Letzte Woche ging es um ein erstes Kennenlernen des Lernmanagementsystems Canvas als zentrales Organisationswerkzeug sowie mit Pronto ein im LMS integrierte Chatplattform. In dieser Woche lernten die Teilnehmer:innen ein neues Werkzeug kennen: Wonder (aka yotribe). Dazu später mehr …

 Gemäß der Maxime Pädagogik und Technik wurde die Werkzeugnutzung eingebettet in eine Fragestellung mit ökosystemischen Hintergrund. 

 

Theorie: Ökosystematische Ansatz nach Bronfenbrenner

Urie Bronfenbrenner hat vor knapp 40 Jahren einen Ansatz vorgestellt, der einen differenzierten Blick auf unterschiedliche Entwicklungskontexte ermöglicht. Er unterscheidet verschiedene Realitätsebenen (Mikro-, Meso-, Exo-, Makrosystem). Hier eine kurze Erklärung der Realitätsebenen:

  •  Das Mikrosystem beschreibt unsere unmittelbare persönliche Wirklichkeit und Möglichkeiten. Dazu gehört unsere Familie, unser Selbst- und Weltbild, unsere persönlichen Werte und Einstellungen.
  • Das Mesosystem (‘Nahbereich’) beinhaltet die (face-to-face Gruppenebene) Interaktion mit Menschen, die wie im Alltag antreffen, etwa Kolleginnen und Kollegen sowie Eltern,  Schülerinnen und Schüler im Unterricht.
  • Das Exosystem beschreibt die organisatorische und institutionelle Ebene, etwa die lokale Schulsituation, die Einbettung in die Stadt oder das Dorf, die lokale Situation von Lehrkräften inklusive die Situation der Schulleitung und die Struktur der Schulverwaltung.
  • Zum Makrosystem gehören u.a. das weitere regionale und nationale Umfeld, etwa Schulgesetze und Richtlinien, der Bildungsauftrag, Programme wie der Digitalpakt, sowie kulturelle und gesellschaftliche Werte und Normen.

Bronfenbrenner betont in seinem ökosystemischen Ansatz die Bedeutung des Zusammenspiels von Systemen, in die ein Mensch eingebunden ist und die Relevanz der Übergänge von einem System ins andere. Was genau dahintersteckt, erfährt man in diesem, mit der Legetechnik entwickelten Erklärfilm der pädagogischen Fachhochschule Nordwestschweiz.

 

Praxis: Die Lernaktivitäten

 Die Lehramt Studierenden wie auch die Lehrkräfte der fünf Schulen sind nun eingeladen, sich in den Diskussionsforen von CANVAS mit dem Modell auseinanderzusetzen. Mit folgenden Fragen:

  • Welche Aspekte digitaler Bildung beschäftigen mich aus der Sicht meiner Biografie? (Erlebnisse und Erfahrungen, empfundene Chancen und Fortschritte, aber auch Befürchtungen)
  • Wie sind meine persönlichen Erfahrungen, Motive und Eindrücke mit anderen Realitätsebenen verbunden?
  • Was habe ich aus den Stellungnahmen anderer Teilnehmer*innen gelernt? Zum sozialen Austausch verwendet ihr unser’ Videochat Beach Hotel’ für Kleingruppen-Kommunikation.

Und Schwupps, schon wird mit dem “Videochat Beach Hotel” ein neues Tool angekündigt: Wonder.

 

Das Videokonferenzsystem Wonder (aka yotribe)

 

Einen ersten Eindruck in das Tool vermittelt ein Video von Alexander Lasch, der Wonder anlässlich einer Universitätstagung einem Härtetest unterzog. Es zeigt die grundsätzliche Arbeitsweise:

  • Man erhält einen Link.
  • Das System prüft zunächst die Konnektivität mit Ton, Micro und Bild.
  • Das System generiert ein kleines Bild via Webcam, das einen während der Sitzung begleitet … Also schön lächeln ;–)
  • Und schon ist man auf einem großen Platz (Universität) mit mehreren Räumen (Fakultäten). Die dort in einer Blase befindlichen Personen sind im Rahmen einer Videokonferenz verbunden.

