Feedback
Feedback kann nur wirksam werden, wenn Lehrende und Lernende sich gemeinsam für das Lernen und die Gestaltung von Lernarrangements verantwortlich fühlen – wobei jede Seite ihre je eigene Aufgabe hat. Diese Haltung ist kein Selbstläufer – daran muss immer wieder gearbeitet werden bei Lehrenden und bei Lernenden.1
Beispiel aus der Praxis
Die IGS List in Hannover unterstützt ihre Schülerinnen und Schüler gezielt dabei, sich diese Kompetenzen anzueignen. Dies geschieht insbesondere durch eine ausgeprägte Feedbackkultur, die sich über verschiedene Bereiche erstreckt. So erhalten alle Schülerinnen und Schüler in allen Fächern von den Lehrkräften sowie den Mitschülerinnen und Mitschülern in systematischer Form ein lernförderliches Feedback zu ihrem aktuellen Lernstand und zum Arbeits- wie Sozialverhalten. Die verschiedenen Fachteams entwickelten für ihre Fächer unterschiedliche Feedbackinstrumente, die kontinuierlich überprüft und – wenn nötig – verbessert werden. Beispiele dafür sind spezielle Feedbackbögen, Rückmeldungen durch Videoanalysen sowie Tests, die Schülerinnen und Schülern gegenseitig korrigieren. Ein fester Bestandteil des Feedbacks ist immer die Selbsteinschätzung, die anschließend mit der Fremdeinschätzung verglichen wird und so einen guten Gesprächsanlass bietet.
Warum sich überhaupt ein Feedback einholen?
Experimentell nachgewiesen ist, dass Fremd- und Selbstwahrnehmung häufig auseinanderliegen. Auch mir ging es in meinen ersten Gehversuchen im Umgang mit diesem Instrument so:
Ich hatte Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 5 und 12 gebeten, mir eine Rückmeldung zu meinem Unterricht zu geben. An einigen Stellen, z. B. individuelle Förderung lagen meine eigenen Einschätzungen und die der Schülerinnen und Schüler weit auseinander.
Die Verhaltens- bzw. Aktionsmuster, die anderen Personen bekannt sind, mir aber nicht, nennt man in der Sozialpsychologie “blinde Flecken“. Feedbackverfahren helfen, diese Unterschiede aufzudecken.
Gut belegt ist, dass das Einholen von Feedback zu einer Steigerung der Unterrichtsqualität führt.
Für mich hat es sich gelohnt, meine Lerngruppen zu bitten, mir eine Rückmeldung zu den Zielen, Inhalten, Methoden und zur Verfügung gestellte Zeit zu geben. In dem nach der Auswertung der Befragung durchgeführten Gespräch erläuterten mir die Feedbackgeber die qualitativen Unterschiede und machten Vorschläge, wie sie sich besser unterstützt sehen könnten.
Die Feedbackgabe trägt zur Lehrergesundheit bei. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 haben Enns und andere nachgewiesen, dass Lehrkräfte, die regelmäßig eine Rückmeldung zur Berufspraxis (Unterricht, Schulleben, Binnenverhältnisse) einholen,
- das Gefühl haben, als Lehrkraft bestärkt zu werden,
- an Sicherheit gewinnen (wichtig vor allem für junge Lehrkräfte)
- eigene Schwachpunkte relativieren,
- Offenheit und Sensibilität entwickeln,
- ihre Arbeitszufriedenheit erhöhen,
- Stressfaktoren abbauen und
- von Anerkennung und Bestärkung profitieren
Ich selbst habe das einmal mit dem Instrument “Warme Dusche” erlebt, als mir meine Kolleginnen und Kollegen mich – settingsbedingt – ausschließlich positiv beschrieben haben…war eine unglaublich positive Erfahrung, weil man seine Stärken genannt bekommt, die mich dazu motiviert haben, dies in Zukunft zu verstärken. Ein Blogbeitrag einer Lehrerin beschreibt das Verfahren im multikuturellen Unterrichtsgeschehen, sehr lesenswert…
Einführung Feedbackkultur im P D C A - Modell
Das PDCA- Modell2 bezieht sich auf ein Feedback, das Lehrer/innen von Schüler/innen einholen, um ihr berufliches Handeln zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Im Kern geht es bei dieser Form des Feedbacks um die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung der Lehr-/Lernprozesse bzw. des Unterrichts.
