Feedback
Feedback kann nur wirksam werden, wenn Lehrende und Lernende sich gemeinsam für das Lernen und die Gestaltung von Lernarrangements verantwortlich fühlen – wobei jede Seite ihre je eigene Aufgabe hat. Diese Haltung ist kein Selbstläufer – daran muss immer wieder gearbeitet werden bei Lehrenden und bei Lernenden.1
Lehrkraft gibt Feedback an Lernende
Die IGS List in Hannover unterstützt ihre Schülerinnen und Schüler gezielt dabei, sich diese Kompetenzen anzueignen. Dies geschieht insbesondere durch eine ausgeprägte Feedbackkultur, die sich über verschiedene Bereiche erstreckt. So erhalten alle Schülerinnen und Schüler in allen Fächern von den Lehrkräften sowie den Mitschülerinnen und Mitschülern in systematischer Form ein lernförderliches Feedback zu ihrem aktuellen Lernstand und zum Arbeits- wie Sozialverhalten. Die verschiedenen Fachteams entwickelten für ihre Fächer unterschiedliche Feedbackinstrumente, die kontinuierlich überprüft und – wenn nötig – verbessert werden. Beispiele dafür sind spezielle Feedbackbögen, Rückmeldungen durch Videoanalysen sowie Tests, die Schülerinnen und Schülern gegenseitig korrigieren. Ein fester Bestandteil des Feedbacks ist immer die Selbsteinschätzung, die anschließend mit der Fremdeinschätzung verglichen wird und so einen guten Gesprächsanlass bietet.
In seinen Forschungen beschäftigt sich John Hattie vor allem mit Einflussfaktoren auf gelingende Schülerleistungen. Er ist ein Verfechter der evidenzbasierten, quantitativen Forschungsmethoden, um die Wirkungsfaktoren auf Schüler*innenleistungen zu untersuchen. Bekannt geworden ist John Hattie durch die Hattie-Studie, die er in seinem Buch Visible Learning präsentierte. Er stellte Indikatoren für gute Schüler*innenleistungen zusammen und legte dar, dass es sehr auf die Lehrperson ankomme, ob Lernende in der Schule erfolgreich sind.
Laut Hattie findet erkennbares Unterrichten und Lernen („visible teaching and learning“) statt,
- wenn das aktive Lernen jedes einzelnen Lernenden das explizite Ziel ist,
- wenn es angemessen herausfordert,
- wenn die Lehrkraft und der Lernende (auf ihren unterschiedlichen Wegen) überprüfen, ob und auf welchem Niveau die Ziele auch wirklich erreicht werden,
- wenn es eine bewusste Praxis gibt, die auf eine gute Qualität der Zielerreichung gerichtet ist,
- wenn Feedback gegeben und nachgefragt wird und
- wenn aktive, leidenschaftliche und engagierte Menschen am Akt des Lernens teilnehmen.
Gemeinsam über das Lernen nachdenken und so für eine Weiterentwicklung der Lernprozesse sorgen – wer will das nicht? Warum wird Feedback so selten dafür genutzt? Welche Missverständnisse gibt es in diesem Feld? Was sollte das Zentrum von Feedback sein und was kann damit erreicht werden? Wie kann Feedback zu einem alltäglichen Entwicklungsinstrument werden?
so fragt Joannes Bastian in seinem Beitrag “Feedback im Unterricht” und empfiehlt in Anlehnung an Hattie sich auf drei Ebenen des Lernens zu konzentrieren2:
- die Aufgabe und das Aufgabenverständnis, d. h. darauf, wie die Aufgaben verstanden und bearbeitet wurden;
- den Lernprozess, d. h. auf den Weg, den der Lerner gewählt hat, auf Ideen für alternative Lernwege, auf einzelne Lernschritte und Lernstrategien;
- die Fähigkeit zur Selbstregulation, d. h. den eigenen Lernweg zu planen, zu beobachten und sich selbst realistisch einzuschätzen
und regt an, auf jeder dieser drei Ebenen drei Fragen zu reflektieren:
- Wohin gehe ich/was ist mein Ziel?
- Wie bin ich vorangekommen?
- Wohin geht es danach?
Wie diese drei Fragen auf die drei Ebenen des Lernens übertragen werden können, das zeigt die folgende Tabelle3:
und Bastian fasst zusammen:
Damit wird deutlich, dass Feedback kein Instrument der Bewertung ist, sondern ein Instrument der Entwicklung – der Entwicklung des Lernens und in der Folge dessen auch des Lehrens. Aus dem Feedback der Lernenden lassen sich also auch Informationen dazu entnehmen, was für die Seite des Lehrenden wichtig ist: dass beispielsweise Aufgaben klarer, verständlicher oder herausfordernder aufbereitet werden sollten oder dass die Kompetenzen zur Selbstregulation noch kleinschrittiger unterstützt und trainiert werden sollten. Diese aus den Informationen über das Lernen abgeleiteten Hinweise zur Entwicklung der Lernarrangements aber sind keine Bewertungen des Lehrenden, sondern Informationen, mit denen das Lehren und Lernen besser aufeinander abgestimmt werden können.4
Onlinegestützte Rückmeldeverfahren
Auf Edutwitter (und vermutlich nicht nur dort) finden sich immer wieder Anfragen der Lehrkräfte zu geeigneten Onlinetools. Natürlich verändert sich der “Markt” ständig und jede neue Anfrage liefert neue Tipps…Um nicht komplett zu versinken (und das kann schnell gehen…), sollen hier eher bewährte Systematiken vorgestellt werden, die helfen sollen zu entscheiden, ob das ins Auge gefasste Tool die notwendigen Funktionen aufweist oder eben nicht. Praxisbeiträge ergänzen die Ausführungen zu:
- E- Portfolio
- Audio- Feedback (hier einführend ein Blogbeitrag von Herrn Rau)
- Video- Feedback
E - Portfolio
Mit einem E-Portfolio können Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Lern- und Entwicklungsprozesse im gesamten Schulleben, in Praktika etc. dokumentieren, reflektieren und präsentieren. Die digitalen Artefakte eines E-Portfolios können z. B. Blogs, Bilder, Grafiken, Videos… sein.
Im schulischen Bereich gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die Schülerinnen und Schüler ein E-Portfolio führen zu lassen. Padlet, Instagram sind beliebt, aber datenschutzrechtlich fragwürdig. DSGVO konform dagegen sind in Lernmanagementsysteme eingebettete Blogimplementationen. Auch in Schulregie aufgesetzte WordPressinstallationen ermöglichen E-Portfolios, allerdings mit recht umfangreichen, systemtechnischen Aufwand, vor allem wegen der Rechteverwaltung und -freischaltung der Nutzerinnen und Nutzer.
