundesländern curricular verankert. Einige der von ihr vorgestellten Protagonisten stelle ich nun vor und ergänze sie um weitere mögliche Ideen:

Schülerinnen und Schüler fühlen sich nicht ausreichend auf den Start ins Erwachsenenleben vorbereitet und bemängeln fehlendes Finanz- und Alltagswissen, bspw. im Bereich Steuern. Fehlende ökonomische Bildung führt dabei zu realen Herausforderungen. Wer keine Ahnung von „Miete“ hat, findet viel schwerer eine bezahlbare Wohnung; wer keine Ahnung von „Finanzen“ hat, hat ein größeres Risiko vor Überschuldung und Altersarmut.
Besonders gravierend ist, dass dieses Wissen maßgeblich von der sozialen Herkunft abhängt. Wir sind deshalb der Überzeugung, dass jeder Jugendliche mit seinem Schulabschluss auch Grundlagenwissen in den vier Themenbereichen des Zukunftstages – Finanzen, Steuern, Miete und Krankenkassen – erhalten haben soll.

Aus diesem Grund ist es unser Ziel, dass jeder Schüler und jede Schülerin in Deutschland und Österreich, egal auf welche Schule er oder sie geht, einmal während der Schulzeit den Zukunftstag erlebt. Dieses Ziel verfolgen wir gemeinsam mit starken Partnern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die uns und unsere Vision unterstützen. Denn wir glauben, dass wir das Problem von fehlender ökonomischer Bildung nur gemeinsam lösen können.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts in Kooperation mit Prof. Dr. Matthias Sutter, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gemeinschaftsgüter in Bonn, konnten wir nun wesentliche Voraussetzungen gelingender finanzieller Bildungsprozesse identifizieren. Das zugehörige Working Paper haben wir hier sowie hier eingestellt und Anfang Mai nach 7jähriger gemeinsamer Arbeit mit insgesamt 30 Lerngruppen an 11 Schulen als Revision an das JPE (Journal of Political Economy) übersendet.

In unseren Themendossiers stellen wir Unterrichtsideen und -materialien, Veranstaltungen und Verbrauchertipps zu aktuellen Aspekten der finanziellen Bildung zusammen. So haben Sie alle Informationen und Materialien, um erfolgreich Finanzbildung im Unterricht umzusetzen.

Nutzen Sie unser Selbstlernangebot für die Zielgruppe Sek I und II aus dem Programm „Durchblick“. In diesem Snack erfährt man, wie man einen Überblick über seine Ein – und Ausgaben bekommt.

Ergänzungen

Darüberhinaus lohnen sich Besuche und Einblicke in die folgenden Links:

    Finanzielle Bildung ist eine Lebenskompetenz, die in der modernen Welt immer unerlässlicher wird. OhMoney, eine Initiative der finlit foundation, nimmt sich dieser Herausforderung an, indem sie Schüler*innen der Klassenstufen 7 bis 10 hochwertige, cross-mediale und sowohl kosten- als auch werbefreie Bildungsmaterialien zur Finanzbildung bereitstellt.

    Finanzielle Bildung zahlt sich aus: Egal ob Konto einrichten, Verträge abschließen oder für das Alter vorsorgen, finanzielle Bildung spielt in jeder Lebensphase eine Rolle. Sie bedeutet Chancen für mehr Teilhabe, Wachstum und Wohlstand – und die wollen wir nicht länger ungenutzt lassen. Entdecken Sie auf der Finanzbildungsplattform der Bundesregierung Angebote, die zu Ihnen passen.

    Hilfe im Finanzdschungel und das nötige Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt das Projekt „Finanztest in der Schule“. Zentraler Bestandteil ist die Zeitschrift Finanztest, mit der Klassen und Kurse ab Jahrgangsstufe 10 im Unterricht arbeiten können.

    Wir unterstützen Sie dabei, lebensnahes Finanz- und Verbraucherwissen in den Unterricht zu integrieren: mit kostenlosem Unterrichtsmaterial vom einzelnen Arbeitsblatt bis zum fertigen Stundenentwurf.

    Die komplett ausgearbeiteten Unterrichtsideen liefern die Arbeitsgrundlage für eine 90-minütige Unterrichtseinheit zu Schlüsselthemen der Finanzbildung. Sie enthalten alle Informationen, Materialien und Arbeitsblätter sowie Begriffserklärungen, die für die Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts und für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema erforderlich sind.

    Aktuelle Themen

    • Matthias Ehrhardt, Michael Günther und Wil Schilders: Erfolgsformeln

    Ich habe diese Veröffentlichung (eher mit Fokus auf den Sek. II Bereich) hier vorgestellt. Die Finanzmathematik wird in einem gleichnamigen Kapitel behandelt mit den Beiträgen:

      • Mit Mathematik die Finanzmärkte zähmen
      • Modellierung Negativer Zinsen – Nur Bares ist Wahres?
      • Beipackzettel für Finanzinstrumente: PRIIPs!

    Zwei Begriffe sorgen in der allgemeinen Bevölkerung und bei Finanzexperten für großes Unbehagen, wenn es um den Wert unseres Geldes geht: Inflation und Deflation. Aber was ist darunter zu verstehen? Und warum wird die Entwicklung der Preise stets genau im Auge behalten? (…) Doch wie entstehen Inflationen? Welche Auswirkungen machen sie so bedrohlich? Und warum sind stabile Preise für uns so wichtig? Mit diesen und weiteren Fragestellungen beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler in der vorliegenden Unterrichtseinheit.

    Julian Kleij (30) ist Lehrer und unterrichtet an einem Hamburger Gymnasium die Fächer Chemie und Physik. Was er über Finanzen weiß, hat er sich nach dem Abitur in Oldenburg selbst angeeignet.

    „Finanzbildung 1×1″ richtet sich an alle, die einen leicht zugänglichen Einstieg in das Thema finanzielle Bildung und Finanzen suchen. Die Autoren von Finanzbildung1x1 haben das Arbeitsheft selbst in Ihrer Börsen-AG mit SchülerInnen erprobt, evaluiert und angepasst. Es dient als Ergänzung und Sicherung der Inhalte des Buchs und kann sowohl in der Schule als auch privat genutzt werden.