Feedback planen, Ziele klären
Am Beginn eines Feedbackprozesses stehen die Wahl eines Themas, zu dem die Lehrkraft gerne Rückmeldungen haben möchte, sowie die Auswahl einer geeigneten Methode bzw. eines Feedbackinstruments. Es gibt im Bereich Unterricht bzw. Lehr-Lernprozesse viele verschiedene Themen, auf die sich ein Feedback beziehen kann, z.B.
- Welche Lehr- und Lernformen sprechen die Schüler/innen an und welche nicht?
- Wie zufrieden sind die Schüler/innen mit der heutigen Unterrichtseinheit?
- Warum gibt es in einer ganz bestimmten Klasse immer wieder Unzufriedenheit in Bezug auf den Unterricht?
- Wie kann ich Schüler/innen zu mehr Selbstverantwortung im Hinblick auf ihr eigenes Lernen motivieren?
- Welche Kompetenzen haben die Schüler/innen erworben?
Passend zur Fragestellung für das Schüler/innenfeedback gilt es dann, ein Feedbackinstrument auszuwählen. Folgende Aspekte sind (u. a.) bei der Auswahl zu bedenken:
- Passt das gewählte Instrument zu meiner Fragestellung?
- Passt das Instrument zur Schüler/innengruppe, die ich befragen möchte?
- Kann ein bestehendes Instrument verwendet werden? Kann ein bestehendes Instrument für meine Fragestellung angepasst werden? Überlege ich mir ein neues Instrument?
- Welche Instrumente wurden bei der befragten Schüler/innengruppe von mir oder von anderen Lehrkräften bereits eingesetzt? (Vermeidung des Einsatzes von immer denselben Instrumenten)
Feedback durchführen und Daten erheben
- Es ist wichtig zu überlegen, wann das Feedback durchgeführt wird. Wenn ein Feedback z. B. am Ende eines Schuljahres durchgeführt wird, kann das zur Folge haben, dass die Lehrkraft den Unterricht für die befragte Klasse gar nicht mehr verbessern kann. Andererseits können solche „summativen Feedbacks“ (Feedbacks am Ende eines Prozesses) auch sehr zweckmäßig sein, wenn es z. B. um die Gesamteinschätzung eines ganzen Schuljahres geht.
- Die Schüler/innen sollten darüber informiert werden, warum das Feedback durchgeführt wird und was mit den Ergebnissen passiert.
- Manchmal kann es sinnvoll sein, Schüler/innen die Möglichkeit zu geben, das Feedback anonym durchzuführen. Dieser Aspekt spielt auch bei der Auswahl der Feedbackmethode eine Rolle. Umgedrehte Flipcharts, die von den Schüler/innen anonym bepunktet oder beschrieben werden können, sowie Materialien, die ohne Namensnennung abgegeben werden können, sind Möglichkeiten, Anonymität zu gewährleisten.
- Lehrkräfte sollten während der Durchführung des Feedbacks vor allem zuhören und das Gesagte auf sich wirken lassen. Eine sofortige Reaktion auf die Äußerungen der Schüler/innen oder eine Verteidigung sollte vermieden werden. Erst bei der Analyse der Ergebnisse (siehe nächster Schritt) nimmt die Lehrkraft Stellung zu den Ergebnissen („Zurückspielen“). Bei Unklarheiten oder offenen Punkten ist es sinnvoll, nachzufragen und sicherzustellen, ob das Feedback einzelner Schüler/innen richtig verstanden wurde. Zum Abschluss der Durchführungsphase sollte ein wertschätzender Dank für das Feedback der Schüler/innen erfolgen, auch oder gerade, wenn kritische Aussagen darunter sind. Das ist wichtig für den Aufbau einer Feedbackkultur, die sich dadurch auszeichnet, dass unterschiedliche Wahrnehmungen ernst genommen und andere Standpunkte akzeptiert werden.
Die Ergebnisse eines Feedbacks sollen mit allen Beteiligten analysiert und bewertet werden, damit es zu einer wirksamen Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen durch die Lehrkraft kommen kann. Bevor jedoch das Feedback gemeinsam mit den Schüler/innen analysiert wird, ist es sinnvoll, dass Lehrkräfte die Ergebnisse zunächst einmal für sich allein auf sich wirken lassen und reflektieren. Bei der Interpretation der Ergebnisse können folgende Fragestellungen hilfreich sein:
- Was bedeuten die Ergebnisse für mich?
