Wie kann Schule heute so gestaltet werden, dass sie den Herausforderungen der Zukunft gerecht wird? Diese Frage steht im Mittelpunkt vieler aktueller Bildungsdebatten – und auch dieses Beitrags. Neben der gezielten Förderung von Zukunftskompetenzen (‘Future skills’), die jungen Menschen den Einstieg ins Berufsleben erleichtern, braucht es vor allem ein lernendes Schulsystem: ein System, das kontinuierlich auf Basis von Daten reflektiert, evaluiert und verbessert wird.
Die Verknüpfung von Big Data und Small Data – etwa durch schulinterne Evaluationen – bietet dabei wertvolle Ansätze, um den spezifischen Bedürfnissen heterogener Lerngruppen gerecht zu werden. Ergänzend gewinnen moderne Lehr-Lernkonzepte an Bedeutung, die auf Flexibilität, individuelle Förderung und innovative Methoden wie agiles Lernen, Lerninseln oder Constructive Alignment setzen.
Vor drei Jahren habe ich einen vierten Band der Reihe >Schule digital< herausgegeben. Er entstand in der Absicht, Schule vom Ende her zu entwickeln. Also: Was muss ein Schulsystem, ein Bildungssystem heute leisten, um den Anforderungen gerecht zu werden, die während der langen Schulzeit an die Absolventen gestellt werden. Bei den Future Skills geht es genau um die Kompetenzen, die den Einstieg ins Berufsleben erleichtern sollen. Wie kann das gelingen?
Auf meiner dem Buch gewidmeten Landingpage Schule 5.0 habe ich das wie folgt charakterisiert:
- Schule 5.0 braucht neue Prinzipien: #lernkultur #PLE #pruefungskultur
- Schule 5.0 braucht mehr Flexibilität in Räumen, Zeiten und Strukturen: #schulbau #lernhaus #lerninseln #fablab
- Schule 5.0 bietet individuelle Lernangebote: #constructivealignment #AgilesLernen #Diklusion #DT #GBL
- Schule 5.0 verändert das Aufgabenprofil der Lehrerinnen und Lehrer: #Unterrichtsqualität #Kollaboration #PLN #WOL
- Schule 5.0 braucht Fortbildung, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist: #Konzept #Barcamp #EduTwitter
- Schule 5.0 braucht Schulleitung 5.0 und Politik 5.0: #Leitbild #Wertschätzung #Vernetzung #Qualitätskultur
In diesem Beitrag stelle ich Ihnen Schulen vor, die sich auf den Weg gemacht haben, diese Prinzipien in die Praxis umzusetzen. Sie nutzen datengestützte Ansätze zur Reflexion ihrer Arbeit und richten ihre Konzepte konsequent auf die Anforderungen der Zukunft aus. Lassen Sie sich inspirieren und motivieren, ebenfalls neue Wege zu gehen – hin zu einer Schule, die nicht nur lehrt, sondern auch selbst ständig lernt.
Deutscher Schulpreis
Was macht eine gute Schule aus? Sie wird bei Ausschreibungen von Bildungsstiftungen gesucht und prämiert. Die dazu veröffentlichten Vorlagen orientieren sich ebenfalls an Kategorien, wie sie in den Referenzrahmen der Länder
verankert sind (vgl. mein erster Beitrag). Grundlage des Deutschen Schulpreises sind sechs Qualitätsbereiche. Im Mittelpunkt des Wettbewerbs steht der Qualitätsbereich „Unterrichtsqualität“ und die Frage, wie Schulen das Lehren und Lernen für ihre Schüler:innen am besten gestalten können. Die weiteren Qualitätsbereiche befassen sich mit Leistung – Umgang mit Vielfalt – Verantwortung – Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner – Lernende Schule. Zu jedem Qualitätsbereich hat die Robert Bosch Stiftung Leitfragen zusammengetragen. Auf diese Fragen achten die Juror:innen im Auswahlprozess. Mit dem Planspiel zum Deutschen Schulpreis können sich Teams spielerisch mit den Qualitätsbereichen auseinandersetzen. Seit 2018 fördert die Stiftung mit dem Forschungsprogramm Projekte, die die Preisträgerschulen und ihre Bedingungen genauer erforschen.
Der Initiator stellt die Preisträger in einem Video vor. Die Suchmaske ermöglicht eine gezielte Suche nach Schulform und ggfs. Bundesland:
- Deutscher Schulpreis: Preisträger
108 Schulen sind Preisträger des Deutschen Schulpreises. Sie begreifen sich als lernende Organisationen im Sinne der sechs Qualitätsbereiche des Deutschen Schulpreises und überzeugten die Jury mit ihren Konzepten. Die Preisträger arbeiten in einem stetig wachsenden Netzwerk zusammen. Das Preisträgernetzwerk ist ein gemeinsamer Lernraum und Resonanzboden für alle Fragen der Schulentwicklung.