    Das Finanz-ABC digital verspricht online Spielspaß und das in der Community. Über ein Videokonferenzsystem und im Browser, am PC, Laptop, Tablet oder Smartphone treten die Spieler:innen gegeneinander an und lernen eine Menge über die Finanzwelt. Sie betreuen junge Menschen in der Schule oder in einer Einrichtung und möchten Basiswissen zum Thema Finanzen spielerisch vermitteln, dann können Sie neben dem klassischen Brettspiel das Finanz-ABC nun auch online spielen.

     

    Schlussbemerkung

    In einer Welt, in der finanzielle Entscheidungen unseren Alltag prägen, ist eine fundierte Finanzbildung für junge Menschen unerlässlich. Der Podcast >>Geld auf dem Lehrplan – Finanzbildung in der Schule<< unterstreicht die Dringlichkeit dieses Themas. Finanzbildung hat nicht nur Alltagsrelevanz, sondern trägt auch dazu bei, Verschuldung zu vermeiden, die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu stärken und wirtschaftliche Gerechtigkeit zu fördern.

    Finanzbildung, das ist nicht nur meine Forderung, muss einen festen Platz in den Lehrplänen haben. Lehrkräfte und Ministerien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die vorgestellten Initiativen wie der Zukunftstag, das Forschungsprojekt des Max-Planck-Instituts und die Förderung der Verbraucherberatung bieten konkrete Ansätze, um Finanzbildung in den Unterricht zu integrieren. Es liegt an uns allen, gemeinsam dafür zu sorgen, dass jeder Schüler und jede Schülerin das nötige Grundwissen für eine finanziell kompetente Zukunft erhält.

    Und an die Bildungsministerien: Die Integration von Finanzbildung in die Lehrpläne ist ein entscheidender Schritt hin zu einer gerechteren und wirtschaftlich stabileren Gesellschaft. Jetzt ist die Zeit zu handeln.

    Update

    • Finanzfluss: Keine Ahnung von Aktien, Anleihen oder diversifizierten Investitionen? Kein Problem!
      Seit 2015 ermutigt Finanzfluss Menschen, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Angefangen als YouTube-Kanal, hat sich Finanzfluss zur größten Community für finanzielle Selbstentscheider im deutschsprachigen Raum entwickelt. Mit Videos, Ratgebern, Vergleichen, Rechnern und Plattformen zum Austausch bietet Finanzfluss wertvolle Ressourcen für die finanzielle Bildung. Im Rahmen der Finanzfluss Bildungsinitiative engagiert sich Finanzfluss dafür, Schüler:innen grundlegende Finanzkenntnisse zu vermitteln und sie optimal auf die finanziellen Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.

    Wer mit der Wiederholung von Linearen und Quadratischen Funktionen in das Schuljahr starten möchte, findet einen Moodle – Kurs, in dem sich alles um eine praxisnahe Anwendung (mit dem Thema Stückzahl: Stückpreis, Umsatz, Selbstkosten, Gewinn) dieser Funktionstypen geht. Dazu viele Erklärvideos und Aufgaben mit Lösungen. Alles kostenlos und zum freien Download.

    Es lässt sich ein steigendes Interesse junger Menschen, darunter viele Schülerinnen und Schüler, an Finanzbildung beobachten. Dies zeigt sich unter anderem in der Popularität von YouTube-Kanäle wie “Finanzfluss” oder “Finanztip” bei dieser Zielgruppe. Gleichzeitig wird von vielen Schulabgänger kritisiert, dass die Schule keine hinlängliche Vorbereitung auf die persönliche Geldanlage und Finanzplanung bietet. Die Bearbeitung realitätsbezogener Aufgaben im Mathematikunterricht kann dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Aus diesem Grund wurde eine digitalgestützte Modellierungsaufgabe zum Thema “Investieren in ETFs” entwickelt. Im Rahmen der Aufgabenstellung sollen die Lernenden die Entwicklung eines ETFs mithilfe mathematischer Konzepte wie Steigungsdreiecke, Exponentialfunktionen und Tabellenkalkulation analysieren. Die Aufgabe bietet die Möglichkeit, die mit Börsenprodukten verbundenen Risiken zu thematisieren und das kritische Denken der Lernenden in diesem Kontext zu fördern.

    Der Welt-ETF ist ein ETF (Exchange Traded Fund, zu Deutsch: börsengehandelter Fonds), der sich durch eine breite Streuung über verschiedene Länder und Branchen auszeichnet. Das bedeutet, dass das Geld der Anlegenden in eine Vielzahl von Unternehmen weltweit investiert wird. Ziel ist die Streuung und damit die Minimierung des Risikos. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Welt-ETFs unterscheiden: die einen zahlen regelmäßig Geld aus, zum Beispiel Dividenden; die anderen behalten erzielte Gewinne im ETF und investieren sie wieder. Wir konzentrieren uns hier nur auf den zweiten Typ, den sogenannten thesaurierenden Welt-ETF.

    … Stay tuned …

     

    Bildnachweis: Gerd Altmann @pixabay

    Zusammenarbeit im Kollegium am Beispiel QuaMath

    Lang, lang ist es her, meine Beteiligung am SiNUS-Projekt. Zur Erinnerung: SINUS (Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts) war ein Modellversuchsprogramm für die Sekundarstufe I im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, das infolge der Third International Mathematics and Science Study (TIMSS) 1994/96 von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) initiiert wurde. Ziel des Programms war, die Effizienz des Unterrichts zu steigern.

