Anlass für ein Update ist ein Aufruf zur Blogparade #5: Warum ein Bildungsblog?

Nun, ich setze mich seit Jahren für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht ein. Angefangen mit meiner Arbeit bei Schulen ans Netz e.V. (1996-2001), fortgesetzt in meiner Fortbildungstätigkeit im Rahmen von SiNUS und KUMN. Hier habe ich mich vor allem mit der digitalen Transformation im Mathematikunterricht (MU) beschäftigt. Später, kurz vor meiner Pensionierung, habe ich dann begonnen, meine vier Praxisbände zu schreiben. Die waren von Anfang an mit dieser Plattform schule digital verbunden. Eben weil alles im Fluss ist. Damals konnte noch niemand ahnen, wie sehr, denn jetzt sorgen ChapGPT & Co. für eine – zumindest aus meiner Sicht – Revolution. Und über diese (Veränderungs-)Prozesse zu berichten, ist mir ein Anliegen, so auch diesmal.

Steigen wir ein. Aktuell treibt mich diese Darstellung um:

 

 

Sie zeigt einen geradezu dramatischen Rückgang der Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler seit 2012. Ich schreibe – nicht evidenzbasiert – unserer Arbeit in SiNUS (eBook als Open Access verfügbar) und KUMN eine Mitursache für die Verbesserung zwischen 2003 – 2012 zu. Es lohnt sich also, einen Blick auf diesen Zeitraum und die darauf aufbauenden Arbeiten zu werfen. Es kommen Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktiker zu Wort, die den MU nicht nur analysiert, sondern – und das ist sehr lobenswert – auch praktische Beiträge entwickelt haben. Viele Unterrichtsmaterialien sind sofort einsetzbar, andere dienen als Anregung oder benötigen Vorbereitungszeit.

Seit PISA (2001) wird der Notwendigkeit einer Kompetenzorientierung das Wort geredet. In Aus- und Fortbildungen der Mathematiklehrkräfte wird hervorgehoben, dass sich laut Wittmann1 ein guter Mathematikunterricht primär ausrichtet an

  • der Ausweisung der Lernziele
  • einem entdeckenden Lernen als Unterrichtsprinzip
  • der Forderung nach Anwendungs- und Strukturorientierung mit expliziten Verweisen auf arithmetische und geometrische Muster
  • der Forderung nach produktivem Üben

In einer Studie zum Mathematikunterricht im 9. Jahrgang schließen die beiden Autorinnen Rjosk und Henschel einen Beitrag mit folgenden Fazit ab2:

Insgesamt weisen die Ergebnisse in Übereinstimmung mit früheren Studien darauf hin, dass der Lernerfolg weniger damit zusammenhängt, wie Lehrkräfte das Lernen im Unterricht organisieren, also welche Lern- und Organisationsformen oder Methoden sie einsetzen. Wichtiger ist vielmehr, wie gut Schülerinnen und Schüler dazu angeregt werden, sich intensiv mit dem Unterrichtsthema auseinanderzusetzen und wie sehr sich die Jugendlichen konstruktiv unterstützt und ernst genommen fühlen. 

Welche digital unterstützte Methoden bieten sich hier an?  Am Beispiel der Bruchrechung befasst sich der erste Vorschlag mit der Einführung eines neuen (OER)-Lehrbuchs, der zweite mit der Nutzung eines Web-Tools, auch zum Zwecke einer ersten Diagnostik:

  • Bruchrechnen – Bruchzahlen & Bruchteile greifen und begreifen, ein neuartiges Lehr- und Lernbuch zum Selbstlernen und zur Benutzung im Schulunterricht (TU München). Das Buch gibt es auch in einer E-Book-Variante, allerdings nur für die iOS-Welt. Ein User “smoothlobster” hat das Buch unter der Überschrift „Da steckt wirklich was dahinter“ wie folgt rezensiert: Das Buch macht nicht nur Spaß, man merkt auch, dass die Inhalte wirklich sinnvoll und didaktisch aufgearbeitet wurden. Nicht einfach nur stumpfes Üben mit bunten Bildchen, sondern Lernen mit System. Auf solche Schulbücher habe ich lange gewartet!