Hessische Schulen erhalten über das Schulportal einen Zugang zu Mahara, einer Open Source Anwendung. Somit steht auch anderen, nicht in Hessen beheimateten Schulen dieser Weg offen, sofern der Schulträger bereit ist, eine solche Systematik anzubieten. Claudia Schmidt, Lehrerin einer beruflichen Schule, hat im Webformat eine Musteransicht Praktikum erstellt, der Schüler Sinan Erylmaz eine entsprechende Umsetzung.
Die folgende Vorlage illustriert, wie sich bewährte Konzepte aus der analogen in die digitale Welt transformieren lassen:
Besonders interessant wird das Führen eines Mahara gesteuerten Portfolios, wenn die Aufgaben aus dem Lernmanagementsystem Moodle kommen, auch MAHOODLE genannt. In einem Beitrag des 2. Marburger Schulforum hat die Referentin und Mitarbeiterin des Schulportals die beiden Systeme sehr treffend wie folgt gekennzeichnet:
Wer ein E-Portfolio führt, kann selbst entscheiden, wer, was, wann und wie lange sehen und Feedback geben darf. Bei formativer E-Portfolio Arbeit können Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder und Mitschülerinnen und -schüler (prozessbegleitend) Einblick in die individuellen Lernprozesse, Erfahrungen etc. der Lernenden erhalten und im Prozess Feedback geben, unterstützen etc. In diesem Sinne hat sich die Autorin des Blogbeitrags
- Look at yourself – Ein kleiner Leitfaden zur (Selbst)Reflexion mit dem E-Portfolio
der Aufgabe gestellt, über ein E-Portfolio den Studierenden regelmäßig über deren Lern- und Professionalisierungsprozess eine Rückmeldung zu geben. So halten die Studierenden in den einzelnen Reflexionen ihre Erwartungen an die Inhalte des Seminars fest oder setzen sich persönliche Ziele, an denen sie im Rahmen des besuchten Seminars arbeiten möchten. Sie beschreiben nicht nur ihren IST-Stand bezüglich Fach-, Methoden-, Personal-, Sozial- und Selbstreflexionskompetenz vor dem besuchten Seminar, sondern erzählen ihre biografischen Geschichten und beschreiben ihre spezifischen Einstellungen, Erwartungen, Ziele und Fähigkeiten. Der Beitrag fasst die Erfahrungen zusammen, die sich auch gut in der Schulpraxis nutzen lassen.
Weitere Ideen:
- Talentportfolio, Ideen via Fotos von Micha Pallesche (@MichaPallesche)
-
Zeitgemäße Bildung mit E-Portfolios, Blogbeitrag von Ralf Appelt mit vielen weiterführenden Links
Audio - Feedback mit OneNote
In dem Tweet
Eine neue Art der Korrektur. Die SuS der Kl 8 haben eine Reportage analysiert. Geschrieben wurde auf dem iPad, die Korrektur erfolgt mit EW digital UND erstmalig mit Voice-Feedback. Erhoffe mir, dass es den SuS besser hilft, Fehler künftig zu vermeiden. #twitterlehrerzimmer pic.twitter.com/2iu49yd9GS
— 🇺🇦 I. Say (@isy_say) December 1, 2019
wird ein Korrekturformat vorgestellt, das nur digitale Medien ermöglichen können, ein Audiofeedback. In Übersetzung des Tweets hat die Lehrerin Iris Sayk eine Klassenarbeit konzipiert, die eine auf dem iPad erstellte Reportage vorsah. Die Korrektur erfolgte mit dem Pencil (wie üblich in rot) und in Ergänzung – unter Nutzung des den Schülerinnen und Schülern ausgehändigten Erwartungshorizonts – ein von der Lehrerin eingesprochenen (Audio)Feedback. Die Schülerinnen und Schüler wurden vorab gefragt, ob sie diese Form der Bewertung wünschten. Ca. 50% gaben ihre Zustimmung. Frau Sayk setzt OneNote zur Unterrichtsorganisation ein und nutzt die Audioschnittstelle dieser Software. Als erste Rückmeldung schreibt sie im weiteren Threadverlauf:
Die Korrektur hat gar nicht viel länger gedauert, den Erwartungshorizont in Punkten musste ich für mich sowieso ausfüllen, um beim Voice-Feedback genau deutlich zu machen, was nicht richtig war. Die Korrektur fühlte sich besser, wertschätzender an …
Wer datenschutzrechtliche Probleme in der Nutzung von OneNote sieht, nutzt stattdessen das leistungsfähige Open- Source Tool Audacity. Man muss dann das erstellte Audio- File geeignet einbetten, entweder in eine Textdatei oder in einen Blogbeitrag.
Audio - Feedback mit QWIQR
Als weitere Lösung steht das kostenfreie Tool QWIQR zur Verfügung (allerdings in englischsprachiger Nutzer*innenführung).
Der Anbieter wirbt aus Lernenden Sicht mit:
- Audiofeedback ist persönlich.
- Es fühlt sich wirklich so an, als würde mein Lehrer mit mir reden.
- Die Schüler antworten direkt auf das persönliche Feedback der Lehrkraft.
Aus Lehrkraft Sicht werden folgende Vorteile angeführt:
- Reduziert die Arbeitsbelastung.
- Effektiver, da man schneller spricht als schreibt.
- Jeder Schüler erhält detailliertes persönliches Feedback in kürzerer Zeit als bei der traditionellen schriftlichen Bewertung.
Wie arbeitet die Software?
- An die zu kommentierende Stelle markiert (klebt) die Lehrkraft einen sog. QWIQR Sticker.
- Die Lehrkraft scannt den QR Code auf dem Sticker und spricht ihren Kommentar auf.
- Die Software zeichnet das Feedback auf und speichert es unter dem zugehörigen Link ab.
- Die Arbeit mit den Stickern wird zurückgegeben und die Schülerinnen und Schüler können nun ihrerseits den Code einscannen und den Kommentar der Lehrkraft abhören.
Zum Abschluss dieses Abschnitts noch diese drei Links:
- Audiofeedback mit Sprachaufnahmen und QWIQR – individuelle und persönliche Rückmeldungen geben von Hauke Pölert
-
Audio-Feedback: Zur lernwirksamen Schüler-/Leistungsrückmeldung Padlet von @FrauTeine
- Audiofeedback-Fortbildung: PDF-Datei von Verena Knoblauch (@VerenaKnoblauch)
Video - Feedback
Das Videofeedback ist sicher ein Modell der Zukunft, erst recht für die Feedbackkultur in unseren Schulen. Die skandinavischen Länder gelten, nicht nur seit den PISA- Zeiten zur Jahrtausendwende zu den Vorreitern neuer Lehr- und Lernkonzeptionen. Das im Folgenden dargestellte Modell einer videobasierten Feedbackgabe wird von einer norwegischen Universitätsprofessorin in Form eines mit ihr geführten Interviews vorgestellt5. Auch wenn die Universitätslehre im Vordergrund steht, ist gleichwohl eine Übertragung in die schulischen Klassenräume denkbar. Man kann es ja einmal ausprobieren …
Was ist Videofeedback?