Für eine ergänzende Erläuterung in die ersten Schritte empfehle ich ein (allerdings englischsprachiges) Erklärvideo von Dominik E. Fröhlich.

Eine erste Bewertung

Wonder ist ein Angebot eines Berliner Start-up, das sich aufmacht, Zoom, Big Blue Button, Jitsi u. v. m. eine echte Konkurrenz zu werden. Es wird zurzeit kostenfrei angeboten. Das wird sich nach Aussagen der “Macher” im nächsten Jahr ändern. Ob die Schulen den Dienst auch nach diesem Einführungszeitraum weiter unentgeltlich nutzen können, darüber gibt es noch keine Aussagen. Gleichwohl, in diesem Videokonferenzansatz werden Ideen umgesetzt, die vor allem in ihrer intuitiven Nutzung bestechen und völlig neue Wege gehen. Wir werden es nun regelmäßig einsetzen. Unsere ersten Gehversuche zeigen:

Positiv:

  • Das System sorgt dafür, dass man sofort mit Bild gezeigt wird (via Screenshot von Webcam)
  • verschlüsselte Übertragung
  • schnelle Organisation von Gruppenarbeiten
  • gezielte Hinweise in alle Gruppen via Broadcasting Funktion
  • Werkzeuge wie Message, persönliche Einladung ermöglichen individuelle Betreuung

Kritisch:

  • Technik nicht ganz so easy, wie sie sich im Firmenauftritt vermittelt. Sinnvoll daher: Onboarding Prozess mit individueller Betreuung
  • Mausführung/ -handling stimmt nicht immer mit dem Bildschirm überein, kann in manchen Fällen zu schnell bzw. zu ruckartig sein
  • Die Nutzung eines Trackpads, erst recht eine reine Keyboardsteuerung muss getestet, eingeübt werden
  • nicht für Smart- und iPhone geeignet

Schlussbemerkung

Gleichwohl, in der Freitagsrunde haben alle Teilnehmer:innen das hohe Potenzial des Werkzeugs bestätigt. Mitglieder der Schulteams sehen sich motiviert, das Tool einmal auszuprobieren. Gruppenarbeit im Format einer amerikanischen Kollegin (siehe Bild rechts, zur Vergrößerung einfach darauf klicken) gelingen sehr einfach und schnell. Brodcastingfunktionen lassen schnelle Organisationsfragen und -anweisungen stellen. Man kann den Schülerinnen und Schülern durchaus auch einmal das Tool für deren eigene Treffen überlassen. Jedes “Einschleichen” wird durch den Screenshot zumindest angezeigt. Die komplette Video- und Chatkommunikation läuft verschlüsselt ab. Systeminterne Aufzeichnungen, auch Chatprotokolle sind nicht möglich.

Noch einmal zurück zum Modell von Urie Bronfenbrenner. Ich habe in meinem Studium keine “echte” pädagogische Ausbildung erhalten. Das Ausbildungscurriculum sah ausschließlich eine Vertiefung in die Theorien der Studienfächer vor. Praxisanteile waren kaum vorhanden. Erst recht keine Anleitungen, wie man sich auf Metaebenen bewegen kann. Der kurze Einblick in die Diskussionsbeiträge der Lehramt Studierenden wie auch der Schulteams zeigt mir, wie zielführend eine Auseinandersetzung mit Beobachtungen aus dem Unterricht unter verschiedenen Gesichtspunkten sein kann …

Was erwartet uns in dieser Woche? Wir werden einen Selbsttest bezüglich unserer Medienkompetenzen durchführen (DigCompEdu) und eine Reihe von Kompetenz-Rahemnemodelle kennenlernen.

… Stay tuned …

Bildnachweis: “Choose a work room” by Mrs. Park at https://www.mrspark.org/free