Update (07.06.2021): Evaluation

  • Unterstützung aus Digitalien kann möglicherweise die App Anton geben. Sie ist in der Primarstufe sehr beliebt und die Anbieter haben ihr Angebot nun auch auf Sekundarstufe 1 ausgeweitet, sowohl für das Fach Deutsch als auch für das Fach Mathematik. Vieles aus dem Lehrplan findet sich hier wieder, z. B. Bruchrechnung. Man wird sich anfangs dazu setzen müssen. Zum einen, um zu verstehen, wie die Schülerinnen und Schüler (SuS) das Kalkül (falsch) anwenden. Zum anderen, um die SuS im Umgang mit dem Tool zu begleiten. Die Tipps sind – so meine Vermutung – nicht immer für die SuS verständlich genug geraten.

Da wir uns gerade in der Mittelstufe (Sek. I) bewegen, hier noch weitere Beispiele:

  • Längenmaße greifbar machen. Wie gut schätzen Kinder Distanzen ein?  Ein Unterrichtsprojekt aus Österreich unter Nutzung von iPads (Maßband, Keynote) . Was gefällt mir daran?
    • Geeignet für einen fächerübergreifenden Ansatz (Mathematik, Sachunterricht)
    • Protokoll eines Stundenablaufs
    • Aufträge für stärkere SuS möglich (durch herausfordernde Fragestellungen, z.B. Messung größerer Distanzen)
    • Sehr praxisnah

Kosima ist ein langfristig angelegtes Forschungs- und Entwicklungsprojekt für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I. Im Projekt werden vielfältige Aspekte von mathematischen Lernprozessen in sinnstiftenden Kontexten untersucht. Dabei werden Schritte der Entwicklung- und Erforschung von Lernarrangements, der Fortbildung und Auswertung eng aneinander gekoppelt und die Arbeit aller entscheidenden Partner eng miteinander verzahnt. Hochschule, Schulbuchverlag (Cornelsen) und Lehrkräfte aus der Praxis befassen sich mit der Entwicklung und Untersuchung von Lernarrangements.

  • Das Wohnungsprojekt, ein Unterrichtsprojekt von Jan Vedder mit seinem Fazit:
    Die größte Stärke des Wohnungsprojekts besteht für mich darin, dass die Lernenden sich die Lernschritte möglichst eigenständig erschließen, das Erlernte anwenden & teilen sowie ihr eigenes Lernen planen und reflektieren. Der Prozess des Lernens und der Lernorganisation liegt bei den Schüler*innen selbst. Mit der verbundenen authentischen Lernsituation und einem ‘echtem’ Lerninteresse (Wieviel Farbe brauche ich denn nun?) werden mathematische Themen für die Lernenden relevant. Diese Ausgangslage ließe sich auch fächerübergreifend ausbauen. (…) So ließen sich in dieses Projekt einfach und unkompliziert Fachaspekte aus den Fächern Deutsch (Expose schreiben und layouten), Chemie (Farben herstellen), Wirtschaft und Politik (Wohnungsmarkt, Versicherungen, Mietpreise etc.), Erdkunde (urbane Lebensräume u.a.), Kunst (Modellbau, 3D-Druck der Wohnungen), Werken (Möbelbau) und vielerlei mehr integrieren und zu einem großen Ganzen mit reziproken Bezügen verschmelzen.

Ich habe ein Edubreakout zum Hauptthema „schriftliches Multiplizieren“ mit zweistelligen Zahlen erstellt und bewusst auch andere Aufgaben mit eingebaut. Texte und Aufgaben mit Schülern getestet und überarbeitet. Eine Text-2-Speech-Audio habe ich von @kits_blog erstellen lassen.

Die Unterrichtsreihe steht unter den Leitgedanken von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Das heißt, sie soll einen Beitrag dazu leisten, dass die Jugendlichen an einer sozial gerechten, wirtschaftlich erfolgreichen, ökologisch verträglichen, kulturell vielfältigen und demokratischen gesellschaftliche Entwicklung mitwirken können, um dieser wie den nachfolgenden Generationen ein chancengerechtes und selbstbestimmtes Leben in Frieden zu ermöglichen. Im Rahmen der Unterrichtsreihe können die Jugendlichen, hierfür notwendige mathematische und überfachliche Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben.

In dieser Ausgabe können Lehrkräfte die fünf QuaMath-Kernprinzipien für qualitätsvollen Mathematikunterricht kennenlernen. Diese Prinzipien dienen als solide Basis, um in verschiedensten Lehrsituationen, über diverse Inhaltsbereiche, Schuljahre und Leistungsniveaus hinweg, fundierte didaktische Entscheidungen zu treffen. Es wird gezeigt, wie eine konsequente Anwendung der Prinzipien den Weg zu einem besseren Unterricht ebnen kann, um täglich die Qualität des Mathematikunterrichts zu steigern.