Durch Videofeedback wird den Lehrenden ermöglicht, einen wichtigen Punkt im Lernprozess der Studierenden zu erfüllen: gutes Feedback zu geben. Das ist einfach umzusetzen. Das von den Studierenden eingereichte Dokument wird auf dem Desktop des Computers geöffnet und dann wird die Aktivität des Desktops gefilmt sowie die Feedback gebende Person – in einem kleinen Fenster in der Ecke des Desktops. Dadurch begleiten die Studierenden quasi den Lese- und Korrekturprozess, was es ermöglicht, direkt zu erkennen auf welchen Bereich, Abschnitt oder Satz sich die Dozierenden mit ihren Kommentaren beziehen. Vor allen Dingen wird ein viel detaillierteres Feedback gegeben, da wesentlich mehr gesagt wird, als geschrieben wird. Wenn ich zwei Minuten spreche, dann entspricht das ungefähr 400 Worten. Die würde natürlich niemand als Kommentar schreiben.
Die Studierenden erhalten also nicht nur eine Anmerkung wie: “Hier ist es gerade schwammig”, sondern es wird sich intensiver mit dem Text beschäftigt und der Kommentar ausführlicher gestaltet, wobei auch Themen aus den Seminaren oder der Vorlesung mit aufgegriffen werden können. Eben dieses deutliche und detaillierte Feedback und den persönlichen Anteil schätzen die Studierenden sehr, da sie sehen, dass sich die Lehrenden wirklich mit ihrem ganzen Dokument auseinandergesetzt haben. Nach Aussage der Studierenden haben sie das Gefühl, dass die Beziehung zu den Lehrenden durch das Videofeedback intensiver und persönlicher wird, was ebenfalls ein wichtiger Punkt für den Lernprozess ist – eine gute Beziehung zu den Lehrenden.
Welche Hürden gibt es bei der Nutzung von Videofeedback?
Zunächst gibt es die Schwelle, es einfach mal zu machen. Die technischen Schritte passend zu der vorhandenen Infrastruktur an den unterschiedlichen Hochschulen müssen genau überlegt werden. Welche Lernplattform hat man? Muss also ein Link zu dem Video gepostet werden, oder kann die ganze Videodatei auf der Plattform hochgeladen werden?
Dann muss man sich darüber Gedanken machen, wie der Ablauf des Videofeedbacks gestaltet werden soll. Möchte ich das Dokument erst lesen und bereits Kommentare oder Markierungen einfügen, oder starte ich einfach spontan? Das ist sicherlich von Typ zu Typ und von Fach zu Fach unterschiedlich, aber diese Schritte sollten zumindest verinnerlicht werden.
Eine weitere Schwelle wäre, dass man sich selbst auf dem Bildschirm sieht und auch hört. Da muss man natürlich erst einmal drüber kommen, aber sobald das geschehen ist, funktioniert es super. Die Studierenden wissen es sehr zu schätzen und im Endeffekt geht es dann doch schneller als bei den herkömmlichen Methoden. Auf jeden Fall, wenn man nicht in die Falle tritt den Anspruch zu haben, dass das Feedback perfekt sein soll. Es besteht immer die Möglichkeit, das Feedback zu bearbeiten um es zu verbessern. Damit darf man gar nicht erst anfangen.
Was fällt Ihnen in Gesprächen mit Dozierenden auf?
Die meisten wissen zunächst nicht, wovon ich spreche. Wenn ich es dann erkläre, sieht man so richtig, wie der Groschen fällt und sie sich denken: “Warum eigentlich nicht?” An sich ist Videofeedback nichts neues und auch nichts besonderes. Es ist auch nicht mit einem unglaublichen technischen Aufwand verbunden. Lediglich ein Laptop und ein Screencast-Programm genügen. Dann legt man einfach los.
Welche Tools können für Videofeedback genutzt werden?
Es gibt diverse Gratisprogramme oder aber auch Bezahlversionen, je nach dem welche Möglichkeiten man hat. Screencast-0-Matic wäre ein Programm, das es sowohl gratis, als auch in einer Bezahlversion gibt. Bei Letzterer verfügt man im Nachhinein über mehr Bearbeitungsmöglichkeiten der Videos. Das Programm ist empfehlenswert, da es äußerst einfach zu Handhaben ist und auf allen Betriebssystemen funktioniert. Falls man über die Ressourcen verfügt, teurere Programm zu kaufen, dann wäre Camtasia Studio sehr gut, da es auch für Flipped Classroom Filme verwendet werden könnte.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Videofeedback?
Ich hatte ja bereits die technischen Schritte erwähnt, welche eine Schwelle für die Lehrenden sein könnten, Videofeedback zu geben. Daher wünsche ich mir, dass in den unterschiedlichen Lernplattformen bei der Kommentarfunktion direkt ein kleiner Button fürs Videofeedback etabliert wird. So könnte man direkt über die Plattform einen Screencast starten, der dann auch direkt gesondert den Studierenden zugeteilt wird. Das würde vieles einfacher machen.
Im einem sogenannten HFD-Hangout am 25. Oktober 2018 hat Ilka Nagel (Østfold University College, Norwegen) einen Einblick in das Thema “Videofeedback” gegeben. Das Hangout wurde moderiert von Christian Friedrich.
Und auch hier zum Abschluss drei Praxisbeiträge:
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Video-Feedback für Schüler von Nina Toller (@ninatoller)
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Videofeedback für die Aufsatzkorrektur von Philippe Wampfler (@phwampfler)
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Flipgrid – Video-Response-Plattform für kommunikativen Unterricht von Hauke Pölert (@HPoelert)
Lernende geben Feedback an Lehrkraft
Zweimal im Jahr erfolgt an der Robert-Bosch-Gesamtschule ein systematisches Feedbackverfahren zur Qualität des Unterrichts. Nach den Herbstferien und vor den Osterferien haben die Lehrkräfte die Möglichkeit, Fragebögen an ihre Schülerinnen und Schüler auszuteilen. Die Teilnahme an dem Verfahren ist freiwillig, im Herbst beteiligen sich etwa 90 Prozent der Lehrkräfte daran. Für die Unter-, Mittel- und Oberstufe gibt es jeweils eigene, auf die Altersstufen zugeschnittene Fragebögen. Darin finden sich Aussagen wie: „Der Unterricht ist abwechslungsreich“, „Mein Lehrer kann den Unterrichtsstoff gut vermitteln“ oder „Ich muss keine Angst haben, Fehler zu machen“. Die Schüler und Schülerinnen können zu jeder Aussage durch ein Kreuz in einer Bewertungsskala mit drei Feldern ihre Meinung abgeben.
Warum sich überhaupt ein Feedback einholen?
