Guter Unterricht
Wer dafür sorgt, dass die zehn Merkmale des Katalogs in seinem Unterricht stark ausgeprägt sind, macht guten Unterricht und verhilft dadurch seinen Schülerinnen und Schülern zu dauerhaft hohen Lernerfolgen. (…) Die zehn Merkmale zusammen bilden ein »Qualitätskraftwerk« – sie stützen sich gegenseitig durch zahlreiche Synergieeffekte.1
Prof. Meyer beschäftigt sich schon seit langem mit der Frage: “Was ist guter Unterricht?” Die folgende Liste gehört zurecht zum Standardwerk der Lehrkräfteausbildung:
1. Klare Strukturierung des Lehr- und Lernprozesses
Unterricht ist klar strukturiert, wenn ein »roter Faden« für Lehrer und Schüler jederzeit erkennbar ist.
2. Intensive Nutzung der Lernzeit
Die echte Lernzeit ist die vom Schüler tatsächlich aufgewandte Netto- Zeit, in der er an der gestellten Aufgabe arbeitet.
Indikatoren:
- Die Schüler sind aktiv bei der Sache.
- Sie lassen sich nicht ablenken.
- Es entstehen Arbeitsergebnisse, die der AufgabensteIlung genügen.
- Es gibt nur wenige Disziplinstörungen. Der Lehrer schweift nicht ab.
- Er stört die Schüler nicht beim Lernen.
3. Stimmigkeit der Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen
Zwischen den Zielen, Inhalten und Methoden bestehen Wechselwirkungen. Sie finden immer und nicht nur hin und wieder statt, aber sie sind schwer durch schiere Unterrichtsbeobachtung zu erkennen. Wird Stimmigkeit erreicht, so haben die Lehrerin oder der Beobachter das Gefühl, die Stunde sei »rund« und »aus einem Guss« gewesen. Und zumeist empfinden auch die Schüler(innen)
eine solche Stunde als »cool«, »interessant« oder »geil«.
4. Methodenvielfalt
Methodenvielfalt liegt dann vor, wenn der Reichtum der verfügbaren Inszenierungstechniken, Handlungs- und Verlaufsmuster des
Unterrichts genutzt wird, wenn die Sozialformen variiert und verschiedene Grundformen des Unterrichts (=lehrgangsförmiger Unterricht, Planarbeit, Freiarbeit, Projektarbeit) praktiziert werden
5. Intelligentes Üben
>>Die Übung ist die Wiederholung einer Tätigkeit zu dem Zwecke, dass man diese besser ausführen lerne!« (Lexikon der Pädagogik, 1913). Üben ist somit ein Element des Lernens, das vom Übungswillen getragen, zielstrebig die Automatisierung und Vervollkommnung dieser Abläufe und ihre Kodierung und Speicherung
6. Individuelles Fördern
Individuelles Fördern ist dort gegeben, wo sich der Lehrer emotional dem Schüler zuwendet, wo er Lernstandsdiagnosen für jeden Schüler erstellt und durch innere Differenzierung auf die individuellen Lernbedürfnisse und Interessen der Schüler eingeht. (…) Durch die Förderung lernschwächerer Schüler soll ein Zuwachs an Wissen und Können sowie die Vermittlung basaler Lernstrategien und Methodenkompetenzen erreicht werden. Durch die Förderung leistungsstarker Schüler sollen ihre Lernmotivation erhalten, ihr Spezialwissen ausgebaut und die Routinisierung der Methodenkompetenzen und Lernstrategien gefördert werden.
7. LernförderlIches UnterrichtsklIma
Mit dem Begriff Unterrichtsklima wird die humane Qualität des Lehrer-Schüler-und des Schüler-Schüler-Verhältnisses beschrieben.
Ein lernförderliches Unterrichtsklima ist gekennzeichnet durch:
- eine gemeinsame Orientierung auf die im Unterricht zu bewältigenden Aufgaben (= eine positive Arbeitshaltung),
- verantwortungsvollen Umgang mit Personen und Gegenständen,
- Gerechtigkeit
- eine zufriedene und fröhliche Grundstimmung,
- Höflichkeit und Respekt.
8. Sinnstiftende Unterrichtsgespräche
Sinnstiftende Unterrichtsgespräche sind Gespräche, die für den Schüler Sinn machen, indem sie
- vorhandenes mit neuem Wissen verknüpfen und
- den Schülern erlauben, eigene Interessen in die Bearbeitung des Themas einzubringen
9. Schüler-Feedback
Schüler-Feedback ist ein methodisch kontrolliertes Verfahren zur Qualitätssicherung im Unterricht durch die regelmäßige Nutzung von Schülerrückmeldungen zum Lernprozess.
Feedback kann und darf keine Einbahnstraße sein: Schüler und Lehrer vereinbaren gemeinsam Fragestellungen und Beurteilungskriterien, Regeln und Methoden, um nützliche Informationen über Lernerfolge, Lernbarrieren und -misserfolge zu sammeln.