DZLM: ÜBER DIE MATHE SICHER KÖNNEN DIAGNOSE- UND FÖRDERMATERIALIEN

Bevor ich gleich auf die Oberstufe überleite, hier noch ein Angebot für die Primarstufe:

  • PIKAS (Prozessbezogene und Inhaltsbezogene Kompetenzen durch die Anregung fachbezogener Schulentwicklung) ist ein Angebot des Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik (Kooperationsprojekt der TU Dortmund und Uni Münster). Im Projekt PIKAS werden Materialien zur Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts in der Primarstufe erarbeitet. Es geht sowohl darum, Basiskompetenzen zu sichern, als auch darum, Problemlösefähigkeiten zu entwickeln. Mathematikunterricht soll die prozessbezogenen Kompetenzen und die inhaltsbezogenen Komptenzen der Lernenden entwickeln. Zehn Doppelhaushälften bieten Ihnen dort forschungsbasierte, praxiserprobte Materialien und Konzeptionen zur Umsetzung guten Mathematikunterrichts mit Videos, Handreichungen, Links und vielem mehr.

MU in der gymnasialen Oberstufe: Kompetenzmodell

Ich will nicht verheimlichen, dass die Entscheidung der Länder nach dem PISA-Schock Bildungsstandards einzuführen, kritisch gesehen wird (siehe “Brandbrief“). Gleichwohl gibt es eine in etwa gleichstarke Professorinnen- und Professorengruppe, die die Kritik zurückweisen. Gilbert Greefrath, Didaktikprofessor in Münster und Mitunterzeichner des Briefs3:

Es gibt ein Problem bei den Mathematikfähigkeiten, da sind wir uns einig. Die Frage ist aber, ob die Bildungsstandards Teil des Problems sind oder Teil der Lösung. Der Unterricht hat sich durch die Standards bereits positiv verändert. Die Kompetenzorientierung sorgt dafür, dass die Schüler gerade nicht – wie noch in den neunziger Jahren üblich – Fertigkeiten abspulen, ohne die Inhalte zu verstehen. Der Einfluss der Bildungsstandards hat aber auch Grenzen. So könnten etwa Prüfungsaufgaben im Abitur bestimmte in den Standards verlangte Kompetenzen nicht so gut abrufen, wie es im Unterricht möglich ist, etwa die in den Bildungsstandards verlangte Kompetenz „Mathematisches Kommunizieren.“

Was nun genau fordert die Kultusministerkonferenz (KMK) beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe (Sek. II)4:

Bildungstheoretische Grundlagen des Mathematikunterrichts sind der Allgemeinbildungsauftrag wie auch die Anwendungsorientierung des Unterrichtsfaches Mathematik. Demnach wird Mathematikunterricht durch drei Grunderfahrungen geprägt, die jeder Schülerin und jedem Schüler vermittelt werden müssen:

  • Mathematik als Werkzeug, um Erscheinungen der Welt aus Natur, Gesellschaft, Kultur, Beruf und Arbeit in einer spezifischen Weise wahrzunehmen und zu verstehen,
  • Mathematik als geistige Schöpfung und auch deduktiv geordnete Welt eigener Art,
  • Mathematik als Mittel zum Erwerb von auch über die Mathematik hinausgehenden, insbesondere heuristischen Fähigkeiten

Die Kompetenzbereiche haben folgende Struktur5:

Und weiter heißt es (u.a.):

Die allgemeinen mathematischen Kompetenzen werden von den Lernenden nur in der aktiven Auseinandersetzung mit Fachinhalten erworben. Dabei beschreiben die drei Anforderungsbereiche unterschiedliche kognitive Ansprüche von kompetenzbezogenen mathematischen Aktivitäten. Die allgemeinen mathematischen Kompetenzen manifestieren sich in jedem einzelnen mathematischen Inhalt, d. h. allgemeine mathematische Kompetenzen und Inhalte sind untrennbar miteinander verknüpft (in der Abbildung durch ein Raster angedeutet). Man wird erst dann vom hinreichenden Erwerb einer allgemeinen mathematischen Kompetenz sprechen, wenn diese an ganz unterschiedlichen Leitideen in allen drei Anforderungsbereichen erfolgreich eingesetzt werden kann.