Petra Griesel und Heide Gnaudschun in ihrem Artikel zu Feedbackverfahren im Unterricht6:
Ein Unterricht, der die Lernenden bei der Gestaltung und Weiterentwicklung immer wieder mit einbezieht, schafft Akzeptanz und Vertrauen, bringt Abwechslung, erhöht Achtsamkeit und Verantwortungsübernahme aller Beteiligten und fördert die Reflexionsfähigkeit, wenn Wertschätzung dabei im Mittelpunkt steht. (…)
Für die Durchführung gilt: Einfach machen und nicht so kompliziert denken! Schüler(innen) freuen sich, wenn sie während, vor oder auch nach einer Unterrichtseinheit gefragt werden, was für sie gut ist oder war und was vielleicht verändert werden sollte. Sie fühlen sich dann gehört, ernst genommen, angenommen – kurz: beteiligt. Entscheidend dabei ist die Haltung, nicht die Perfektion der Methode. Bei der Einführung ist es deshalb wichtig, den Schüler(inne)n zu sagen, dass man selbst die Rückmeldung braucht, um bei der Planung und Gestaltung von Unterricht etwas besser machen zu können oder Bewährtes und Gelungenes weiter zu führen. Wichtig ist auch, dass die Schüler(innen) erfahren, dass die Ergebnisse der Rückmeldungen an (die Lehrkraft) zurückgehen und dass darüber gesprochen wird. Natürlich kann es Misstrauen geben, immer und zu jeder Zeit. Wenn beispielsweise leere Blätter abgegeben werden, dann ist das auch etwas, was zurück gespiegelt wird und dann zum gemeinsamen Thema gemacht miteinander werden kann. Niemand kann zur Teilnahme an diesem Feedbackverfahren gezwungen werden, aber es kann immer wieder angeboten werden und die Frage der Beteiligung kann auch zum Thema gemacht werden. (…)
Feedbackmethoden sollten also vor allem als Möglichkeit gesehen werden, miteinander in ein Gespräch zu kommen. Wenn misstrauische Schüler(innen) merken, dass auch das Misstrauen gesehen und ernst genommen wird, dann kann das schon ein Schritt in Richtung Vertrauensbildung sein. Deshalb möchten wir allen Mut machen, die bislang beim Einsatz von Feedbackmethoden gezögert haben. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es dabei für alle etwas zu gewinnen gibt.
Experimentell nachgewiesen ist, dass Fremd- und Selbstwahrnehmung häufig auseinanderliegen. Auch mir ging es in meinen ersten Gehversuchen im Umgang mit diesem Instrument so: Ich hatte Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 5 und 12 gebeten, mir eine Rückmeldung zu meinem Unterricht zu geben. An einigen Stellen, z. B. individuelle Förderung lagen meine eigenen Einschätzungen und die der Schülerinnen und Schüler weit auseinander.
Die Verhaltens- bzw. Aktionsmuster, die anderen Personen bekannt sind, mir aber nicht, nennt man in der Sozialpsychologie “blinde Flecken“. Feedbackverfahren helfen, diese Unterschiede aufzudecken.
Gut belegt ist, dass das Einholen von Feedback zu einer Steigerung der Unterrichtsqualitätführt. Für mich hat es sich gelohnt, meine Lerngruppen zu bitten, mir eine Rückmeldung zu den Zielen, Inhalten, Methoden und zur Verfügung gestellte Zeit zu geben. In dem nach der Auswertung der Befragung durchgeführten Gespräch erläuterten mir die Feedbackgeber die qualitativen Unterschiede und machten Vorschläge, wie sie sich besser unterstützt sehen könnten.
Erste strategische Schritte in Richtung Implementierung
Die Feedbackgabe trägt zur Lehrergesundheit bei. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 haben Enns und andere nachgewiesen, dass Lehrkräfte, die regelmäßig eine Rückmeldung zur Berufspraxis (Unterricht, Schulleben, Binnenverhältnisse) einholen,
- das Gefühl haben, als Lehrkraft bestärkt zu werden,
- an Sicherheit gewinnen (wichtig vor allem für junge Lehrkräfte)
- eigene Schwachpunkte relativieren,
- Offenheit und Sensibilität entwickeln,
- ihre Arbeitszufriedenheit erhöhen,
- Stressfaktoren abbauen und
- von Anerkennung und Bestärkung profitieren
Grundsätzliches
- Welchen Gewinn hätten wir von einer Feedbackpraxis? / Was erhoffen wir uns für unsere Schule / für den Unterricht / für die Schülerinnen und Schüler / für die Lehrkräfte?
- Wie wichtig ist uns Feedback?
Fokussierung
- Wollen wir Feedback schnell und unkompliziert einführen? / Wollen wir eine langfristige Haltungsänderung bewirken? / Brauchen wir eine Wiederbelebung bereits vorhandener Praxis?
- Wieviel Aufwand wollen wir investieren? / Wie kann es leicht gehen?
Ressourcen im Kollegium
- Was wissen wir eigentlich über die derzeitige Feedbackpraxis an unserer Schule?
- Auf welche Erfahrungen können wir im Kollegium zurückgreifen?
- Haben wir / hat jemand von uns eine Sammlung von Feedbackinstrumenten?
Überlegungen zur Einführung
- Wie könnten wir zum Ausprobieren ermutigen?
- Was brauchen unsere Kolleg*innen, um Unterrichtsfeedback auszuprobieren?
- Welche Befürchtungen / Bedenken / Ängste vermuten wir im Kollegium? / Wie könnten wir ihnen begegnen?
- Wer wäre bereit, Unterrichtsfeedback zu erproben?
- Wen würde man sich für die Mitarbeit in einer Pilotgruppe wünschen? / Warum?
Einführung Feedbackkultur im P D C A - Modell
Das in der Praxis vielfach erfolgreich genutzte PDCA- Modell7 bezieht sich auf ein Feedback, das Lehrer/innen von Schüler/innen einholen, um ihr berufliches Handeln zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Im Kern geht es bei dieser Form des Feedbacks um die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung der Lehr-/Lernprozesse bzw. des Unterrichts.
Feedback planen, Ziele klären
Am Beginn eines Feedbackprozesses stehen die Wahl eines Themas, zu dem die Lehrkraft gerne Rückmeldungen haben möchte, sowie die Auswahl einer geeigneten Methode bzw. eines Feedbackinstruments. Es gibt im Bereich Unterricht bzw. Lehr-Lernprozesse viele verschiedene Themen, auf die sich ein Feedback beziehen kann, z.B.
- Welche Lehr- und Lernformen sprechen die Schüler/innen an und welche nicht?
- Wie zufrieden sind die Schüler/innen mit der heutigen Unterrichtseinheit?
- Warum gibt es in einer ganz bestimmten Klasse immer wieder Unzufriedenheit in Bezug auf den Unterricht?