- Was habe ich erwartet, was nicht? Überraschen mich die Ergebnisse?
- Was bestätigt, was widerspricht meiner eigenen Einschätzung?
- Wo zeigt sich Handlungsbedarf bzw. wo sehe ich Ansatzpunkte für Veränderungen?
- Welche konkreten Verbesserungsmöglichkeiten kann ich aus den Ergebnissen herauslesen?
Nachdem die Daten von der Lehrkraft persönlich ausgewertet wurden, ist es wichtig, die Schüler/innen in die Besprechung der Feedbackergebnisse einzubinden. Dateninterpretation gelingt dann besonders gut, wenn die Ergebnisse aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Wenn Schüler/innen an diesem Prozess beteiligt werden, fühlen sie sich ernst genommen und sind vermutlich auch in Zukunft wieder bereit, sich bei Feedbackprozessen einzubringen. Es ist wichtig, die Schüler/innen zu Beteiligten im Feedbackprozess zu machen. Verantwortlich für den Erfolg von Lehr-/Lernprozessen sind niemals nur die Lehrkräfte allein, sondern auch die Schüler/innen. Soll es zu Verbesserungen kommen, müssen sich (in den meisten Fällen) beide Seiten beteiligen und entsprechende Aktivitäten in einem gemeinsamen Prozess umsetzen. Es kann durchaus sein, dass sich auch für die Schüler/innen durch das Feedback Konsequenzen für ihr eigenes Lernen ergeben (Was kann ich tun, um meinen eigenen Lernprozess zu verbessern?).
Bewährtes beibehalten und Verbesserungsmaßnahmen umsetzen
- Schüler/innenfeedback kann nur dann sinnvoll umgesetzt werden, wenn Lehrkräfte tatsächlich Interesse an den Rückmeldungen der Schüler/innen haben und eine grundsätzliche Bereitschaft zur Verbesserung des Unterrichts besteht. Sehr häufig werden Lehrkräfte bei der Einholung von Feedback positiv bestätigt in dem, was bereits gut funktioniert. In dieser Hinsicht erfüllt das Feedback eine nicht zu unterschätzende motivierende und positiv verstärkende Funktion für die Lehrkraft. Darüber hinaus werden vermutlich Bereiche angesprochen, in denen sich die Schüler/innen Verbesserungen oder Veränderungen wünschen. Ob und was davon umgesetzt werden kann, entscheidet alleine die Lehrkraft.
- Unter Umständen sprechen Schüler/innen auch Verbesserungen an, die aufgrund von gegebenen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werden können. In solchen Fällen ist es wichtig, dass Lehrkräfte darauf hinweisen und die Gründe dafür darlegen. Genauso wichtig ist es, dass Lehrkräfte den Schüler/innen gegenüber klar kommunizieren, welche Veränderungen sie umsetzen möchten. Nach einer gewissen Zeit ist es auch sinnvoll, noch einmal (unter Einbeziehung der jeweiligen Klasse) zu überprüfen, ob die Schüler/innen Verbesserungen tatsächlich wahrgenommen haben. Es gibt selbstverständlich viele Themen, bei denen Schüler/innen ebenso ihren Beitrag leisten müssen, damit lernwirksame Verbesserungen im Unterricht umgesetzt werden können.
Feedbackmethoden
Weiterführende Literatur
Praxis
- Feedback in der Schule. Hinweise und Beispiele
- Methodenkoffer
- Linzer Diagnosebogen zur Klassenführung (LDK)
- Reflexionsfragen am Ende der Stunde, Vorschläge von Björn Nölte
- Feedback from a Distance – eine (englischsprachige) Übersicht
Theorie
- Wie kann Schülerfeedback wirksam werden?
- Auszug aus „Lernen nach Hattie. Wie gelingt guter Unterricht?“
- Leitfaden Schülerfeedback (Modellversuch, ISB München)
- Welche Erfolgsfaktoren guten Unterrichts hat Hattie in seiner Studie ausgemacht? Antworten gibt ein kurzes und übersichtliches Erklärvideo
- Feedbackseite des Bildungsservers Rheinland- Pfalz
- Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien. Ein roter Faden
- Lernen trotz Corona: Begleiten, Beurteilen und Prüfen