    Die ZEIT schrieb seinerzeit: „Das groß angelegte Programm beweist, dass auch hierzulande möglich ist, was viele den vermeintlich unbeweglichen Deutschen nicht zutrauen: die schnelle Reaktion auf Missstände an Schulen; eine Reform des Unterrichts, des Kerngeschäfts der Lehranstalten; die Mobilisierung der viel gescholtenen Lehrerschaft für Veränderungen – und das alles gar in Zusammenarbeit von Bund und Ländern (Die Zeit, 20/2003)“. Und ein Jahr später: „Realitätsbezogene Aufgaben statt schematischen Rechnens, individuelles Lernen statt Formelpauken im Gleichschritt: Für einen solchen reformierten Mathematikunterricht steht die Abkürzung SINUS (Steigerung der Effizienz des mathematischnaturwissenschaftlichen Unterrichts). Mit einigen hundert Lehrern ist das bundesweite Fortbildungsprogramm gestartet, nach dem Pisa-Schock verzehnfachte sich die Zahl. SINUS zeigt, wie man Unterricht erfolgreich verändert (Die Zeit, 50/2004)“.

    Zusammenarbeit ...

    Aufgrund der guten Rezeption fand eine mehrmalige Verlängerung durch den sogenannten SINUS-Transfer statt. Für die Primarstufe gab es auch entsprechende Programme, die noch weitergeführt werden.
    Bevor ich auf eine neue Initiative eingehe, hat mich ein aktueller Tweet von @joeranDE

    angeregt, noch einmal ganz grundsätzlich auf die „Problematik“ Zusammenarbeit einzugehen. Noch einmal deswegen, weil ich mich bereits >>hier mit diesem Thema auseinandergesetzt habe.

    Warum sollten Lehrkräfte in einer Schule zusammenarbeiten? Bevor ich auf das individuelle Autonomiebedürfnis eingehe, hier noch einmal meine Werbung für eine Kooperation im (Fach)Kollegium:

    • Ich kann im Kollegium Wissen und Erfahrungen teilen und von ihnen lernen. Dies kann dazu beitragen, die Qualität des Unterrichts zu verbessern und den Schülerinnen und Schülern ein breiteres Spektrum an Lernmöglichkeiten zu bieten.
    • Ich kann Ressourcen wie Lehrmaterialien und Technologien teilen und trage dazu bei, sie kennenzulernen und sie effektiver zu nutzen.
    • Zusammenarbeit hilft bei der Unterrichtsplanung: Es lassen sich Unterrichtspläne entwickeln, die aufeinander abgestimmt sind und verschiedene Lernstile und Interessen berücksichtigt.
    • Zusammenarbeit kann dazu beitragen, sich gegenseitig unterstützen und ermutigen können. Dies kann dazu beitragen, Stress und Burn-out zu reduzieren und das Wohlbefinden der Lehrkräfte zu verbessern. Eine von mir mehrfach als erfolgreich kennengelernte Methode ist die kollegiale Fallberatung
    • Zusammenarbeit kann dazu beitragen, sich über Lehr- und Lernkonzepte auseinanderzusetzen, um damit den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler besser gerecht werden zu können und ihnen die bestmöglichen Lernmöglichkeiten zu bieten.

    Insgesamt ist Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften darauf auszurichten, eine positive Lernumgebung zu schaffen und die Schülerinnen und Schüler darin zu unterstützen, ihr volles Potenzial zu entfalten.

    So, und nun auf das – auch von mir – häufig in Fortbildungen angetroffene

    ... individuelle Autonomiebedürfnis

    der Lehrkräfte!

    Das individuelle Autonomiebedürfnis von Lehrkräften bezieht sich darauf, dass sie in der Lage sein möchten, ihre Arbeit auf eine Weise auszuüben, die ihre persönlichen Werte, Interessen und Fähigkeiten widerspiegelt. Und doch frage ich mich – auch angesichts meiner eigenen Erfahrungen in den USA und im Projekt SiNUS – wie kann ich als Fortbildner, als (Fach)koordinator, als Steuergruppenmitglied, als Schulleiter auf das individuelle Autonomiebedürfnis der Lehrkräfte reagieren? Meine Findings der letzten Jahre bestehen im Wesentlichen in:

    • Respektieren Sie die Meinungen und Ideen der Lehrkräfte: Geben Sie den Lehrkräften die Möglichkeit, ihre Meinungen und Ideen zu äußern, und nehmen Sie diese ernst. Versuchen Sie, gemeinsame Entscheidungen zu treffen, die ihre Interessen und Bedürfnisse berücksichtigen.
    • Ermutigen Sie zur Zusammenarbeit: Ermutigen Sie die Lehrkräfte, zusammenzuarbeiten und Ideen auszutauschen, um eine gemeinsame Vision für die Schule zu entwickeln. Geben Sie ihnen die Freiheit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihre Arbeit auf ihre individuelle Art und Weise auszuführen, solange dies im Einklang mit den Zielen der Schule steht.
    • Unterstützen Sie die Weiterbildung: Bieten Sie den Lehrkräften Möglichkeiten zur Weiterbildung und Entwicklung an, um ihnen zu helfen, ihre Fähigkeiten und Interessen zu erweitern und ihre Arbeit zu verbessern. Stellen Sie sicher, dass die Schulprogramme und -richtlinien die Vielfalt der Lehrkräfte unterstützen und nicht einschränken.
    • Schaffen Sie ein positives Arbeitsumfeld: Schaffen Sie ein positives Arbeitsumfeld, das die Bedürfnisse der Lehrkräfte berücksichtigt. Achten Sie darauf, dass sie über ausreichend Zeit, Ressourcen und Unterstützung verfügen, um ihre Arbeit effektiv zu erledigen, und fördern Sie eine offene Kommunikation und Zusammenarbeit.
    • Vertrauen Sie den Lehrkräften: Vertrauen Sie den Lehrkräften, ihre Arbeit auf ihre individuelle Art und Weise auszuführen, solange dies im Einklang mit den Zielen der Schule steht. Vermeiden Sie es, sie zu sehr zu kontrollieren oder ihnen zu sagen, wie sie ihre Arbeit machen sollen.

    Indem Sie das individuelle Autonomiebedürfnis der Lehrkräfte respektieren und unterstützen, können Sie eine positive Arbeitsumgebung schaffen, die dazu beiträgt, die Motivation, Kreativität und Leistung der Lehrkräfte zu steigern. Dies wiederum kann sich positiv auf die Schülerinnen und Schüler auswirken.