- Wie kann ich Schüler/innen zu mehr Selbstverantwortung im Hinblick auf ihr eigenes Lernen motivieren?
- Welche Kompetenzen haben die Schüler/innen erworben?
Passend zur Fragestellung für das Schüler/innenfeedback gilt es dann, ein Feedbackinstrument auszuwählen. Folgende Aspekte sind (u. a.) bei der Auswahl zu bedenken:
- Passt das gewählte Instrument zu meiner Fragestellung?
- Passt das Instrument zur Schüler/innengruppe, die ich befragen möchte?
- Kann ein bestehendes Instrument verwendet werden? Kann ein bestehendes Instrument für meine Fragestellung angepasst werden? Überlege ich mir ein neues Instrument?
- Welche Instrumente wurden bei der befragten Schüler/innengruppe von mir oder von anderen Lehrkräften bereits eingesetzt? (Vermeidung des Einsatzes von immer denselben Instrumenten)
Feedback durchführen und Daten erheben
- Es ist wichtig zu überlegen, wann das Feedback durchgeführt wird. Wenn ein Feedback z. B. am Ende eines Schuljahres durchgeführt wird, kann das zur Folge haben, dass die Lehrkraft den Unterricht für die befragte Klasse gar nicht mehr verbessern kann. Andererseits können solche „summativen Feedbacks“ (Feedbacks am Ende eines Prozesses) auch sehr zweckmäßig sein, wenn es z. B. um die Gesamteinschätzung eines ganzen Schuljahres geht.
- Die Schüler/innen sollten darüber informiert werden, warum das Feedback durchgeführt wird und was mit den Ergebnissen passiert.
- Manchmal kann es sinnvoll sein, Schüler/innen die Möglichkeit zu geben, das Feedback anonym durchzuführen. Dieser Aspekt spielt auch bei der Auswahl der Feedbackmethode eine Rolle. Umgedrehte Flipcharts, die von den Schüler/innen anonym bepunktet oder beschrieben werden können, sowie Materialien, die ohne Namensnennung abgegeben werden können, sind Möglichkeiten, Anonymität zu gewährleisten.
- Lehrkräfte sollten während der Durchführung des Feedbacks vor allem zuhören und das Gesagte auf sich wirken lassen. Eine sofortige Reaktion auf die Äußerungen der Schüler/innen oder eine Verteidigung sollte vermieden werden. Erst bei der Analyse der Ergebnisse (siehe nächster Schritt) nimmt die Lehrkraft Stellung zu den Ergebnissen („Zurückspielen“). Bei Unklarheiten oder offenen Punkten ist es sinnvoll, nachzufragen und sicherzustellen, ob das Feedback einzelner Schüler/innen richtig verstanden wurde. Zum Abschluss der Durchführungsphase sollte ein wertschätzender Dank für das Feedback der Schüler/innen erfolgen, auch oder gerade, wenn kritische Aussagen darunter sind. Das ist wichtig für den Aufbau einer Feedbackkultur, die sich dadurch auszeichnet, dass unterschiedliche Wahrnehmungen ernst genommen und andere Standpunkte akzeptiert werden.
Die Ergebnisse eines Feedbacks sollen mit allen Beteiligten analysiert und bewertet werden, damit es zu einer wirksamen Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen durch die Lehrkraft kommen kann. Bevor jedoch das Feedback gemeinsam mit den Schüler/innen analysiert wird, ist es sinnvoll, dass Lehrkräfte die Ergebnisse zunächst einmal für sich allein auf sich wirken lassen und reflektieren. Bei der Interpretation der Ergebnisse können folgende Fragestellungen hilfreich sein:
- Was bedeuten die Ergebnisse für mich?
- Was habe ich erwartet, was nicht? Überraschen mich die Ergebnisse?
- Was bestätigt, was widerspricht meiner eigenen Einschätzung?
- Wo zeigt sich Handlungsbedarf bzw. wo sehe ich Ansatzpunkte für Veränderungen?
- Welche konkreten Verbesserungsmöglichkeiten kann ich aus den Ergebnissen herauslesen?
Nachdem die Daten von der Lehrkraft persönlich ausgewertet wurden, ist es wichtig, die Schüler/innen in die Besprechung der Feedbackergebnisse einzubinden. Dateninterpretation gelingt dann besonders gut, wenn die Ergebnisse aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Wenn Schüler/innen an diesem Prozess beteiligt werden, fühlen sie sich ernst genommen und sind vermutlich auch in Zukunft wieder bereit, sich bei Feedbackprozessen einzubringen. Es ist wichtig, die Schüler/innen zu Beteiligten im Feedbackprozess zu machen. Verantwortlich für den Erfolg von Lehr-/Lernprozessen sind niemals nur die Lehrkräfte allein, sondern auch die Schüler/innen. Soll es zu Verbesserungen kommen, müssen sich (in den meisten Fällen) beide Seiten beteiligen und entsprechende Aktivitäten in einem gemeinsamen Prozess umsetzen. Es kann durchaus sein, dass sich auch für die Schüler/innen durch das Feedback Konsequenzen für ihr eigenes Lernen ergeben (Was kann ich tun, um meinen eigenen Lernprozess zu verbessern?).
Bewährtes beibehalten und Verbesserungsmaßnahmen umsetzen
- Schüler/innenfeedback kann nur dann sinnvoll umgesetzt werden, wenn Lehrkräfte tatsächlich Interesse an den Rückmeldungen der Schüler/innen haben und eine grundsätzliche Bereitschaft zur Verbesserung des Unterrichts besteht. Sehr häufig werden Lehrkräfte bei der Einholung von Feedback positiv bestätigt in dem, was bereits gut funktioniert. In dieser Hinsicht erfüllt das Feedback eine nicht zu unterschätzende motivierende und positiv verstärkende Funktion für die Lehrkraft. Darüber hinaus werden vermutlich Bereiche angesprochen, in denen sich die Schüler/innen Verbesserungen oder Veränderungen wünschen. Ob und was davon umgesetzt werden kann, entscheidet alleine die Lehrkraft.
- Unter Umständen sprechen Schüler/innen auch Verbesserungen an, die aufgrund von gegebenen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werden können. In solchen Fällen ist es wichtig, dass Lehrkräfte darauf hinweisen und die Gründe dafür darlegen. Genauso wichtig ist es, dass Lehrkräfte den Schüler/innen gegenüber klar kommunizieren, welche Veränderungen sie umsetzen möchten. Nach einer gewissen Zeit ist es auch sinnvoll, noch einmal (unter Einbeziehung der jeweiligen Klasse) zu überprüfen, ob die Schüler/innen Verbesserungen tatsächlich wahrgenommen haben. Es gibt selbstverständlich viele Themen, bei denen Schüler/innen ebenso ihren Beitrag leisten müssen, damit lernwirksame Verbesserungen im Unterricht umgesetzt werden können.
