Der Digitalpakt ist auf den Weg gebracht. Viele Schulen werden beginnend in 2020 mit Tablets, iPads, … ausgestattet. Als ehemaliger (Mit-)Verantwortlicher bei Schulen ans Netz e. V. (SaN) freut’s einen, dass die lange Zeit brachliegende Investitionsbereitschaft von Bund und Land beendet scheint, auch wenn sich die Umsetzungen in manchen Ländern recht holprig gestalten. Natürlich flammen wie bei uns zum Start von SaN (1996) die Diskussionen um Sinn und Unsinn eines Einsatzes digitaler Medien im Unterricht wieder neu auf …

Es ist vieles in Bewegung gekommen …

  • Mich begeistert die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen aus dem #twitterlehrerzimmer, andere an ihrem Lehr- und Lerngewinn im Umgang und Einsatz von digitalen Medien zu beteiligen. Man werfe nur einmal einen Blick in den Abschnitt “Von Lehrkräften für Lehrkräfte” (bis zum entsprechenden Abschnitt nach unten scrollen…). Toll, welche Mühen die Kolleginnen und Kollegen auf sich nehmen, um inspirierende Blogbeiträge zu schreiben, um fachimmanente und fächerübergreifende Übersichtslisten zu erstellen, u. v. m. …
  • Mir gefällt die zunehmende Akzeptanz von OER Materialien bis hin zur Verpflichtung, die mit Steuergeldern entwickelten Materialien unter OER Bedingungen zu veröffentlichen. Darüber hinaus vorbildhaft der BELTZ-Verlag, der (z. B.) die Veröffentlichung des Buchs „Freie Unterrichtsmaterialien“ von Jöran Muuß-Merholz online und kostenfrei ermöglicht …
  • Mich beeindruckt die Arbeit der Kulturministerien bzw. Landesinstitute, die den Schulen Unterstützung bieten in Form von Broschüren, Handlungsanleitungen, Fortbildungsmaterialien und Erhöhung der Fortbildungsbudgets. Natürlich gibt es Stimmen “das reicht nicht”, stimmt auch (siehe unten).
    Dennoch: Der Anfang ist gemacht …

Meine persönlichen Highlights 2019

Unterrichtsmodell: Deeper learning

Ich habe auf der Konferenz Bildung Digitalisierung (#KONFBD19) ein neues Unterrichtskonzept kennengelernt: Deeper Learning. Einen ersten Eindruck in das Thema vermittelt eine Youtube Aufzeichnung von und mit der “Importeurin” dieses Lehr- und Lernmodells, Prof.’in Anne Sliwka (@SliwkaAnne). Für mich waren die Berichte aus der Praxis (hier ein Heidelberger Gymnasium) so überzeugend, dass ich das Konzept im Rahmen meines Webangebots Unterrichtsentwicklung ausführlich vorstelle.

OER: Digital.learning.lab

Ebenfalls ein Beitrag auf der #KONFBD19: Angekündigt wurde ein Vortrag von @digilearninglab zur OER-Praxis. Heraus kam eine beeindruckende Präsentation der beiden Hamburger Koordinatoren Prof. Knutzen und R. Röwert unter dem Titel “OER erstellen & nutzen – Herausforderungen identifizieren, Lösungsansätze finden”. Die Webseite ermöglicht u.a. eine komfortable Suche nach geeigneten, den sechs Kompetenzstandards der KMK zugeordneten Materialien für den eigenen Unterricht. Besonders erwähnenswert, dass die Hamburger Bildungsbehörde die Entwicklung der Materialien aus der Praxis für die Praxis durch Freistellungen der Lehrkräfte ermöglichte. Und diese Materialien nicht nur den Hamburger Schulen, sondern allen Schulen zur Verfügung stehen. Nicht so, wie in Bayern, Baden-Württemberg und/ oder NRW, wo vieles nur den Landesschulen angeboten wird (Stichworte mebis, minnit, edkimo). Ebenfalls vorbildlich: Die der Redaktion per E-Mail zur Verfügung gestellten Beiträge werden zunächst reviewt, mit einer entsprechenden OER Signatur versehen und erst dann online gestellt. Der Plattform ist maximaler Erfolg zu wünschen, auch durch eine Vorbildfunktion für andere Kultusbehörden bzw. OER-Anbieter.

