Wie kann ein mediengestützter Unterricht aussehen, den möglichst alle Schülerinnen und Schüler gerne und erfolgreich besuchen – ein Unterricht, der wesentlich dazu beiträgt, Kompetenzen zu erwerben, um die Herausforderungen in Schule, Privat- und Berufsleben verantwortungsvoll zu bewältigen und das Gemeinwesen mitzugestalten?

Die Frage nach dem adäquaten Einsatz neuer Medien stellte sich mir zu Beginn des Schuljahres 2004/2005. Die Erfahrungen bei Schulen ans Netz (SaN e.V.), die vielen Berichte aus den Schulen machten mir damals klar, dass ich mit einem schulbuchorientierten Ansatz nicht sehr weit kommen würde. Als Konsequenz habe ich meinen Unterricht kompetenzorientiert umgestaltet, ein schulinternes Lernmanagementsystem (lo-net2) aufgebaut und je nach Anforderungsprofil mit Apps & Tools ergänzt. Das alles nie im Alleingang, sondern im Sinne der Schulentwicklung immer in Abstimmung mit der Schulleitung, der Steuergruppe und dem pädagogischen Personal. Und langfristig angelegt.

Fast 20 Jahre später …

Ähnlich erging es vielen Lehrkräften während der Corona-Krise. Ermöglicht durch den Digitalpakt wurden in vielen Schulen erhebliche Investitionen angestoßen. Dennoch sind auch Rückschritte zu beobachten. In den skandinavischen Ländern (z.B. Schweden) überlegen die Schulen, wie sie den Digitalisierungsgrad wieder zurückdrehen können. [1]https://www.swr.de/swr2/wissen/swr2-impuls-20231120-1605-01-schweden-viele-schulen-kehren-zurueck-zu-heft-und-buch-102.html

Auch hierzulande macht sich großer Frust breit, wie der nach den Herbstferien abgesetzte Post des sehr engagierten Kollegen Jan Vedder aus Niedersachsen zeigt:

 

Den Kommentaren nach zu urteilen, denken nur vereinzelt Fachschaften darüber nach, wie ein digital gestützter Unterricht gelingen kann?!

Die in meinen Praxisbänden niedergelegten Überlegungen zu Theorie und Praxis gelingender Medienarbeit unterziehe ich nun einem Update. Mit Hilfe von (auch neuen) Publikationen zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und einem – gerade durch die Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz (KI) – veränderten Blick auf gelingende Praxis in Schule und Kommune. Denn mit der Einführung von Werkzeugen rund um KI bahnt sich zweifellos eine Transformation, wenn nicht mehr, an.

In den nächsten fünf Wochen werde ich die Bildungsforschung zu Wort kommen lassen, daraus abgeleitete Unterrichtsmodelle und mögliche Evaluationsdesigns vorstellen sowie Anregungen für die schulische Umsetzung geben. In Anlehnung an die Struktur meiner Praxisbände werde ich dabei

  • in der Unterrichtsentwicklung auf digital gestützte Lehr-Lernkonzepte,
  • bei der Schulentwicklung auf Strategien und Verfahren und
  • auf der Anwendungsseite auf Überlegungen zum adäquaten Einsatz von Apps & Tools

eingehen.

Darüber hinaus plane ich eine ergänzende Plattform (LernMIT), die meine umfangreichen Themenseiten auf eine Art „Kerncurriculum“ reduzieren soll, so wie oben im Bild angedeutet: LernMIT als Kern in der Mitte und die anderen Plattformen darum herum. Als additive Lehr-Lernangebote. Und schließlich biete ich Anfang Januar einen Austausch mit der Möglichkeit zur Vernetzung an. Denn darum geht es mir: Nicht alleine vor den Herausforderungen zu stehen. Sich zu vernetzen. Denn: Caring is sharing.

KI in der Schule

Zuerst rolle ich das Feld von hinten auf, über die Anwendungsseite. Genauer gesagt, über die KI. Denn wie der Post von Jan Vedder schon andeutet, macht sich bei innovativen Lehrerinnen und Lehrern Frustration breit. Andere bleiben eher verunsichert in der Diskussion um KI zurück.

Für einen ersten Einstieg in das Thema, auch um einen gleichen Kenntnisstand bei meinen Lesern zu erreichen, empfehle ich Ihnen zwei Videobeiträge aus der Praxis. Obwohl aus dem universitären Umfeld kommend, plädiert Prof.’in Weßels für eine verbindliche Auseinandersetzung mit dem Thema auch im Rahmen der schulischen Ausbildung und empfiehlt zunächst die Umsetzung von 4A:

  • Aufklären: Fortbildungsveranstaltung organisieren oder besuchen
  • Ausprobieren: Allein und/oder mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich
  • Akzeptieren: Wer denkt: „Auch dieser Kelch geht an mir vorüber“, dem sei gesagt: Dieser definitiv nicht. Die bisherigen Entwicklungen sind unumkehrbar und werden sich rasant fortsetzen.
  • Aktiv: Das eigene Erleben, das Mitdiskutieren, das Einflussnehmen auf die Entwicklungen sorgen für eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema.

Prof.’in Weßels gab kürzlich zum Auftakt eines Themenspecials einen Überblick über die bisherigen Entwicklungen im Bereich des Einsatzes Künstlicher Intelligenz: Welche Themen sind zentral und welche Veränderungen haben sich bereits ergeben?

Die zweite Empfehlung kommt von Hauke Pölert. Er ist Lehrer (Spanisch & Geschichte), Oberstufenkoordinator, Schulentwickler und Fortbildner und geht in seinem ca. 20-minütigen Beitrag auf Fragen rund um ChatGPT & KI in Schule und Unterricht ein. Anlässlich einer Rotary Lehrerpreisverleihung steurte er den Festvortrag zum aktuellen Thema “Wie KI die Schule verändern kann” bei. Es sind kleine Einblicke in ein großes Thema, die dennoch einen Überblick über den aktuellen Stand der Dinge in Schule und Unterricht geben.