Zwei grundlegende Missverständnisse
Schüler*innenrückmeldung meint Lehrkraftbewertung
Erfahrungen aus einem eigenen Forschungsprojekt (Bastian/Combe/ Langer 2005) zeigen, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht selten Angst vor Feedback haben, weil sie befürchten, dass Rückmeldungen von Lernenden zur Bewertung ihrer Person »ausgenutzt « werden. Aus dem bislang Gesagten sollte deutlich geworden sein, dass dies nicht der Fall sein kann, wenn die Lernenden in ihrem Feedback vor allem ihren eigenen Lernprozess transparent machen: das Aufgabenverständnis, die Lernprozessgestaltung und die Bemühungen um Selbstregulation. Die Lernenden machen dabei sichtbar, was auf diesen Ebenen gelungen ist und was nicht. Daraus ergeben sich in einem nachfolgenden Feedbackgespräch dann Überlegungen und Konsequenzen auf zwei Ebenen:
- Überlegungen zur Verbesserung des Lernens aufseiten der Lernenden und
- Überlegungen zur Verbesserung des Lernarrangements aufseiten des Lehrenden. 8
Feedback meint die alltäglichen Reaktionen des Lehrenden auf die Lernenden.
Dazu noch einmal Hattie: Der Fehler, den ich machte, war in Feedback etwas zu sehen, was die Lehrpersonen den Lernenden geben. Das haben sie meist nicht getan, auch wenn sie behaupteten, dass sie es die ganze Zeit tun würden. Das meiste Feedback, das sie gaben, war sozialer und verhaltensbezogener Art. Die alltäglichen Reaktionen der Lehrenden auf die Lernenden sind nach den bisher genannten Kriterien kein Feedback,
- wenn sie nicht auf den Lern- oder Verstehensprozess gerichtet sind,
- wenn sie nicht auf »sichtbaren« Informationen über das Lernen basieren und
- wenn sie keine Informationen zur Verbesserung des Lernens enthalten.
Dies trifft offensichtlich auf den überwiegenden Teil der alltäglichen Reaktionen von Lehrenden nicht zu. 9
Zusammenfassend, eine Notiz von Nele Hirsch in Zitierung des Buchs Kreativitäts-AG:
- Feedback erhalten: Wer Feedback erhält, darf selbst entscheiden, was er/ sie damit weiter macht. Es ist keine Anweisung damit verbunden.
- Feedback geben: Wer Feedback gibt, nennt nicht die Lösung, wie es besser geht, sondern fokussiert darauf, wo Schwierigkeiten/ Fehler liegen und stellt, wenn überhaupt nur einen möglichen Umgang damit vor.
Feedbackmethoden (analog)
Feedbackmethoden (digital)
360°-Feedback an Schulleitungen
Zunächst ein Kommentar einer Schuleiterin, die sich von der Schulgemeinde ein Feedback geben lassen wollte. Sie war als ehemalige Schulinspektorin mit den Instrumenten einer externen Evaluation vertraut. Daher bat sie uns, eine Rückmeldung der Schulgemeinde zu ihrem Wirken zu organisieren:
Es wurde mir klar, dass es ganz wichtig ist, sich als Schulleiterin auch einer Bewertung im Sinne eines Feedbacks zu stellen. Außerdem wollte ich nach vielen Jahren im Schuldienst mal ein Feedback über meine Tätigkeit bekommen. Mir war es einfach wichtig zu wissen, wo ich stehe und wie meine Arbeit bis dato eingeschätzt wurde. Außerdem wollte ich herausfinden, was ich ändern muss und worunter die Menschen vielleicht auch leiden.
Was ist ein 360°-Feedback?
Das 360°-Feedback-Verfahren ist eine Methode, mit dem sich Führungspersonen ökonomisch eine umfassende Rückmeldung über Ihre Arbeit einholen können. Das 360°-Feedback ist ein sogenanntes multi-source feedback: Verschiedene Personen aus dem Arbeitsumfeld werden gebeten, eine standardisierte Rückmeldung über die Qualität der Arbeit der Führungsperson abzugeben. Beurteilt werden in aller Regel Führungsmerkmale (z. B. Informationsweitergabe, Delegationsfähigkeiten), Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Fairness, Offenheit), Haltungen (z. B. Zielorientierung) und Verhaltensweisen (z. B. Umgang mit Mitarbeitern). Neben diesen Fremdeinschätzungen wird auch die Selbsteinschätzung der Führungsperson auf den selben Dimensionen erhoben und zum Vergleich herangezogen.
Im Rahmen einer 360°-Feedback-Befragung erhalten Führungskräfte einen ausführlichen Feedbackbericht. Damit werden zwei Ziele verfolgt. Zum einen soll die Führungsperson in die Lage versetzt werden, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen. Sie kann daraus wichtige Rückschlüsse darauf ziehen, wo sie Unterstützungs- bzw. Weiterbildungsbedarf hat. Zum anderen kann die Führungsperson Diskrepanzen zwischen ihrer Selbsteinschätzung und der Fremdeinschätzung durch die verschiedenen Personengruppen identifizieren. Wenn solche Diskrepanzen bestehen, kann das ein Hinweis auf verdeckte Konflikte sein. Damit bekommt die Führungsperson die Möglichkeit, geeignete Maßnahmen zur Lösung oder Reduzierung der Konflikte einzuleiten.
Ziele des 360°-Feedback-Verfahrens
Das 360° -Feedback-Verfahren für Schulleitungen dient dazu, den Schulleiter*innen in möglichst ökonomischer Form eine umfassende Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit zu geben. Ein weiteres Ziel des Verfahrens liegt darin, Konfliktpotentiale zwischen der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter und den anderen an der Schule beteiligten Personengruppen aufzudecken. Dies geschieht durch die Rückmeldung von Stärken und Schwächen, wie sie von den verschiedenen Beurteilergruppen gesehen werden, und durch die Diskrepanzanalyse zwischen der Selbst- und den jeweiligen Fremdeinschätzungen.
Ein Konfliktpotential ist dann vorhanden, wenn die Fremdbeurteilungen schlecht ausfallen. Darüber hinaus ist aber auch wichtig, ob es Diskrepanzen zwischen der Selbst- und den Fremdeinschätzung gibt. Ein besonders kritisches Ergebnis liegt dann vor, wenn die Fremdeinschätzungen schlecht ausfallen und gleichzeitig erheblichere negative Diskrepanzen zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung vorliegen. Negative Diskrepanzen sind vorhanden, wenn die Fremdeinschätzungen schlechter als die Selbsteinschätzung sind, d. h. die jeweiligen Schulleiter*innen sich überschätzen. Eine mögliche Erklärung für die Überschätzung ist, dass die Schulleiter*innen nicht wissen, wie die Qualität Ihrer Arbeit von den einzelnen Beurteilergruppen eingeschätzt wird. In einem solchen Fall versetzt die Identifizierung von Diskrepanzen die SchulleiterInnen erst in die Lage, handeln zu können. In der Aufdeckung von Diskrepanzen zwischen der Selbst und der Fremdeinschätzung liegt eine Stärke des 360 Grad-Feedback-Verfahrens.