KI-Wettbewerb
Der Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz fördert besondere Leistungen und den kreativen Umgang mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen von Schülerinnen und Schülern. Teilnehmende können für den Wettbewerb ein selbstgewähltes Projekt einreichen, in dem ein gesellschaftlich oder wissenschaftlich relevantes Problem mit maschinellem Lernen angegangen wird. Der Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz wird vom Tübingen AI Center (nachfolgend Veranstalter) unter der Schirmherrschaft des baden-würrtembergischen Ministerpräsidenen, Winfried Kretschmann, ausgerichtet. Der Wettbewerb richtet sich an interessierte Schülerinnen und Schüler, die ihre Stärken in Informatik, Mathematik oder Physik haben. Der Wettbewerb beginnt jedes Jahr im Frühjahr. Die Anmeldung ist bis Juni geöffnet. Einreichungsschluss der Projekte ist im Herbst. Das Finale mit Preisverleihung findet im November statt. Teilnehmende können sowohl allein, als auch im Team mit bis zu vier Personen teilnehmen.
Die Abgabe des Projekts beinhaltet eine schriftliche Dokumentation und ein Video-Pitch. Das Projekt muss Methoden des maschinellen Lernens verwenden. Für die Dokumentation des Projektes sind im Wesentlichen maßgeblich:
- Eigenständigkeit
- Originalität, Kreativität, Ideenreichtum
- Schwierigkeitsgrad und Aufwand
- Wissenschaftliches Arbeiten wie Analyse möglicher Fehlerquellen, Einbettung in aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik, selbstkritische Einschätzung der eigenen Ergebnisse
- Ausblick, Neuheit, Erkenntnisgewinn
- Praktische Relevanz
- Lesbarkeit und Verständlichkeit des Codes
Von dem Video wird ein informativer und kurzweiliger Pitch von 3-5 Minuten erwartet. Das Projekt soll verständlich dargestellt werden, so dass einerseits Ziel und Inhalt für Nicht-Experten verständlich ist, und zeitgleich Experten die Komplexität des Projektes ermessen können.
Und auch hier Eindrücke zum Wettbewerb:
- Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz: BWKI 2024 – unser Finale in Tübingen
Weitere Schulpräsentationen
#Feedbackkultur:
- Wie eine Feedbackkultur am Oberstufengymnasium entsteht: Feed2teach am Burggymnasium Friedberg
- Schülerfeedback – Wertvolle Hilfe bei der Schulentwicklung
- Lernförderliches Feedback – Lernen im Dialog gestalten
#Lernkultur
- THEO an der Oberschule Berenbostel
- Ernst-Reuter-Schule Karlsruhe: TheA Nachhaltigkeit: Themenorientiertes Arbeiten
#Lernende Schule
Die Alemannenschule Wutöschingen ist eine Gemeinschaftsschule im Süden Baden-Württembergs, die sich zum Ziel setzt, Kindern und Jugendlichen zeitgemäße Lernformen zu ermöglichen.
In den Arbeitsfeldern Raum, Zeit, Schüler und Lehrer wurden zielgerichtet und auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse Veränderungsprozesse eingeleitet und wurden durch Lernateliers, Inputräume und kooperative Lernbereiche ersetzt; es wurde eine Rhythmisierung eingeführt, die auf die Bedürfnisse der Lernenden Rücksicht nimmt; Lehrer wurden zu Lernbegleitern und Schüler zu Lernpartnern und das Lernen soweit wie möglich personalisiert.
Mit innovativen Konzepten und Ideen ist die ASW zu einem Vorreiter moderner Schulen in Baden-Württemberg und darüber hinaus geworden. Die Ergebnisse externer Evaluationen und das Feedback von Lernpartnern, Eltern und Lernbegleitern bestärken uns darin, diese Ideen weiter zu verfolgen und zu realisieren.
Für einen Eindruck über die Raumstrukturen hat die Schule ein Fotobuch erstellt. Darüber hinaus kommentieren Stefan Ruppaner (Schulleiter) und Johannes Zylka (ehemaliges Schulleitungsmitglied) in Veränderte Pädagogik braucht veränderte Strukturen die Aufbauarbeiten der Schulgemeinde.
„Nach dem Referendariat war für mich gleich klar: Eine staatliche Schule kann es nicht werden.“ Pia Heyne arbeitet an der (Universitätschule Dresden). In dieser Folge von »Auf Arbeit mit…« nimmt uns die Lernbegleiterin mit in den Unterricht an der „Schule der Zukunft“. Pia sagt: „An einer staatlichen Schule darf ich nicht so arbeiten, wie ich gerne arbeiten möchte.“ Also: Weg vom Frontalunterricht und hin zu einem fächerübergreifenden Lernen in Lernateliers und kleinen Forschungsprojekten. Aus gutem Grund verstehen sich die Lehrerinnen und Lehrer auch als Lernbegleiterinnen und -begleiter. Im Video zeigt Pia, wie genau die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern aussieht, was die Unischule einzigartig macht und welche Rahmenbedingungen es für selbstbestimmtes Lernen braucht.