Apps& Tools

Die Journalistin Johanna Daher (@JohannaDaher) hatte Ende 2018 eine tolle Idee. Sie stellte im Zeitraum vom 1.12. bis zum 24.12. im sogenannten AdvenTOOLender täglich ein neues Tool vor. Was die Arbeit besonders bemerkenswert und wertvoll macht, ist der unter Ideen, wie du die Online-Tools im Unterricht einsetzen könntest an Lehrkräfte adressierte Blogbeitrag Anfang 2019. Sie schreibt dazu: Wer den AdvenTOOLender verfolgt hat, hat gemerkt, dass alle Beispiele für die Online-Tools auf die journalistische Nutzung in Redaktionen ausgelegt waren. Auf Twitter habe ich aus der Lehrer*innen-Community Feedback bekommen, dass sich diese Online-Tools auch für den Unterricht eignen. Daraufhin habe ich mich beispielhaft mit dem Lehrplan des Landes Sachsen-Anhalt (Gymnasium) beschäftigt und eine Tabelle mit möglichen Unterrichtsideen für die Online-Tools erstellt. (…) Hinter jedem Link verbirgt sich unter anderem eine „Schritt für Schritt“-Anleitung zum selber Umsetzen.
Toll … Übrigens hat Johanna auch Ende 2019 wieder (neue) Tools vorgestellt und mit unterrichtlichen Einsatzideen begleitet …

Selbstevaluation

Der Mathe- Seminarleiter Tim Kantereit (@Herr_Ka_Punkt) hat eine Umfrage bei seinen Schülerinnen und Schülern durchgeführt und die Ergebnisse in seinem Blog vorgestellt. Ich finde es spannend, diese Ergebnisse mit Schülerinnen und Schülern anderer Schulen zu vergleichen und habe dazu eine Limesurvey-Umfrage erstellt.
Wer Interesse hat, die Befragung einmal selbst durchzuführen, einfach per Kontaktformular melden …

Schulentwicklung

Vortrag einer Schulleiterin auf der re:Publica 2019
Maike Schubert (@Makijusaca) leitet eine Reformschule, die auf eine fast 90-jährige Geschichte zurückblickt und sich nun auf den Weg in die digitale Welt befindet. Die Schulleiterin beschreibt in ihrem Vortrag, wie sie diesen (Schulentwicklungs)Prozess anschiebt, dabei digitale Werkzeuge einsetzt und wie aus ihrer Sicht eine “Schule in der digitalen Welt” aussehen kann.

Methodik

Vortrag auf re:Publica 2019 von zwei Lehrerinnen eines Berufskollegs aus Bonn (@utaeichborn, @WalenciaP), die sich in ihren Ausbildungsbetrieben umgehört haben, was dort an digitalen Medien genutzt wird mit dem Ziel, über eine Integration in den eigenen Unterricht nachzudenken. Sie schreiben in ihrer Programmankündigung: Agiles Arbeiten mit Scrum, das ist in vielen Unternehmen die Antwort auf die digitale Transformation. Die beiden Lehrerinnen Uta Eichborn und Petra Walenciak haben dieses Rahmenwerk auf den Unterricht übertragen. Mit einem fächerübergreifenden Unterricht, der selbstgesteuertes und selbstorganisiertes Lernen in den Mittelpunkt stellt, bereiten sie die Schülerinnen und Schüler auf das Leben und Arbeiten in einer digitalisierten Welt vor.