Zu beachten ist, dass die Ursachen von kritischen Ergebnissen mannigfaltig sein können und nicht allein bei der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter liegen müssen. Konfliktursachen können beispielsweise auch durch strukturelle Gegebenheiten an der Schule verursacht sein. Das 360°- Feedback lässt keine objektiven Aussagen über die Qualität der Arbeit der Schulleiterin bzw. des Schulleiters zu und ist als Regelbeurteilungsverfahren nicht einsetzbar.
Grundsätze des 360°-Feedback-Verfahrens
Damit ein 360°-Feedback-Verfahren erfolgreich durchgeführt werden kann, sind folgende Grundsätze zu beachten:
- Freiwilligkeit: Es muss gewährleistet werden, dass die SchulleiterInnen freiwillig entscheiden können, ob sie an der Befragung teilnehmen oder nicht. Das 360°-Feedback-Verfahren ist ein Instrument, das zur Unterstützung der Arbeit von Schulleiter*nnen gedacht ist. Ebenso muss auch die Teilnahme aller anderen befragten Personen freiwillig und ohne Zwang erfolgen.
- Vertraulichkeit: Die Ergebnisse der 360°-Feedback-Befragung werden in einem persönlichen Einzelgespräch mit der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter zurückgemeldet. Der Grundsatz dabei muss sein, dass allein die Schulleiterin bzw. der Schulleiter entscheiden kann, wer noch Einblick in die Ergebnisse erhält.
- Anonymität: In allen Phasen der 360°-Feedback-Befragung sollte die Anonymität der Befragung hervorgehoben werden. Die Datenerhebung und die Rückmeldung der Ergebnisse erfolgte in einer Form, die keine Rückschlüsse auf einzelne TeilnehmerInnen der Befragung zulässt.
Schritte des 360°-Feedback-Verfahrens
Das Vorgehen im Rahmen des 360°-Feedback-Verfahrens enthielt mehrere Schritte
- Zunächst wurde in einem ersten Vorgespräch mit der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter das prinzipielle Vorgehen geklärt. Dazu gehörten die Präsentation des Fragebogens und die Erläuterung des Rückmeldeverfahrens (s. u.).
- Wenn die SchulleiterInnen der Durchführung der Befragung zustimmten, wurde das Verfahren in einer Gesamtkonferenz an der Schule vorgestellt. In diesem Rahmen konnte auch auf Befürchtungen oder Missverständnisse eingegangen werden, was zur Erhöhung der Akzeptanz und Bereitschaft zur Teilnahme beitragen sollte.
- Parallel zur Befragung der MitarbeiterInnen der Schule werden Eltern- und Schülervertretungen einbezogen.
- Schließlich wurde nach Eingabe und Auswertung der Daten ein ausführlicher Rückmeldebericht erstellt. Der Rückmeldebericht diente als Basis für das Rückmeldegespräch mit der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter, das in aller Regel 1–1.5 Stunden dauert. Das Ziel der Rückmeldegespräche ist, deutlich zu machen,
- wie die darin enthaltenen Statistiken gelesen werden können,
- wie die Daten interpretiert werden können und
- welche weiteren Handlungsschritte als Konsequenz der Ergebnisse zu empfehlen sind.
Praxistipps und Literaturhinweise
Blogbeiträge
- Tanja Föhr: Wertschätzendes Feedback: Haltung statt Methode
- Michael Gisiger: Lernen durch Dialog: Perspektivenaustausch statt Feedback-Frust
-
Thomas Ebinger: Datenschutzfreundliche Kahoot-Alternativen für Schule und Konfi
- FH Nordwestschweiz: Instrumentenkoffer – kurz und knackig
- campus schulmanagement: „Formative Assessments nehmen Lehrkräften eine Menge Arbeit ab.“
Formative Testverfahren unterstützen Lehrkräfte dabei, ihre Schülerinnen und Schüler gezielt zu fördern. Das hat Vorteile für beide Seiten, erklärt Prof. Dr. Benjamin Fauth im Interview.
Formative assessment: From sketching comics to drafting tweets, these fun—and fast—ways to check for understanding are creative and flexible.
- mebis: Feedback lernförderlich einsetzen
- Deutsches Schulportal: „Formatives Assessment“ – was heißt das eigentlich?
- Campus Schulmanagement: Lehrkräfte können von Schüler:innen viel über guten Unterricht lernen – Schüler:innen sind erstaunlich gut darin, sachliches Feedback zur Qualität von Unterricht zu geben. Für Lehrkräfte kann dies sehr hilfreich sein.
- Feedback als Rollenspiel von @digitaldurstig: Coole Idee, #midjourney anzuwerfen, um Feedback- bzw. Rollenkarten im Gamificationformat erzeugen zu lassen
Praxis
- Vorlage, aus: Bangert, Was gute Lehrerinnen und Lehrer ausmacht 978-3-407-63214-2 © 2020 Beltz Verlag · Weinheim und Basel
- Vorlagen für Retrospektive: Plakat-1, Plakat-2, Plakat-3 von Wibke Tiedmann (@TiedmannConsult)
- Canva Vorlage für Elterngespräche Wer Theo/Freiday nicht kennt: Hier ein Blogbeitrag des Canva-Creators Jan Vedder
- Canva Vorlage für den Englischunterricht, Präsentationsfeedback (ebenfalls in Englisch) via Sebastian Eisele @SebEisele
- IQ.SH: Schülerfeedback.SH: Im Dialog mit Schülerinnen und Schülern – Die Kultur des Dialogs für die Unterrichtsentwicklung nutzen
- Feedback in der Schule. Hinweise und Beispiele
- Reflexion über Klausurergebnisse (M), Vorlage von Stefanie Grabarz (@SteffiGR_)
- Bilder zu Feedbackrückmeldungen der Schüler*innen, Tweet von Tim Kantereit (@Herr_Ka_Punkt)
- Lernentwicklungsgespräch mit Kind und Eltern, von Susanne Posselt (@susanneposselt)
- Formulare zum Feedback und Feedforward von Lernwerkstatt digital, RPrydaczenko@digitalcourage.social @RPrydaczenko
- Über die Chancen & Notwendigkeiten von Lehrerfeedback von @KBildung
- Entwicklung eines neuen Schülerfeedback-Fragebogens zur Messung der Unterrichtsqualität und des Standes des Kooperativen Lernens für das Oberstufenschulhaus Junkholz in Wohlen, Bachelorarbeit
- Feedbackformular, einmal anders….von @georgmuehlbauer
- Feedbackmaterialien (D, FR, EN) im PAGES und PDF-Format von @ottomachtschule
- Befragungsportal aus BW mit vielen evidenzbasierten Beispielen
- Methodenkoffer
- Linzer Diagnosebogen zur Klassenführung (LDK)
- Digitales Feedback im Unterricht, eine Lehrkraft berichtet über Erfahrungen mit Wooclap
- Reflexionsfragen am Ende der Stunde, Vorschläge von Björn Nölte
- Feedback from a Distance – eine (englischsprachige) Übersicht
- 7 Smart, Fast Ways to Do Formative Assessment | Edutopia
- Ideensammlung “Kommunikation im öffentlichen Raum” von @cv_city
- SEB zur mündlichen Note von @KBildung
- Audiofeedback, kostenfreier Selbstlernkurs von @vedducation
- Evaluation und Feedback mit digitalen Medien Padlet von @schm_and
- Feedbackgenerator und das Template dazu
- Feedbackthemen, -geber*innen via Glücksrad(?)