    (Disclaimer: Teile dieses Abschnitts entstanden mithilfe des KI-Tools ChatGPT. Immer wieder verblüffend, wie nah die von ChatGPT benutzten Daten mit meinem Weltbild übereinstimmen.)

    Die abschließenden Hinweise richten sich zwar an die Mathematiklehrkräfte und doch empfehle ich ein Mitlesen auch der fachfremden Lehrkräfte. Denn: Das Projekt SiNUS wurde in Hessen auch auf andere Fächer übertragen (Deutsch, neue Fremdsprachen (E, F), Geschichte). Warum also kann das gerade anlaufende

    QuaMath

    Programm nicht auch Vorbild für andere Fächer werden?

    Das Programm »QuaMath« verbindet bundesländerübergreifend Forschung und Praxis zur Stärkung der mathematischen Bildung in allen Schulstufen von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II in praxisnaher Zusammenarbeit. Die inhaltliche und didaktische Qualität des Unterrichts und die Frage, wie diese gemeinsam mit allen Akteurinnen und Akteuren in den Fortbildungssystemen der Länder durchgängig umgesetzt werden kann, stehen dabei im Mittelpunkt. Wie bei SiNUS ist QuaMath auf die langfristige Unterrichtsentwicklung in Schulteams ausgerichtet. Dabei arbeiten Lehrkräfte in schulinternen, fachbezogen arbeitenden professionellen Lerngemeinschaften (hier: Schulteams) zusammen und werden von qualifizierten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren fortgebildet sowie begleitet. Die Fortbildungen finden in Schulnetzwerken im jeweiligen Bundesland statt und ermöglichen einen regelmäßigen fachbezogenen Austausch mit anderen Schulen. Hier ein von den Projektentwicklern produziertes „Einladungs”-Video:

    Im Rahmen des von der Kultusministerkonferenz initiierten Programms »QuaMath – Qualität in Mathematikunterricht und Mathematiklehrerfortbildung entwickeln« werden Lehrkräfte gesucht, die sich als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren qualifizieren möchten, um im Folgejahr selbst Fortbildungen für andere Lehrkräfte durchzuführen. Die einjährige Basisqualifizierung soll die Teilnehmenden im Hinblick auf fachbezogene Fortbildung und Moderation der Schulnetzwerke sowie zu Beratung und fachbezogenem Unterrichtscoaching der Schulteams qualifizieren. In »QuaMath-Qualifizierungs-Werkstätten« wird ein Austausch über die konkrete Umsetzung und Adaption von Fortbildungsmodulen ermöglicht, während die »QuaMath-Qualifizierungs-Seminare« stärker auf die Vermittlung der grundlegenden Konzepte der Module fokussieren. Die Werkstätten und Seminare finden online statt – mit einem gemeinsamen Auftakt und Abschluss in Präsenz. Für ihre Arbeit erhalten die Multiplizierenden Anrechnungs-/Entlastungsstunden. Die Qualifizierung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren startet mit der »QuaMath-Bundestagung« als Auftaktveranstaltung. Sie findet vom 14. bis 19. September 2023 in Berlin statt.

     

    Es lohnt sich in mehrfacher Hinsicht …

    Aus meiner SiNUS (Transfer) und KUMN Erfahrung heraus kann und will ich gerne zur Teilnahme motivieren. Als Multiplikator profitierte ich von der ausgewiesenen Expertise der Mathematikdidaktiker*innen und von dem bundes- und landesweiten Netzwerk in Form von vielen Austauschformaten. Das beförderte deutlich meine Bereitschaft, mich viel intensiver mit meinem Unterricht zu beschäftigen. Als Multiplikator und Fortbildner konnte ich diese Erfahrungen weitergeben. Natürlich war ich abhängig von der Bereitschaft des Kollegiums, sich auf mich und letztlich auf etwas Neues, auf Änderungen des eigenen Mindsets einzulassen. Dies um so mehr, als mittlerweile die Heterogenität innerhalb der Lerngruppen überall, also auch in den Gymnasien angekommen ist …

    >>> Weitere Informationen

     

    Update (9.12.23): Die Multiplikator:innen sind im Einsatz, wie diese beiden Broschüren zeigen:

    … Stay tuned …

     

     

    Bildnachweis: John Schnobrich @unplash

    Mathematik ist cool. Rückblick ’22.

    Dieser Beitrag ist die Fortsetzung meiner im November begonnenen Beschreibung interessanter Tipps zur Praxis im Mathematikunterricht. Darüber hinaus unterstütze ich mit diesem Rückblick eine Edutwitterinitiative: Die Gestaltung eines Adventskalendertürchens. Das heutige Datum 2. Dezember ist bewusst gewählt worden, weil ich auf eine Veranstaltung aufmerksam machen möchte, die Lehrkräfte wie Schülerinnen und Schüler ansprechen wird (siehe mein gewähltes Cover zum heutigen Post). Doch der Reihe nach …

    Es gibt so viel zu berichten und doch muss ich mich beschränken. Ich werde sicher die Reihe auch im nächsten Jahr fortsetzen. Wie schon in den beiden anderen Beiträgen (Mathalaxie – DiA:GO – Python trifft Pythagoras, SmartQuiz – Gedankenlesen – Rapunzel) gliedere ich meine Auswahl in drei Bereiche: Primarstufe, Sekundarstufe I und Gymnasiale Oberstufe (GOS).

    Grundschule

     

    Gemeinsam Lernen

    Die vorliegende Handreichung mit dem Titel ‚Mathematik gemeinsam lernen‘ ist mit der Intention entstanden, Lehrkräfte der Primarstufe bei der Planung, Durchführung und Reflexion inklusiven Mathematikunterrichts zu unterstützen. Sie basiert auf der Arbeit des im Jahr 2015 mit Unterstützung des Schulministeriums gestarteten Projekts ‚Mathematik inklusiv mit PIKAS‘. Im Zuge des Projekts wurden Unterrichtsmaterialien zu zentralen Unterrichtsthemen entwickelt, Texte mit wichtigen Hintergrundinformationen verfasst sowie mathematikdidaktisch und sonderpädagogisch fundierte konzeptionelle Überlegungen formuliert.

