Wie häufig wird gefordert, Lehramt Studierende mögen bereits in der Uniausbildung Praxisgelegenheiten angeboten bekommen. Nun allerdings mit einer veränderten Sichtweise, die einer Lehrkraft.

Eine weitere Forderung ist, Schule möge sich auf die Digitalisierung in der Schulbildung vorbereiten. Viele Universitäten und Ausbldungsbetriebe wünschen sich Schülerinnen und Schüler, die jenseits der Fachkompetenz vor allem Sozialkompetenzen mitbringen mögen.

Der PISA-Koordinator Andreas Schleicher hat in Deutschland das Modell 4 K – Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation ins Spiel gebracht. Auch er argumentiert von beruflichen Anforderungen aus, die klassische Unterrichtsfächer in den Hintergrund rücken ließen. Schleicher betont, der Umgang mit Wissen habe sich gewandelt: Inhalte würden nicht mehr gespeichert und dann von Lehrkräften an Lernende vermittelt. Vielmehr flössen sie, meint Schleicher, in Strömen unablässiger Kommunikation und Kollaboration. Die Bildungsforscherin Lisa Rosa teilt diese Sicht und benennt drei Argumente, warum das 4K-Modell zum Orientierungspunkt für die Didaktik werden sollte1:

  • Immer mehr Arbeiten werden von Maschinen übernommen.
  • Jede neue Arbeit verlangt mehr komplexes Denken, situierte selbstverantwortliche Entscheidungen und Beziehungsfähigkeit.
  • Die zu lösenden gesellschaftlichen Probleme sind so komplex, dass sie nur noch mit kollektiver Intelligenz bearbeitbar sind.

Wie kann man dieser Komplexität gerecht werden? Sicher nur mit Expertise. Und genau dazu, dem Aufbau und die Weiterentwicklung von Know- how dient das folgende Angebot.

Schulteams und Studierende lernen gemeinsam für die Digitalisierung in der Bildung

Die Medienfaktur an der Universität Oldenburg bietet im Wintersemester 20/21 Lehramt Studierenden unter dem Titel ‚Digitaler Unterricht‘ ein Seminar an, das sie mit Schulteams, bestehend aus Schulleitungen sowie Lehrkräften, zusammenbringen wird. Ziel ist zunächst, in dem innovativen Modul Lösungen für die zentralen Herausforderungen des digital-unterstützten Lernens zu entwickeln. Dazu gehören unter anderem der Erwerb digitaler Kompetenzen, deren Verbindung zum Bildungsauftrag, die Psychologie multimedialen Lernens, die pädagogische Entwicklung von Blended Learning bzw. online Unterrichtseinheiten und die Einbettung pädagogischer Strategien in moderne Lernplattformen. Die Lerngemeinschaft aus Studierenden und Schul(leitungs)teams ermöglicht einen regen Austausch und wechselseitigen Abgleich vielfältiger Perspektiven, Ideen und Erfahrungen.

Das 14-wöchige Seminar setzt auf eine Balance zwischen lebendig-synchroner Kommunikation, die während des gesamten Semesters als soziales Netzwerk zugänglich ist, und asynchroner Kommunikation, wie etwa der Zugang zu online Lern- und Lehrmaterialen oder Diskussionsforen. Hierzu setzt die Medienfaktur eine eigene state-of-the-art Lernumwelt ein, deren Ideen und Strategien sich auch auf bereits eingeführte Schulimplementationen umsetzen lassen.

Ein inhaltlicher und aktuell hoch-relevanter Schwerpunkt ist die Entwicklung von Schulkonzepten, die die Lernaktivitäten in der Schule mit denen zu Hause verknüpft sieht (sog. blended learning/ hybride Verfahren). Damit das Seminar eine nachhaltige Wirkung entfalten kann, plant die Medienfaktur einen permanenten digitalen Austauschraum für die beteiligten Schulteams.

Die Entwicklerin und Leiterin des Projektes ist Joana Kompa von der Medienfaktur an der Universität Oldenburg. Das Projekt läuft im Rahmen der Lehrerprofessionalisierung unter OLE+, gefördert vom BMBF, sowie dem Projekt Innovation Plus, gefördert vom Land Niedersachsen.

Die Schulteams werden von Dr. Michael Drabe, einem externen Digitalisierungsexperten betreut. Beide kooperieren im Management des Seminars für ihre Gruppen und sorgen für eine formative Prozessbegleitung.