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- Anke Langner und Maxi Heß: Auf der Suche nach der besten Lösung
- 2013 wurde an der Technischen Universität Dresden die Professur für Inklusive Bildung neu eingerichtet. In der Lehre zeigte sich, dass das Thema Inklusion in Sachsen an Schulen weniger Realität war als zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Die Student:innen erkannten jedoch, dass das Thema so neu gar nicht war, und so entwickelten Mitarbeiter:innen und Student:innen an der TU Dresden in Zukunftswerkstätten die Idee eines Schulversuchs, in dem alle Schüler:innen miteinander lernen können.
- ARD Wissen (ard-mediathek): Schule ohne Druck? Frank Seibert und Deutschlands spannendster Schulversuch
Schule ohne Stress und Druck – ist das möglich? Frank Seibert blickt hinter die Kulissen von Deutschlands spannendstem Schulversuch an der staatlichen Universitätsschule Dresden. Keine festen Klassen, keine Hausaufgaben, keine Noten – wie soll das gehen?
#Feuilleton
- SWR (ard-mediathek): Abitur für alle? Frank Seibert und gerechte Bildung
Alle Kinder sollten die gleichen Chancen in der Schule haben – in Kanada klappt das deutlich besser als bei uns. Warum? Frank Seibert lernt den sehr besonderen Schulalltag einer Highschool in Winnipeg kennen und besucht eine Ausnahme von der Regel im Essener Norden.
Ich plädiere regelmäßig dafür, die Schülerinnen und Schüler in die Gestaltung der Schule und des Unterrichts mit einzubeziehen.
#Expo 2024
In den beiden Filmbeiträgen sieht man, was die Schülerinnen und Schüler besonders interessiert.
#Schülerzeitschrift
In dem Editorial der brandneuen Schülerzeitschrift 4omo beschreibt die Redaktion die Genese zur Ausgabe wie folgt: Mit einer Menge Engagement, Kreativität und Neugier haben wir für unser Zeitschriften-Projekt viele digitale Tools verwendet. Grundlage für die Recherche der redaktionellen Texte und deren Einteilung in Rubriken ist Taskcard. Für die grafische Darstellung haben wir eigene Grafiken in Procreate gestaltet und themenbezogene Bilder mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (Kl) erstellt. Zusammengestellt haben wir die Zeitschrift mit dem Programm Canva, einer intuitiven Oberfläche, die leicht zu erlernen ist.
- 4omo: The quiet mind (Weibelfeldschule, Dreieich, Hessen)
4OMO ist eine Zeitschrift von Schülerinnen und Schülern für Schülerinnen und Schüler. Es geht um Themen, die uns interessieren, bewegen und die wir gut finden. Themen, die unsere Freizeit bestimmen und über die wir uns mit unseren Freundinnen und Freunden austauschen. Entstanden ist 4OMO in der dazugehörigen schülergeleiteten AG und dem WP-Kurs Schülerzeitschrift.
Schlussbemerkungen
Die Beispiele bestätigen für eine schule 5.0 die Notwendigkeit einer grundlegenden Erneuerung der Lernkultur in Schulen, um den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden. In der angestrebten Lernkultur der Schule 5.0 wird ein individueller, flexibler und projektorientierter Ansatz sichtbar, der sich von traditionellen „one-size-fits-all“ Unterrichtsmodellen abhebt.
Wichtige Aspekte dieser neuen Lernkultur sind
- Individualisierte Lernangebote: Durch adaptive Lerntechnologien sollen Lerninhalte und -formen an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der einzelnen Lernenden angepasst werden, was zu höheren Lernerfolgen und mehr Freude am Lernen führt.
- Einsatz von Bildungstechnologien: Technologien wie Learning Analytics und Apps zur Sprach- und Gesichtserkennung unterstützen die individuelle Lernmotivation und ermöglichen eine differenzierte Förderung der Schüler/-innen.
- Modularisierte und flexible Angebote: Die Lernkultur soll zeit- und ortsunabhängige Lernmöglichkeiten bieten, um den unterschiedlichen Lebensrealitäten der Lernenden gerecht zu werden.
- Rolle der Lehrenden: In der neuen Lernkultur verändert sich das Aufgabenprofil der Lehrenden, die weniger als reine Wissensvermittler, sondern vielmehr als Begleiter und Unterstützer im Lernprozess fungieren.
Insgesamt zeichnet sich eine Lernkultur ab, die auf Innovation, Flexibilität und Individualisierung setzt, um den Anforderungen einer sich schnell verändernden Welt gerecht zu werden. Anlässlich der kürzlich stattgefundenen 100-Jahr-Feier des Medienzentrums des Wetteraukreises wurde ich nach meiner Keynote, in der ich einige der oben vorgestellten Schulen mit ihren Konzepten und Ideen vorgestellt hatte, vom damaligen Leiter gefragt: „Wie schaffen wir es, das in die Breite zu tragen? Wir scheinen kein Erkenntnisproblem zu haben, sondern offensichtlich ein Umsetzungsproblem, denn ich habe von Ihren geschilderten Erfahrungen so gut wie nichts mitbekommen…“.
Im abschließenden sechsten und letzten Beitrag gehe ich auf Rahmenbedingungen ein, plädiere für eine Verschränkung von Top-Down- und Bottom-Up-Strategien und zeige Lösungen, wie dort Schulentwicklung in diesem Sinne umgesetzt wird.
… stay tuned …