    Diese Handreichung veranschaulicht praxisnah die Kriterien eines guten inklusiven Mathematikunterrichts und stellt Leitideen, Unterstützungsvorschläge und Unterrichtsbeispiele für inklusive Lerngruppen kompakt dar.

    Zum Download der Handreichung

    Zur Webseite des Anbieters
     

    Sekundarstufe I

    Nicht nur der Adventskalender ist ein Beispiel gelungener Kooperation in den sozialen Netzwerken. Auch die Bereitschaft von Kolleginnen und Kollegen, ihre Unterrichtsüberlegungen und -konzepte und/oder ihre Fortbildungsmaterialien vorzustellen, gehören zu meinen Highlights des Jahres 2022. Exemplarisch hier einige Beispiele aus dem #EduVorschaubild der Version vom 19:13, 3. Sep. 2016 und aus dem 🐘-FediLZ:

    Sekundarstufe II

     
    Drei Professoren der Bergischen Universität haben sich Anfang des Jahres ’22 vorgenommen, Schüler*innen zu zeigen, wie vielfältig die Themen sind, mit denen sie sich im Mathematikunterricht beschäftigen können. Mathematik, das sei viel mehr als pures Rechnen, sind sich Matthias Ehrhardt, Michael Günther und Wil Schilders sicher. Um mehr Menschen für Mathematik, Informatik, natur- und ingenieurwissenschaftliche Studienfächer zu gewinnen, richtet sich das Buch „Erfolgsformeln“ nicht nur an Mathematikinteressierte, sondern vor allem an erklärte „Nicht-Zahlenmenschen“ und Formeljongleure im Alltag.

    Schlüssel für das moderne Leben

    Das Buch enthält spannende Beispiele aus allen Bereichen des – auch alltäglichen – Lebens, in denen Mathematik, sicht- oder unsichtbar, eine entscheidende Rolle spielt: in Verlaufssimulation etwa von Epidemien, in Medizin, Chemie, Verkehr, Umwelt, Energie, Gesellschaft, Sicherheit, Künstliche Intelligenz, Produktion, Finanzmärkten, Hightech, Kriminologie, Musik, Kunst, Sport und Games. „Mathematik ist ein zentraler Schlüssel, um auch ganz praktische Fragestellungen aus anderen Bereichen zu beantworten“, so Prof. Ehrhardt. So behandeln zum Beispiel die ersten sechs Kapitel die Mathematik rund um COVID19, wie Modellierung, Impfstrategien, Verlässlichkeit von Schnelltests, … und auch andere moderne Anwendungen wie etwa autonomes Fahren, Maschinelles Lernen und Digitale Zwillinge werden diskutiert.

    Abenteuer Mathematik wagen

    Ferner kommen im Buch neun prominente Vertreter*innen ihres Faches zu Wort, die über die Rolle der Mathematik in ihrer Arbeit und ihrem Privatleben berichten. Man wünsche sich, auch mehr Frauen für das Abenteuer Mathematik zu gewinnen, so der niederländische Mathematiker Prof. Wil Schilders, der als vierter Inhaber der Mittelsten Scheid-Gastprofessur das lesenswerte Ergebnis dieses großzügigen Engagements mit auf den Weg gebracht hat.

    Das außergewöhnliche Buch ist kostenfrei an der Bergischen Universität zu bestellen sowie als Download erhältlich: Zum Bestellformular und Downloadlink hier klicken!

     

    Schlussbemerkung

     
    Und auch das gehört zu meinen Highlights des Jahres:

     

    Da ich in meiner GOS-Zeit abiturkompatible CAS-Rechner im Einsatz hatte, waren meine Aufgaben im Anforderungsbereich II+III in der Regel in Sachkontexten eingebunden. Das Verständnis des Mathematikkalküls im Anforderungsbereich I habe ich zu Beginn der Klausur mit einer Multiple Choice Abfrage überprüft. Das vorausschickend würde ich mein Setting nun wie folgt anpassen:

    1. Erste (individuelle) Klausurphase: Anforderungsbereich I im Multiple-Choice-Verfahren via Classtime (Die Auswertung gelingt der App in Sekundenschnelle und sehr übersichtlich …)
    2. Anwendungsaufgaben (II, III) austeilen, Lesezeit geben und kurzer (5-10 minütiger) Austausch
    3. Start der zweiten (individuellen) Klausurphase

    Der zweite Schritt ist also nichts anderes als die Fortsetzung meiner im Unterricht häufig benutzten Think-Pair-Share-Methode, nun auf Klausurebene. Mit der Rückgabe der Klausurergebnisse suche ich abschließend das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern, um die Akzeptanz abzusichern.
     

     
    Und nun wie versprochen, die Hinweise zur heutigen Mathenacht:

    Wie vielfältig Mathematik ist, zeigen heute, am 2. Dezember 2022 Wissenschaftler*innen der drei Mathematik-Exzellenzcluster aus Berlin, Bonn und Münster. Von 15 Uhr bis Mitternacht gibt es ein breit gefächertes Programm mit Mitmach-Angeboten für Schülerinnen und Schüler, einer Diskussionsrunde sowie anschaulichen Vorträgen für alle Interessierten. Die Veranstaltung findet via Zoom statt und ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

    Hier eine erste Übersicht:

    Für Kinder und Jugendliche:
    15 Uhr: Streng geheim! – Geheimcodes auf der Spur (ab 3. Klasse)
    16 Uhr: Umsteigen ohne Warten? – Mathematische Fahrplanoptimierung
    17 Uhr: Rot + Blau = 0 – Was soll das?