2020: Über den Tellerand schauen

 

Im #twitterlehrerzimmer werden häufig Tweeds mit Links zu Veröffentlichungen über tolle Umsetzungen aus dem Ausland gepostet, wie z.B.:

Ich hatte das Privileg, mir Mitte der 90er Jahre eine „Bildungsexpedition“ organisieren zu können. Meine Eindrücke habe ich seinerzeit im „Handbuch Schulen ans Netz – Berichte aus der Praxis“ veröffentlicht. Ich denke, es lohnt sich auch heute noch – nach mehr als 20 Jahren – im Kapitel 4 meines Beitrags nachzulesen, wie sich Bildungsverantwortliche Kanadas um die Integration digitaler Medien engagiert haben (sic @SliwkaAnne mit Bezug auf Deeper Learning). Wenn man beides zusammen nimmt: Kein Wunder, dass Kanadas Schulen in den Lesekompetenz-Rankings der OECD immer wieder Spitzenplätze einnehmen…

Darüber hinaus konnte ich mit nordamerikanischen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten. Mir begegnete seinerzeit häufig ein „Do it“, „Give it a try“. Ich musste mich erst daran gewöhnen, da ich in meiner damaligen Praxis eine andere Kultur gewohnt war (abwarten, bis eine Direktive „von oben“ kam, bis Fachkonferenzen etwas beschlossen haben, etc.). In den USA wird einfach ausprobiert, nicht immer kritisch, zugegeben, aber immer sich neue Chancen eröffnend. Und: Immer im Team, nie allein…

Meine damalige äußerst positive Erfahrung an die zahlreichen Lehrkräfte weitergegeben, die erstmalig mit den vom Digitalpakt zur Verfügung gestellten Geräten in Kontakt kommen, lautet: Einfach anfangen! Aber wie?

  • Denken Sie über ein (neues?) Lehr- Lernkonzept nach und probieren Sie es aus. Ich selbst habe seinerzeit mit dem Prozessmodell begonnen…
  • Oder, etwas niederschwelliger, weil die eigene Didaktik (aus)nutzend: Erproben Sie das eine oder andere Tool, die eine oder andere App mithilfe des SAMR Modells.
  • Und: Arbeiten Sie kooperativ. Suchen Sie sich eine Kollegin, einen Kollegen, die/der ebenfalls „einsteigen“ möchte und tauschen Sie sich regelmäßig aus.

2020: Leitbildarbeit und Fortbildung angehen

Mit dem Einzug digitaler Medien in die Schule lohnt sich eine Auseinandersetzung mit dem schulischen Leitbild. Dabei gehören Berufsprognosen, vor allem mit Blick auf die wünschenswerten Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt. Das kann über eine Recherche bei den betrieblichen Kooperationspartnern geschehen (Berufsorientierung, Betriebspraktika, Gespräche mit Ausbildungsbetrieben …) oder über eine Auswertung von Berichten und Studien, die über zukünftige Berufe berichten.

Fortbildung ist kein Selbstläufer, schon gar nicht bei der nun ins Berufsleben einsteigenden Generation Z. Schon bei uns älteren Semestern war wenig Bereitschaft vorhanden, Fortbildung in die Freizeit verlagert zu sehen. Daher unterstütze ich Silke Müller (@SilkeWSH) in ihrer Forderung einer Einführung eines – auch vom EuGH angemahnten Systems – einer Arbeitszeiterfassung, das – im Vergleich zu nicht korrigierenden FachkollegInnen – eine faire Abrechnung des Korrekturaufwands bei schriftlichen Klassenarbeiten/ Klausuren leistet, Anrechnungsstunden für Schul- und Unterrichtsentwicklung vorsieht und einen Ausgleich für in der Freizeit stattfindenden Fortbildungen vornimmt.

In diesem Sinne, einen Kollegen zitierend:

 

Viel Erfolg und gutes Gelingen in 2020 (und darüber hinaus)!

Bildnachweis: Grafik von Justo G. Pulido (Bonn). entnommen aus Schulen ans Netz Handbuch – Berichte aus der Praxis