Für den Erwerb der Kompetenzen ist im Unterricht auf eine Vernetzung der Inhalte der Mathematik untereinander ebenso zu achten wie auf eine Vernetzung mit anderen Fächern. Aufgaben mit Anwendungen aus der Lebenswelt haben die gleiche Wichtigkeit und Wertigkeit wie innermathematische Aufgaben.

Die Entwicklung mathematischer Kompetenzen wird durch den sinnvollen Einsatz digitaler Mathematikwerkzeuge unterstützt. Das Potenzial dieser Werkzeuge entfaltet sich im Mathematikunterricht

  • beim Entdecken mathematischer Zusammenhänge, insbesondere durch interaktive Erkundungen beim Modellieren und Problemlösen,
  • durch Verständnisförderung für mathematische Zusammenhänge, nicht zuletzt mittels vielfältiger Darstellungsmöglichkeiten,
  • mit der Reduktion schematischer Abläufe und der Verarbeitung größerer Datenmengen,
  • durch die Unterstützung individueller Präferenzen und Zugänge beim Bearbeiten von Aufgaben einschließlich der reflektierten Nutzung von Kontrollmöglichkeiten.

MU digital: Aus Sicht der Bildungsforschung ...

Im Fach Mathematik bestehen riesige Chancen, durch einen guten Medieneinsatz die grundlegenden Werkzeuge und Techniken für mathematische Anwendungen beherrschen zu lernen. (…) Mathematische Zusammenhänge lassen sich mit dem Computer visualisieren. Man findet sie heutzutage auch schon oft in visueller Form, und deshalb muss man lernen, damit umzugehen.6

Timo Leuders

Prorektor für Forschung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg

Ergebnisse einer Metaanalyse zeigen, dass Schülerinnen und Schüler im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht vom Einsatz digitaler Medien profitieren können. Insbesondere deuten sich folgende Implikationen für den MINT-Unterricht an:7

  • Digitale Medien haben im MINT-Unterricht einen größeren positiven Einfluss auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, wenn sie ergänzend zu traditionellen Unterrichtseinheiten eingesetzt werden als wenn sie diese ersetzen.
  • Der Einsatz digitaler Medien scheint erfolgreicher zu sein, wenn Schülerinnen und Schüler in Paaren und nicht alleine mit den Geräten arbeiten.
  • Wirken Lehrerinnen und Lehrer während der Arbeit mit digitalen Medien unterstützend, deutet sich ein größerer positiver Effekt an als wenn die Schülerinnen und Schüler ohne Hilfestellung arbeiten müssen.
  • Es deutet sich an, dass der sog. „Neuheitseffekt“ sich auch in der Leistung der Schülerinnen und Schüler bemerkbar macht: Kürzere Unterrichtssequenzen mit digitalen Medien haben einen größeren positiven Effekt als längere Sequenzen.
  • Es zeigt sich, dass Schülerinnen und Schüler von einer Ausbildung ihrer Lehrkräfte an den konkreten digitalen Geräten und der im Unterricht benutzten Software direkt profitieren können.
  • Der positive Einfluss digitaler Medien zeigt sich verstärkt, wenn die Schülerinnen und Schüler selbst an den Geräten und mit den Programmen arbeiten und diese nicht nur von den Lehrerinnen und Lehrern vorgeführt werden.

Hilfreich der kritische Blick von Markus Hohenwarter8:

Die Meinung, dass sich allein durch die Einführung neuer Technologien wie grafikfähiger Taschenrechner und Computer der Mathematikunterricht verbessern würde, ist aus heutiger Sicht sicherlich verfehlt. Die Hoffnung, dass neue Medien Lernerfolge schlagartig erhöhen können, hat es auch früher schon gegeben – sie war stets vergebens. So haben zahlreiche Medien-Vergleichsstudien der letzten Jahrzehnte gezeigt, dass Lernerfolge de facto unabhängig vom verwendeten Medium sind. Die Medien haben an sich nur eine untergeordnete Bedeutung. Primär wichtig sind die an ihnen ausgeführten Aktivitäten. Medien, die nicht „bearbeitet“, sondern nur betrachtet werden können, haben daher nur sehr beschränkten Wert.

Kürzlich wurden auf einem Kolloquium in Kaiserslautern Ideen zum Thema “Funktionales Denken zielgerichtet fördern – Der Beitrag von Grundvorstellungen und digitalen Lernumgebungen” vorgestellt. Die Präsenationsfolien 

enthalten eine Reihe von weiteren Literaturhinweisen.