10. Klare Leistungserwartungen und -kontrollen
Leistungserwartungen sind verbale und nonverbale Mitteilungen und Vereinbarungen über die Lernziele, die AufgabensteIlung, die Methoden und das Niveau der Zielerreichung.
Leistungskontrollen sind vom Lehrer vorgegebene oder zwischen Lehrer und Schüler(innen) vereinbarte Verfahren der formellen und informellen Beurteilung des individuellen und kollektiven Lernfortschritts.
Weiterführende Literatur
SuS-Befragung, welche der zehn Kriterien aus Schülersicht die Wichtigsten sind…
Andreas Helmke
- Was wissen wir über guten Unterricht? Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Unterrichtsforschung und Konsequenzen für die Unterrichtsentwicklung.
- Was ist guter Unterricht? Ergebnisse der Unterrichtsforschung: 10 Merkmale guten Unterrichts
Josef Leisen
Karsten Beernink
- 10 Merkmale guten Unterrichts, gekennzeichnet durch geeignete Indikatoren
Homepage “Guter Unterricht”, für Lehrkräfte und ReferendarInnen
Kompetenzorientierter Unterricht
Kompetenzorientierter Unterricht ist ein offener und schüleraktiver Unterricht, in dem die Lehrerinnen und Lehrer ihre Unterrichtsplanung, die Durchführung und Auswertung an fachlichen und über- fachlichen Kompetenzstufenmodellen orientieren und in dem die Schülerinnen und Schüler die Chance haben, ihr Wissen und Können systematisch und vernetzt aufzubauen, und in dem sie den Nutzen ihres Wissens und Könnens in realitätsnahen Anwendungssituationen erproben können.
Kompetenzorientierung allein macht noch keinen guten Unterricht!2
Mit den PISA Studien (ab 2000) begannen in Deutschland die Arbeiten an den Bildungsstandards. Ab sofort galt: Von der Input-Steuerung (= Lehrpläne schreiben vor, welche Inhalte und Gegenstände im Unterricht zu behandeln sind) zur Outputsteuerung: Nicht Gegenstände und konkrete Inhalte werden festgelegt, sondern langfristig, nachhaltig vorhandene Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bereitschaften und Kompetenzen. Inwieweit dafür bestimmte Inhalte notwendig sind, ist schulintern festzulegen. Klieme (Internationale Pädagogische Forschung (DIPF)) versteht unter Kompetenzen …
… die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.3
Grundgedanke ist, dass Schüler an unterschiedlichen Gegenständen und Inhalten vergleichbare Kompetenzen erwerben können. Die in Hessen eingeführten Kerncurricula sollten
- den Schulen und Lehrkräften eine größere Freiheit bei der Auswahl und Anordnung der Inhalte geben,
- dadurch den Unterricht besser auf die (z. T. sehr unterschiedlichen) Vorkenntnisse und -erfahrungen der Schüler anpassen können,
- die Lernergebnisse stärker vereinheitlichen und verbindlicher machen – im Sinne von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften; nicht im Sinne von konkret gelernten „Inhalten“.
Althergebracht sind – so Meyer – z. B. die Erwartungen, dass 4
- die Schülerinnen und Schüler durch genaue Lernstandsdiagnosen dort abgeholt werden, wo sie stehen
- jeder einzelne Schüler/jede einzelne Schülerin durch mehr innere Differenzierung individuell gefördert wird
- die Schülerinnen und Schüler besser selbstgesteuert lernen können (eine uralte Forderung der klassischen Bildungstheorie) und
- sie kein träges Wissen erwerben, sondern Wissen und Können miteinander zu verknüpfen lernen.
Meyers Arbeitsdefinition zum “Kompetenzorientierten Unterricht” lautet: Kompetenzorientierter Unterricht ist ein offener und schüleraktiver Unterricht, in dem
- die Lehrerinnen und Lehrer auf der Grundlage genauer Lernstandsdiagnosen ein differenzierendes Lernangebot machen,
- die Lehrerinnen und Lehrer ihre Unterrichtsplanung, die Durchführung und Auswertung an fachlichen und über- fachlichen Kompetenzstufenmodellen orientieren,
- die Schülerinnen und Schüler die Chance haben, ihr Wissen und Können systematisch und vernetzt aufzubauen, und
- sie den Nutzen ihres Wissens und Könnens in realitätsnahen Anwendungssituationen erproben können.