    Für alle:
    18 Uhr: Mathematische Zaubershow
    19 Uhr: “Was? DU willst studieren?!” Diversität der Bildungswege (Talkrunde)
    20 Uhr: Zurück in die Zukunft… – Mathematik für optimale Evakuierung
    21 Uhr: Vom Unterschied zwischen Kugel und Donut

    22 Uhr: Mathematik in der elektronischen Musik

    23 Uhr: Ausklang mit Live-Klangdemonstrationen

    Programmdetails und die Zoom-Zugangsdaten finden Sie unter: https://go.wwu.de/mathenacht2022
     

    … Stay tuned …

    Bildnachweis:

    Ausschnitt aus:

    https://schule-in-der-digitalen-welt.de/wp-content/uploads/Bilder_post/Mathenacht-2022-Infoposter.pdf

    Mathalaxie – DiA:GO – Python trifft Pythagoras

    Wie im letzten Beitrag angekündigt, werde ich immer mal wieder über Entwicklungen in der Mathematikdidaktik berichten. Schön, dass es aktuell so viel über neue Erkenntnisse zu berichten gibt. Darum soll es hier gehen. Und auch um Tipps, wie man vor allem stärkeren Schüler*innen gerecht werden kann. Denn auch diese Gruppe hat ein Recht auf Förderung, oder?

    Dazu ganz zu Beginn eine didaktische Idee, der ich letzte Woche begegnet bin: Die Seminarmethode [1]https://www.cultofpedagogy.com/classroom-seminars/.

    Grundsätzlich sind Seminare Kleingruppenunterricht. Meehan erläutert in einem Podcast, dass sie die Bezeichnung Seminar ganz bewusst gewählt habe, eben weil die Kinder es lieben. Die Seminare dauern sieben bis zehn Minuten, wobei jedes Seminar ein kleines, fokussiertes Thema abdeckt. Sie werden in Zeiten angeboten, in denen die Lernenden selbstständig an Aufgaben arbeiten. Während einer Unterrichtsstunde (45-60 Minuten) bietet Meehan normalerweise ein oder zwei Seminare an. Grundsätzlich kann dieses Format in allen Fächern angeboten werden: Das können beliebige Lernziele sein, die die Einheit verfolgt. Es können Aufgaben sein, die sich aus Rückmeldungen der Lernenden ergeben. Idealerweise, so Meehan, werden Seminare für Gruppen von vier bis fünf Schüler*innen angeboten. Wenn sich mehr für ein Seminar anmelden, werden zwei separate Sitzungen angeboten. Oder, wenn viele Lernenden Interesse an einem Thema zeigen, entwickelt sie einen Organisationsrahmen gleich für die ganze Klasse.

    Viele Didakter*innen machen sich Gedanken, wie sie das Mathe-ist-doof Image auflösen können. Wie man Schüler*innen für die Mathematik begeistern kann. Darum wird es nun im Folgenden gehen. Die erste Anregung habe ich einer Sendung des SWR2 entnommen [2] … Continue reading:

    Mathalaxie

    Die Ungarin Marta Vitalis stellte sich schon früh die Frage: Wie sollte man Mathematik vermitteln, sodass es Kindern Spaß macht, ganz ohne Angst? Ihre Antwort: Verpackt in einer Abenteuergeschichte.

    Das Spiel “Mathalaxie” verpackt Grundschul-Mathematik in eine Abenteuerreise in den Weltraum. Die Idee: Die Kinder wollen ein Alien besuchen. An zehn Stationen bereiten sie sich auf die abenteuerliche Reise vor und lösen jede Menge Aufgaben: Sie bauen einen Roboter und ein Raumschiff, berechnen Flugrouten, basteln, zeichnen, schrauben. Dass viele Aufgaben mit Mathematik zu tun haben, merken sie nicht. Das sei der große Unterschied zum Unterricht, sagt Marta Vitalis. Denn hier haben sie bei jeder Aufgabe ein klares Ziel vor Augen.

    Aus der Forschung weiß man mittlerweile, dass gerade Kinder im angeleiteten Spiel genauso gut lernen wie im traditionellen Unterricht. Bei “Mathalaxie” arbeiten sie außerdem in Gruppen, sind emotional dabei und motiviert – auch das sind Faktoren, die dem Lernen guttun. Sie erleben eine rundum positive Mathe-Erfahrung. Momentan arbeiten Marta Vitalis und zwei Kollegen an “Mastory”, einem Algebra-Kurs für die 8. und 9. Klasse an Highschools in den USA.

    Der nächste Vorschlag stammt von einer Forschungsgruppe in Tübingen. Sie haben sich überlegt, wie digitale Medien den Matheunterricht unterstützen können. Herausgekommen sind aktuell drei Lernumgebungen [3]https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/40440/1/BzMU21_PLICHT_AdaptiverUnterricht.pdf:

    Adaptives Unterrichtskonzept

    Was ist das überhaupt, eine adaptive Lernumgebung?

    Adaptiv gestaltete Lernräume bieten gerade in heterogenen Lerngruppen besondere Potenziale Unterrichtsprozesse so zu realisieren, dass die aktuellen Unterrichtsinhalte und -methoden an die Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler angepasst sind. Zentrale Bestandteile adaptiven Unterrichts ist die Adaption auf Makro- (z. B. Gruppendifferenzierung nach Leistungsniveau) und Mikroebene (z. B. individuelle Unterstützungsmaßnamen), als auch die formative Diagnose. Eine regelmäßige Diagnostik ist Voraussetzung, um die Lernmaterialien und das Unterrichtsgeschehen fortwährend sowohl auf Makro- als auch auf Mikroebene anzupassen. Formative Diagnose als auch angepasste Adaptionen werden als wichtige Methoden angesehen, um das individuelle Lernen der SchülerInnen gezielt zu fördern, wie auch ihre metakognitiven Selbsteinschätzungen zu unterstützen, welche eine zentrale Rolle im Lernprozess spielen. Digitale Medien dienen hierbei als didaktische Werkzeuge, um diese Unterrichtsprozesse zu realisieren. Sie können sowohl auf Mikroebene für instruktionale Unterstützungsmaßnahmen wie z. B. computergestütztes Feedback als auch auf der Makroebene zur Organisation und Bereitstellung von differenziertem Unterrichtsmaterial eingesetzt werden. Zudem können Audience Response Systeme oder Online-Quizze für eine formative Diagnose mit unmittelbarer Ergebnisauswertung verwendet werden (vgl. hierzu meine Themenseite).