- Artikel c’t zu Tweedback(€)
-
Orientierung im Tool-Chaos: Feedback, von Anna Ansari, Uni Göttingen
-
Logbuch/Lerntagebuch/Studienbuch von Julia Thurner, @Mrs_Thurner
- Peer-Feedback mit mebis
-
Wirklich aus Fehlern lernen — Die Verbesserung von Klassenarbeiten als Anlass zum individuellen Lernen, von Andreas Kalt (@retemirabile)
-
Feedback als Teil einer neuen Lehr-/Lernkultur, von Michaela Bergmann • @MiBerg21
-
Ein Glossar qualifizierender, notenbezogener Wörter, von @zelesnik@bildung.social (Liste kann von jedem/jeder ergänzt und bearbeitet werden)
- Formative Assessment: Bewerten um des Lernens Willen, Blogbeitrag von Björn Nölte für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
-
Unterrichtsmaterial von Björn Nölte
- Reflexion am Stundenende von Björn Nölte
-
-
Feedback in der Kultur der Digitalität von Nele Hirsch (@ebildungslabor)
- Peer-Feedback in der Deutscharbeit von Sonja Senftleben (@frausonnig)
- Praktisches Formular für Peer-Feedback von Jamie Clark (@XpatEducator) (aus dem Englischen leicht übertrag- und anpassbar)
- Feedback der SuS via Flinga von Iris Laube-Stoll (@insidexyz)
-
Wie entsteht Feedbackkultur an Schulen? Blogbeitrag von @edkimo
- Feedback im Hybridunterricht, Blogbeitrag von Joscha Falck (@joschafalck)
-
Mehr Diagnose und Feedback, weniger Bewertung – Corona-Lernprobleme überwinden von Andreas Kalt (@retemirabile)
- 5 Great Speech to Text Apps to Transcribe Audio Recordings by Med Kharbach (@EducatorsTech)
- Handbuch zur Retrospektive in der Schule von Miriam Lerch (@miriamlerch)
Theorie, Ergebnisse aus der Bildungsforschung
- Zierer, Klaus; Wisniewski, Benedikt; Schatz, Christina; Weckend, Denise; Helmke, Andreas: Wie kann Feedback der Lernenden die Unterrichtsqualität verbessern?
- Christopher Kellermann, Max Nachbauer, Holger Gärtner & Felicitas Thiel: Effekte eines Unterrichtsfeedbacks von Schulleitungen auf die selbst eingeschätzte Entwicklung der Unterrichtskompetenz von Lehrkräften – Ergebnisse einer Interventionsstudie unter Berücksichtigung der Zielorientierungen von Lehrkräften
- Nicola Marc Spichiger: Entwicklung eines neuen Schülerfeedback-Fragebogens zur Messung der Unterrichtsqualität und des Standes des Kooperativen Lernens für das Oberstufenschulhaus Junkholz in Wohlen – Bachelor Thesis
-
Selbstreguliertes Lernen im Unterricht ermöglichen, Studierende haben im Seminar ein E-Book zum Thema “Selbstreguliertes Lernen im Unterricht ermöglichen” entwickelt. Von Jennifer Knellesen (@JenniferStecke2)
- Coole Assessment Toolbox der Uni Bern (Schweiz)
- 7 Hüte einer Lehrperson, Prof.’in Anne Sliwka (@SliwkaAnne) zu Cognitive Apprenticeship
- Wie kann Schülerfeedback wirksam werden?
- Auszug aus „Lernen nach Hattie. Wie gelingt guter Unterricht?“
- Leitfaden Schülerfeedback (Modellversuch, ISB München)
- Welche Erfolgsfaktoren guten Unterrichts hat Hattie in seiner Studie ausgemacht? Antworten gibt ein kurzes und übersichtliches Erklärvideo
- Feedbackseite des Bildungsservers Rheinland- Pfalz
- Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien. Ein roter Faden
- Lernen trotz Corona: Begleiten, Beurteilen und Prüfen
-
Wenn SchülerInnen sich gegenseitig beurteilen: Wie lernwirksam ist Peer Assessment im Unterricht? Clearing House Unterricht, TUM (München)
- Wolfram Rollett, Hannah Bijlsma, Sebastian Röhl: Student Feedback on Teaching in Schools
- Sebastian Röhl & Holger Gärtner: Relevant Conditions for Teachers’ Use of Student Feedback
- Hattie’s 8 Mindframes, Sketchnote via YT
- 75 Formative Assessment Examples von @helpfulprof
-
Feedback geben: 6 Regeln, Beispiele + konstruktive Methoden Anwendungen aus der Wirtschaft, von karriere bibel
- Is Standards-Based Grading Effective?
360°-Feedback
- 360 Grad Feedback zur Beurteilung von Führungsqualitäten bei Führungskräften
- SWOT-Analyse, Formular der Lehrkräfteakademie
- Besprechungsprotokoll einer Schule (@_RenateStorm))
Englischsprachig
- Evidence Based Education: FEEDBACK A short guide to delivering effective and meaningful feedback to students
Footnotes
- Johannes Bastian: Hinweise zur Gestaltung von Feedbackarbeit. In: Pädagogik, Ausgabe 04, Jahr 2014, Seite 35, Beltz-Verlag
- Johannes Bastian: Hinweise zur Gestaltung von Feedbackarbeit. In Pädagogik 04-14, S. 6-10, Beltz-Verlag
- ebda., S. 7
- ebda.
- https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/videofeedback-in-der-lehre-ilka-nagel-im-videointerview
- Petra Griesel und Heide Gnaudschun: Feedback-Verfahren im Unterricht einführen. In Pädagogik 04-14, S. 10-13, Beltz-Verlag
- https://arqa-vet.at/fileadmin/Dokumente/arqa-vet.at/ifb/IFB_2017.pdf
- Johannes Bastian: Hinweise zur Gestaltung von Feedbackarbeit. In Pädagogik 04-14, S. 6-10, Beltz-Verlag
- ebda.