Kompetenzorientierung sagt somit viel darüber aus, was herauskommen soll, aber nur wenig darüber, wie der Unterricht gestaltet werden kann. Dazu formuliert nun Meyer sieben Bausteine:
- die kognitive Aktivierung der Schüler(innen) durch anspruchsvolle, aber gut abgestimmte Aufgabenstellungen,
- die Vernetzung des neu Gelernten mit vorhandenem Wissen und Können,
- das intelligente Üben,
- die Suche nach geeigneten Anwendungssituationen,
- die individuelle Begleitung dieser Prozesse
- die Reflexion des Lernfortschritts durch die Schüler(innen), die mit einem Fachbegriff auch als „Metakognition“ bezeichnet wird und
- die kompetenzstufenbezogene Kontrolle der Lernergebnisse
und lädt darüber hinaus ein, sich auf die didaktische Schatzsuche zu begeben.5
Prüfsteine für neue Medien im Unterricht
Kognitive, emotionale und soziale und Aktivierung
Die emotionale Aktivierung ist beim Thema digitale Medien zumeist einfach. Es macht den meisten Schülerinnen und Schülern viel Spaß, mit den inzwischen sehr anspruchsvoll gestalteten Medien zu arbeiten. Auch die kognitive Aktivierung kann gelingen, wenn es gelungen ist, am Leistungsstand der Schüler orientierte Lernaufgaben kognitiv abzusprechen. Eine gute Lernaufgabe sollte aber auch sozial aktivieren, z.B. durch geschickt angelegte Tandem- oder Kleingruppenarbeit.
Förderung reflexiver Distanz (Medienmündigkeit)
Hilft die Art und Weise, in der der Unterricht gestaltet wird, den Schülerinnen und Schülern, reflexive Distanz zur eigenen Mediennutzung und zu digitalen Medien insgesamt herzustellen? Wird das mediengestützte Lernen durch Metaunterricht (Peer-Tutoring, Feedbackrunden, Bewusstmachen von Lernstrategien usw.) unterstützt?
Stärkung des selbstorganisierten Lernens
Können die Schüler in wachsendem Umfang selbstorganisiert arbeiten und sich eigene Lernwelten und Lernwege erschließen? Funktioniert die Selbstkontrolle des Lernerfolgs? Werden die entstandenen Arbeitsergebnisse klassenöffentlich gemacht, gelobt und wenn nötig, auch kritisiert?
Für die einzelnen Lehrerinnen & Lehrer:
Hilfen bei der Individualisierung des Unterrichts
Helfen die digitalen Medien bei der gezielten Förderung der immer heterogener werdenden Lerngruppen? Hilft dies auch den Leistungsschwächeren? Wird inklusives Unterrichten gestützt? Profitieren die Leistungsstarken?
Die Lehrerin/der Lehrer als Vorbild
Kann die Lehrperson den Schülern einen
selbstbewussten und kreativen Umgang mit digitalen Medien leibhaftig vorleben? Kann sie zeigen, dass und wie sie ethische Spielregeln der Mediennutzung selbst einhält und sich vor Gefahren schützt?
Zumutbarkeit der Arbeitsbelastung
Hält sich die Arbeitsbelastung in Grenzen?
Entspricht der Aufwand für Vorbereitung und Durchführung des Medieneinsatzes
dem Arbeitsertrag?
Im Blick auf das Unterrichtsentwicklung der ganzen Schule:
Ausbalancierung von individualisiertem und gemeinsamem Lernen
Gibt es eine kluge Mischung von individualisiertem, kooperativem und gemeinsamem Unterricht? Orientiert sich das Unterrichtsangebot an der Maxime „Mischwald ist besser als Monokultur“? Oder besteht die Gefahr, in eine Individualisierungsfalle zu tappen?
Stärkung der kollegialen Kooperation
Verlässlichkeit der Administration
Die schönsten Medien sind nichts wert, wenn sie nicht verlässlich genau in der Stunde verfügbar sind, in der sie im Unterricht benötigt werden. Deshalb sollte es an jeder Schule einen Administrator geben. Das Geld dafür muss von Kommunalpolitikern und in Zukunft wohl auch aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden.
Nachhaltigkeit der Nutzung
Bewähren sich die eingesetzten Medien im
Unterrichtsalltag? Werden sie auch dann weiter genutzt, wenn die Initiativgruppe für eine digitale Neuerung nicht mehr aktiv ist?
Footnotes
- Meyer, Hilbert: Zehn Merkmale guten Unterrichts. Empirische Befunde und didaktische Ratschläge. Pädagogik 10/03, S. 36 ff, Beltz
- https://www.friedrich-verlag.de/fileadmin/redaktion/sekundarstufe/Paedagogik_und_Faecheruebergreifende_Themen/Schulleitung/Lernende_Schule/Leseproben/Lernende_Schule_58_Leseprobe_1.pdf
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.); Eckhard Klieme u.a. (Autor): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Berlin 2003, S. 72
- ebda.
- https://phzh.ch/globalassets/phzh.ch/kompetenzorientierter_unterricht/feindt_a-meyer_h2010.pdf
- https://uol.de/fileadmin/user_upload/fachschaften/fslehramt/Hilber_Meyer_Handout_Kreidestaub-OL_Juni-2018.pdf