    Das Projekt DiA:GO (Digitale Medien im adaptiven Unterricht der gymnasialen Oberstufe der Gemeinschaftsschule) ist ein Kooperationsprojekt der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Gemeinschaftsschule West Tübingen, welches auf die Etablierung eines didaktisch sinnvollen Einsatzes digitaler Medien im adaptiven Unterricht abzielt. Im bisherigen Projektzeitraum wurden drei Unterrichtseinheiten für das Fach Mathematik in der Sekundarstufe II entwickelt, durchgeführt und evaluiert (mit Klick auf das Bild kommt man zu den Materialien):

     

    Die Ergebnisse zeigten einen Leistungszuwachs der Schülerinnen und Schüler (große Effekte). Die Schülerinnen und Schüler bewerteten die Unterrichtseinheiten über die Durchführungsphase hinweg gleichbleibend als hoch adaptiv, kognitiv aktivierend und motivierend. In ihrem Fazit schreiben die drei Forscher*innen:

    Die Unterrichtseinheiten zeigen einen tragfähigen Ansatz auf, um digitale Medien für die Orchestrierung adaptiver Unterrichtsinhalte bereitzustellen, da sowohl die Lernleistungen als auch Selbstregulationsprozesse innerhalb der Unterrichtseinheit gefördert wurden.

    Abschließend und einen Bogen zur eingangs vorgestellten Seminaridee spannend gehe ich auf ein Buch ein, das den stärkeren Lernenden der Sekundarstufe I und II zusätzliche Impulse geben kann:

    Python trifft Pythagoras

    Auch wenn Computerbeweise bei einigen Mathematiker*innen umstritten sein mögen, sind sie heute nicht mehr wegzudenken. Bedeutende mathematische Beweise, die durch interaktive Theorembeweiser überprüft wurden, sind der Beweis des Vier-Farben-Satzes durch Georges Gonthier [4]https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/40440/1/BzMU21_PLICHT_AdaptiverUnterricht.pdf sowie der formalisierte Beweis der Keplerschen Vermutung durch das Flyspeck-Projekt. [5]https://arxiv.org/abs/1501.02155. Vielfach werden Computer gerne eingesetzt, um Aussagen zu falsifizieren. Denn dann braucht man sich ja erst gar nicht auf die Suche begeben. 

    Was liegt näher, als bereits frühzeitig die (starken) Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit zu geben, sich in dieses Thema einzuarbeiten?  Die Fähigkeiten, die benötigt werden, um guten, logisch kohärenten Code zu schreiben, ähneln stark dem Wissen, das unsere Lernenden auch zur Lösung mathematischer Probleme brauchen. Sie erfahren nicht nur, wie Probleme elegant mit (hier) Python modelliert werden und welche wissenschaftlichen Zusatzmodule ihnen viel Arbeit abnehmen, sondern sie bauen auch selbst Algorithmen nach und verstehen durch diesen konkreten Ansatz mathematische Zusammenhänge, die sonst abstrakt und kompliziert blieben.

    Zunächst wird man im Buch mit der Python-Programmierung vertraut gemacht. Es werden in einem kurzen Python-Kurs wichtige Datentypen und Programmierkonstrukte vermittelt. Und als ein erstes Kennzeichen späterer Erfahrungen im Informatikunterricht: Man lernt Bibliotheken zu nutzen; mit Informationen über NumPy, Matplotlib, SymPy und SciPy.

    Im Buch werden Themen angesprochen, die im Seminarsetting (s. o.) von der Lehrkraft angesprochen werden können, um sie dann von den Schüler*innen weiterbearbeiten zu lassen. Viele im Mathematikstudium wichtige Fragestellungen kommen im Unterricht kaum noch vor. Im Buch schon, wie z. B. der Begriff der Stetigkeit (nicht streng wissenschaftlich versteht sich, aber doch noch hinreichend formalisiert), Differenzialgleichungen, Ausgleichsrechnungen, Fraktale, Implementierung von RSA-Algorithmen und vieles mehr. Somit werden vor allem Schüler*innen aus der gymnasialen Oberstufe angesprochen, insbesondere diejenigen, die Informatik belegt haben.

    In der Sekundarstufe I bieten sich zumindest der Python-Kurs und erste Übungen an, dem Buch (Sieb des Eratostenes) oder aus dem täglichen Unterrichtsgeschehen entnehmend. Iterationsverfahren gibt es ja genügend: z. B. das Heronverfahren zur Berechnung der Quadratwurzel einer (positiven) Zahl oder das Näherungsverfahren von Archimedes zur Bestimmung der Zahl π. Oder man bedient sich der Rückmeldungen der Schüler*innen, wenn sie selbst auf eine Idee, auf eine Anwendung stoßen und umsetzen wollen. Via eines Seminarformats (s.o.) …

    Zu jedem der im Buch angesprochenen Themen findet man im Downloadbereich Codebeispiele sowie Übungen mit kommentierten Lösungen. So können Lehrende wie Lernende alle Beispiele komfortabel ausprobieren, die beschriebenen Lösungswege nachvollziehen und auf eigene Probleme anwenden.

    Fazit: Ein Buch, das den laufenden Unterricht ergänzen kann. Ein Buch, das eine erste Kontakaufnahme mit Python ermöglicht; einer Programmiersprache, die dank ihrer Syntax und Lesbarkeit leicht zu erlernen ist und sich sehr vielseitig einsetzen lässt. Besonders zu empfehlen für fächerübergreifende Ansätze, indem man z. B. den Begriff des Algorithmus innermathematisch einführt und anschließend im MINT-Spektrum nach weiteren Anwendungsmöglichkeiten sucht.