 

Die KI-Expertin Prof. Dr. Doris Weßels (FH Kiel) gibt einen Überblick über die bisherigen Entwicklungen im Bereich des Einsatzes Künstlicher Intelligenz in der Hochschullehre: Welche Themen sind zentral und welche Veränderungen hat es bereits gegeben? (YT ab ca. 6:00)

Beim im Video als „custom ChatGPT“ (aka Lernbot) vorgestellten Tool handelt es sich um Poe

 

20-minütigen Beitrag auf Fragen zum aktuellen Thema “Wie KI die Schule verändern kann” beisteuern. Es sind kleine Einblicke in ein großes Thema, die dennoch einen Überblick über den aktuellen Stand der Dinge in Schule und Unterricht geben. Vorgestellte Tools:

Und noch eine dritte Empfehlung, auch um deutlich zu machen: KI ist viel mehr als ChatGPT & Co. Und auch, um die Perspektive zu wechseln: Wie schätzen Schülerinnen und Schüler das Potenzial ein und vor allem: Wie nutzen sie es tatsächlich? Aus aktuellem Anlass empfehle ich den Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz 2023. Sie werden viele kreative, motivierte und natürlich glückliche und jubelnde Jugendliche „treffen“:

 

 

Und ja, hier wird sich eine neue ✂️ entwickeln, wenn die Kultusministerien und Schulträger nicht gegensteuern. Denn die in den Videos angedeuteten Möglichkeiten gibt es nicht zum Nulltarif. Immerhin: Die Kultusministerien von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ermöglichen ihren Schulen den kostenlosen Zugang. Andere Schulen sind derzeit auf Mäzene, Spender und Fördervereine angewiesen.

LernMIT aus Sicht der KI

Auch ich werde die KI-Tools von Zeit zu Zeit nutzen, entweder selbst oder über andere Kolleginnen und Kollegen. Tim Kantereit, bekannt von Edutwitter, hat ChatGPT/Dalle gefragt, was den traditionellen Unterricht vom modernen Unterricht unterscheidet. Hier das Ergebnis:

Noch einmal zum Verständnis: Generative KIs entwickeln ihre Darstellungsleistung auf der Basis der ihnen zur Verfügung stehenden Daten, d.h. wie digitaler Unterricht in der Öffentlichkeit, in online zugänglichen Publikationen, in Blogbeiträgen und vor allem in den sozialen Medien dargestellt wird. Offensichtlich wird digitaler Unterricht in der Öffentlichkeit als „traditionell + Computer“ wahrgenommen.

Eine Modifikation von Jan (@hartificial.de), die mit Hilfe bestimmter Prompts generiert wurde, zeigt, wie die „Sichtweisen“ von Bots verändert werden können. Er schreibt dazu: Ich habe auch schon festgestellt, dass KI eine Tendenz zum Frontalunterricht hat. Es ist aber auch eine Frage des Prompts/der Konversation. ChatGPT kann das auch besser. Und hier ist das Ergebnis:

Noch einmal zurück zum Ausgangspost von Jan Vedder. Anna Do hat einmal auf Bluesky reingehört

Spiegel-Online berichtet heute über eine Auswertung des KI-Anbieters Fobizz. Demnach wird das Tool nach einer Analyse von 25.000 (!!) virtuellen Klassenzimmern im Deutschunterricht (25 Prozent) eingesetzt, gefolgt von Englisch (13 Prozent), Biologie (11), Sozialkunde (10) und Geschichte (9 Prozent). In Deutsch unterstützt KI laut Fobizz vor allem beim Schreiben von Aufsätzen, macht Verbesserungs- oder Interpretationsvorschläge oder hilft beim Verstehen von Metaphern. Insgesamt zeigt sich, dass KI-Tools häufig für unterstützende Aufgaben wie das Generieren oder Beantworten von Fragen oder das Bearbeiten von Texten und Bildern eingesetzt werden. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer der Fobizz-KI-Assistenz sind mit 30 Prozent an Gymnasien zu finden, ein Fünftel kommt aus der beruflichen Weiterbildung, zwölf Prozent entfallen auf Gesamtschulen, acht Prozent auf Grundschulen. Bisher nutzen vor allem technikaffine Lehrkräfte das Angebot. Zunehmend werden aber auch andere Lehrkräfte erreicht, da sie spürbar entlastet werden.[2]https://www.spiegel.de/panorama/bildung/chatgpt-im-unterricht-so-nutzen-lehrkraefte-die-ki-a-10669546-a1a0-49d1-915b-27beae9962fc

Reflexionsfragen:

  • Wo und wie sehen Sie sich in Bezug auf den Technologieeinsatz im Allgemeinen (LernMIT) und KI in der Schule im Besonderen?
  •  Welche Einstellung hat die überwiegende Mehrheit Ihres Kollegiums, bzgl. LernMIT und KI in der Schule?

Nächste Woche geht es weiter. Wie angekündigt mit der Einbeziehung evidenzbasierter Ergebnisse. Zunächst stelle ich einige Überlegungen von Prof. Zierer (Hattie 2.0, 2023) und Prof. em. Rolff (Komprehensive Bildungsreform, 2023) vor, leite über zu einem universitären Lehr-Lernkonzept, das sich in der universitären Lehre immer mehr verbreitet: Constructive Alignment. Dieses Modell wird uns in modifizierter Form wieder begegnen, wenn ich anschließend auf mögliche schulische Lehr-Lernkonzepte eingehe.

 

… Stay tuned …