Apropos Literaturhinweise: Hier noch ein Buch- und Linktipp:

Und, abschließendes Resumee von Rainer Känders9:

In jedem Einzelfall müssen wir als Lehrerinnen und Lehrer mit unserem gesamten Fachverstand schauen, was ein digitales Hilfsmittel zur Begriffsentwicklung beitragen kann. Werkzeuge haben keinen Wert an sich. Mathematikunterricht beschäftigt sich mit der Entwicklung begrifflicher Systeme: Erst lokal, dann global und dazu gehören Explorieren, Entdecken, Raten, Analogisieren, Begründen, Beweisen, Ordnen, Exemplarizität, klärende Beispiele, gute Probleme, usw. Ab und zu ist GeoGebra oder vergleichbare Software hilfreich dabei. Zudem macht es Spaß und ist daher … eine der schönsten Nebensachen der Welt!

MU digital: ... Beispiele ...

Für den Mathematikunterricht der GOS gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen.

Marc Siemering fasst seine Erfahrung so zusammen:

Heute habe ich das Skalarprodukt mit einer GeoGebra-Aktivität im Unterricht eingeführt. Durch Ausprobieren entdeckten die Schüler:innen verschiedene Eigenschaften des Skalarproduktes. Die Aktivität führte zu einer hohen kognitiven Aktivierung.

Hier ein paar Antworten der Lernenden:

    • Auftrag: Notiere, was passiert, wenn die Repräsentanten der Vektoren 𝑎 und 𝑏 parallel zueinander sind.
      Antwort: “Sind die Vektoren 𝑎 und 𝑏 parallel zueinander, dann kann man das Skalarprodukt durch Multiplikation der Beträge berechnen.”

    • Auftrag: Wie kann man einen der beiden Vektoren ändern, ohne dass sich das Skalarprodukt von 𝑎 und 𝑏 ändert? Notiere deine Vorgehensweise.
      Antwort: “Das Skalarprodukt verändert sich nicht, wenn man einen oder beide Vektoren verschiebt. Eine weitere Variante wäre bei einem 90-Grad-Winkel: Ist dieser vorhanden, so ist die Länge der Vektoren veränderbar, ohne dass sich das Skalarprodukt verändert.”

Weitere Unterrichtsbeispiele enthält der Band Norbert Noster, Hans-Georg Weigand (Hrsg.): Mathematische Erkundungen – Praxiserprobte Unterrichtseinheiten mit digitalen Werkzeugen – 

Aus dem Vorwort: In vielen Beiträgen dieses Buches werden Unterrichtssequenzen zur Einführung eines neuen Begriffs beschrieben, wie zum Beispiel der Signifikanztests (S. 39) oder die irrationalen Zahlen (S. 23). Allerdings verbirgt sich hinter mathematischen Erkundungen unserer Ansicht nach weit mehr. So erhält das Erkunden spezieller Eigenschaften eines Begriffs eine eigene Kategorie. Dazu gehört neben der Untersuchung der Auswirkungen von Parametern auf die Binomialverteilung (S. 70) auch die Bestimmung der Kreiszahl π (S. 85). Weiterhin ist das Erkunden der Beziehungen eines Begriffs zu einem anderen Begriff wichtig, wenn es etwa darum geht, Funktionsterme mit Schaubildern in Beziehung zu setzen (S. 97) oder das exponentielle Wachstum in Abgrenzung zum linearen Wachstum zu betrachten (S. 139). Eine weitere bedeutende Kategorie stellt das Erkunden der Beziehung von Begriffen zur Umwelt dar. So kann die Frage nach der Dauer des Ladevorgangs des Akkus eines mobilen Telefons untersucht werden (S. 151), oder es kann erkundet werden, was elliptische Kurven sind und wie mittels dieser Nachrichten verschlüsselt werden können (S. 161). 

Und, nicht ganz unwichtig für uns Mathe-Lehrkräfte: Die Autoren haben Lösungsideen skizziert. Die CAS Befehle stammen aus der Casio-Systemwelt. Das ist opportun, wie ich finde, schließlich finanziert die Firma das Projekt MaLeNe (Mathematik-Lehr-Netzwerk). Im Übrigen ähneln viele Befehle denen der Geogebra- und TI-Systeme.