    Schlussbemerkungen

    Wer meinen Beiträgen folgt, weiß um meine Affinität zur evidenzbasierten Bildungsforschung. Auch, weil vor allem die Mathematikdidakter*innen in ihren Beiträgen immer mit Ideen aufwarten, wie man in der Praxis mit den Ergebnissen umgehen kann, wie man z. B. der Inhomogenität in unseren Lerngruppen gerecht werden kann. Und: Weil die Ergebnisse helfen, Erfahrungen aus dem eigenen Unterricht besser einzuordnen. Nicht frustriert zu sein, wenn [6]https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&buchnr=4257, S. 23 ff

    Differenzierungsmaßnahmen nicht immer für alle Schülergruppen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus gleich wirksam sind und Merkmale der Schule (z. B. durchschnittlicher sozioökonomischer Status oder Leistung der Schülerinnen und Schüler) entscheidend sein können.

    (…)

    (Gleichwohl zeigt) die Forschungssynthese mit ihrer vergleichenden Untersuchung von Differenzierungsmaßnahmen auf internationaler Ebene: Es ist Erfolg versprechend, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zu eröffnen, sich im Regelunterricht in ihrer je eigenen Geschwindigkeit und entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten Wissen anzueignen und Fähigkeiten zu erlernen. Hierbei sollte jedoch folgender Grundsatz beachtet werden, welcher auch von einer Lehrkraft mit viel Erfahrung im Bereich Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler genannt wurde:

    „Es ist ja auch nicht jeder Schüler für jede Maßnahme geeignet. Also, da muss man dann schon immer individuell gucken, was passt.“

    Abschließend will ich gerne aus dem zitierten Themenheft die abschließenden Reflexionsfragen (S. 25) empfehlen, eben weil die empirischen Befunde an den jeweiligen Kontext angepasst werden müssen.

    … Stay tuned …

    Bildnachweis: Gert Altmann @pixabay

    SmartQuiz – Gedankenlesen – Rapunzel

    Schon eine Weile her, dass ich mich mit fachdidaktischen Überlegungen zum Mathematikunterricht beschäftigt habe, standen Pandemie bedingt eher Schlussfolgerungen für eine geeignete (fächerübergreifende) Unterrichts- und Schulentwicklung im Fokus der pädagogischen Diskussionen. Transformation analog – digital: Mathematikunterricht erschien Anfang März 2020 und da war von Pandemie beginnend und von Digitalpakt noch gar nicht die Rede. Mittlerweile sind weit mehr Lehrende und Lernende mit Endgeräten ausgestattet. Inklusive neuer Angebote und Ideen für einen Medien gestützten Matheunterricht. Davon werde ich heute und immer wieder mal in den nächsten Wochen berichten.

    SMART-Test

    Den Anfang macht ein Angebot des Deutschen Zentrums für Lehrkräftebildung Mathematik. Einige Kollegen arbeiten schon seit geraumer Zeit an einer Online-Diagnostik für die Jahrgangsstufen 5-9. Im Rahmen der Vorstudie SMART[alpha] untersuchen sie Potenzial und Einsatzmöglichkeiten der sogenannten SMART-Tests. Die Organisator:innen suchen interessierte Lehrkräfte, die mit ihren Schüler:innen an diesem Piloten teilnehmen wollen. Die Erprobung ist geplant für November 2022 bis Januar 2023 und soll während einer Unterrichtseinheit zu Variablen und Termen in Klasse 7 oder 8 stattfinden (der genaue Zeitraum kann durch die Lehrkräfte im Rahmen dieser drei Monate selbst gewählt werden). Die Durchführung soll aus Gründen der Vergleichbarkeit in Präsenz stattfinden. Die Schüler:innen benötigen für die Testdurchführung PCs/Tablets mit Internetzugang.

    Ich habe mir die Beispieltests einmal angeschaut und bin davon überzeugt, dass sie Lehrenden wie Lernenden eine gute Rückmeldung über Kompetenzstände geben können. Hier eine Vorschau auf die ersten Übersetzungen:

    Zum besseren Verständnis der ersten Aufgabe aus dem Test „Graphen interpretieren“ hier eine Ergänzung, die die Optionen anzeigt:

    Interessierte teilnehmende Lehrer:innen werden gebeten, zu drei Zeitpunkten Ihre Rückmeldung via Fragebögen zu geben und gegebenenfalls an zwei Fortbildungen teilzunehmen (je 2 Stunden via Zoom).

    Hier der Link zu weiteren Informationen inkl. Anmeldung zur Teilnahme

    Gedankenlesen

    Wer eine Vermittlungsidee zum besseren Verständnis einer Terminterpretation sucht, der/dem empfehle ich die von Janina Brüggemann auf Edutwitter vorgestellte 90-minütige Unterrichtseinheit. Bevor ich weitere Details nenne, zunächst das von ihr im Unterricht eingesetzte Experiment:

     

     

     

    Mich hat es – wie vermutlich auch Janinas Schüler:innen – sofort motiviert, mich hinzusetzen und den Term hinter diesem Experiment zu entwickeln. Und das sei schon vorweg verraten, erst dann beginnt die wahre Interpretationsarbeit. Die Kollegin (@jabrgmn) hat die Idee in einem Blogartikel ausführlich und inkl. Material beschrieben.

    Rapunzel: Faktencheck

    Abschließend noch ein Vorschlag für die Kolleg:innen aus dem Primarbereich: Michael E. Luxner (@MichaelELuxner) hat sich mit Grimms Märchen Rapunzel „kritisch“ auseinandergesetzt:

    Rapunzel: Faktencheck in Mathematik

    Seinem Fazit ist uneingeschränkt zuzustimmen:

    Fest steht: Mathematik hilft uns, Geschichten, Erzählungen und Aussagen zu überprüfen, um Wahrheit von Lüge unterscheiden und um eigene Schlüsse ziehen zu können. Und das ist etwas Großartiges!

    In diesem Sinne:

    … Stay tuned …

    Bildnachweis: Gerd Altmann @pixabay