Apropos CAS: Janina Brüggemann hat via der sozialen Netzwerke Material für den CAS-Unterricht in der Sek.I/II gesucht. Sehr aufwendig recherchiert und in einer TC zusammengestellt💪😎:

 

KI im MU

Seit einem Jahr probiere ich jetzt KI im Unterricht aus, manchmal hemdsärmlig, oft habe ich aber auch einen konkreten Plan, was ich damit bezwecken will. Denn tatsächlich hilft mir die Praxis des Flipped Classrooms ganz leicht, KI sinnvoll im Unterricht einzusetzen. 

Im Vortrag wird der Frage nachgegangen, welche Rolle KI-Sprachassistenten wie ChatGPT als Ergänzung zu traditionellen Werkzeugen wie Taschenrechnern, Tabellenkalkulationsprogrammen, dynamischer Geometriesoftware und Computeralgebrasystemen im Mathematikunterricht spielen können. Der Fokus liegt dabei auf dem Austausch und der Reflexion über den Einsatz von KI-Assistenten in der Mathematik mit dem Ziel, neue Impulse für die Gestaltung von Mathematikunterricht zu setzen.

    Animiertes Erklärvideo, interaktives Quiz oder Virtual-Reality-Umgebung? Digitale Medien im Unterricht effektiv einzusetzen, will gelernt sein! Teilnehmerin Franziska Siegrist erzählt, warum sie sich für den CAS-Lehrgang entschieden hat, und was sie bereits gelernt hat. Ein Video zu produzieren, zum Beispiel.

    Das Argumentieren ist als eine der prozessbezogenen Kompetenzen für den Mathematikunterricht von zentraler Bedeutung. Eine Schwierigkeit stellt dabei im Unterricht häufig die Präsentation und Besprechung der Ergebnisse dar. Aus zeitlichen Gründen können im Unterricht oft nur wenige (schriftliche) Argumentationen ausführlich besprochen werden. Oft wünschen sich aber alle Schüler*innen ein Feedback. Eine unlösbare Schwierigkeit?

    Und zum Schluss noch eine weitere Ideengeberin zu SiNUS und KUMN: Prof. Regina Bruder (em.). Christoph Kob hat sich um eine Anpassung auf ChatGPT-Ebene gekümmert:

    Schlussbemerkung

    Es macht viel Sinn, die Ausflüge in die digitale Welt mit einem Medienkonzept zu begleiten, denn sonst läuft man Gefahr, dass lehrkraftabhängig die eine Lerngruppe die oben vorgestellten Unterrichtsbeispiele kennenlernt, und die andere eben nicht. Bärbel Barzel hat sich dazu im Rahmen eines Vortrags einige Gedanken gemacht. Auch hier gilt: Es werden Ideen vorgestellt, die fachschaftsindividuell diskutiert gehören. Der Verdienst der Kollegin liegt ganz sicher darin, dass wir nicht bei null anfangen müssen …

    Ausblick

    Eine Leitidee scheint fast ausgeklammert: Daten und Zufall. Da dieser Bereich (leider) immer noch sehr am Rande behandelt wird, widme ich diesem Thema in der nächsten Ausgabe einen eigenen Blogbeitrag.

     

    … stay tuned …

     

    Bildnachweis: Oberholster Venita by pixabay

    Footnotes

    1. https://www.mathe2000.de/sites/default/files/Was-ist-Mathematik-gek.pdf
    2. https://deutsches-schulportal.de/stimmen/mathematikunterricht-auf-das-vertiefte-lernen-kommt-es-an/
    3. https://www.tagesspiegel.de/wissen/streit-um-den-matheunterricht-mathe-richtig-durchdringen/19593046.html
    4. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_10_18-Bildungsstandards-Mathe-Abi.pdf, S. 11/
    5. ebda, S. 12/
    6. https://www.telekom-stiftung.de/themen/mathematik-der-digitalisierten-welt
    7. Reinhold, F., Hoch, S., Werner, B., Richter-Gebert, J., Reiss, K. (2018). Einsatz digitaler Medien im Mathematikunterricht. Workshop Mathematik (Deutsche Version). München: Technische Universität München. doi:10.14459/2018md1462083
    8. Hohenwarter, M. (2006): GeoGebra – didaktische Materialien und Anwendungen für den
      Mathematikunterricht. Dissertation, Paris-Lodron-Universität Salzburg.
    9. https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/37443/1/BzMU18_KAENDERS_Kurven.pdf.