Das Kernanliegen des Seminars liegt in der Qualitätsentwicklung digitaler Lehre. Es geht nicht so sehr um den Übergang der ‚Gutenberg Kultur‘ in eine ‚Kultur der Digitalität‘, sondern darum, neue digital-unterstützte Lernumgebungen zu schaffen, in denen sich Lehrende wie Lernende zu aktiv-partizipierenden Lerngemeinschaften zusammenfinden. Wenn das Projekt von Lehramt Studierenden wie auch von den Schulteams als wichtige und wertvolle Aus- und Weiterbildungsressource anerkannt wird, sind im Anschluss weitere vergleichbare Bildungsangebote geplant.

Programmablauf, Inhalte und Ziele

Digitaler Unterricht, Programm 

Woche 1

Einführung in die digitale Lernumgebung und die Lerngemeinschaft:

Selbstvorstellung im Forum (Verwendung des Medieneditors), Installation der Programme für mobilen Zugang zur Lernumgebung, Gilly Salmons 5-Stufen Modell

 

Woche 2

Einführung in das kooperative Arbeiten mit digitalen Medien, die Verwendung von synchronen und asynchronen Kommunikationsmöglichkeiten, Semi-strukturierte Diskussion: Meine Motivation(en) und Positionierung in der digitalen Bildung

 

Woche 3

Bildungsauftrag und digitale Kompetenzen: eine Übersicht zu maßgebenden Kompetenzrahmenmodellen und ihre kritische Bewertung. Selbsttest (Wie digital kompetent bin ich?) mit dem europäischen Selbst-Evaluations Tool zu DigCompEdu. Diskussion zur Umsetzung digitaler Kompetenzen in die Praxis sowie deren Bezug zum Bildungsauftrag

 

Woche 4

Einführung in die Psychologie multimedialen Lernens in Theorie und Praxis: Übungen zur Kombination visueller Materialien mit Text, die Erstellung einfacher Grafiken und Gestaltungsprinzipien (Grundlagen A)

 

Woche 5

Einführung in motivationale Aspekte multimedialen Lernens: Übungen zur Lernaktivierung, dem Erstellen interaktiver Skripte und der Gestaltung motivierender Lernbedingungen (Grundlagen A)

 

Woche 6

Die Sequenzierung von Lernaktivitäten im Hinblick auf das Constructive Alignment: die Angleichung von Lernzielen, Lernaktivitäten und Leistungsbewertungen für summative und formative Evaluierungen (Grundlagen B)

 

Woche 7

Anwendung: Kooperative Recherche zur Festlegung von Lernzielen an einem selbst gewählten Fallbeispiel, (Grundlagen B)

 

Woche 8

Die Sequenzierung von Lernaktivitäten im ABC Workshop Format: die Planung von Unterrichtseinheiten für online und Blended Learning Unterrichtseinheiten, (Grundlagen B)

 

Woche 9

Die kunterbunte Welt der Learning Apps und OER (Open Educational Resources): Gelingensbedingungen, Kritik und Möglichkeiten der kooperativen Erstellung von Lehr und Lernmaterialien, (Grundlagen C)

 

Woche 10
Woche 11

Hacking It! Die Umsetzung pädagogischer Strategien des ABC Workshops in ein Lernmanagementsystem (LMS), Gruppenprojekt zu verschiedensten LMS, (Grundlagen D)

 

Woche 12
Woche 13 Offene, kreative und reflektierende Medienproduktion zum Semester. Diskussion zur Zukunft von Schulen und Hochschulen, neuen Berufsbildern in der digitalen Bildung und pädagogischen Wandel
Woche 14

 

In dem Modul ‚Digitaler Unterricht‘ der Medienfaktur werden im Wintersemester 2020/21 in den folgenden Bereichen Kompetenzen erworben:

  • Die Grundlagen zur Entwicklung online-basierter Lerngemeinschaften
  • Die Vermittlung von Bildungsauftrag und digitalen Kompetenzen unter besonderer Berücksichtigung der Strategie der Kultusministerkonferenz ‚Bildung in der digitalen Welt‘ und des europäischen Kompetenzrahmenmodells DigCompEdu (European Framework for the Digital Competence of Educators)
  • Die Anwendung und Evaluation von Lernapplikationen sowie Open Educational Resources (OER)
  • Eine Einführung in die Lernpsychologie multimedialen Lernens in Theorie und Praxis
  • Die Entwicklung pädagogischer Strategien in digital-unterstützten Unterrichtsformaten
  • Die Übersetzung pädagogischer Strategien in Lernmanagement Systeme (LMS)

Schulleiter*innen erwerben grundlegende Kompetenzen

  • im kooperativen Arbeiten mit digitalen Medien,
  • in der Umsetzung des Bildungsauftrags mithilfe digitaler Medien.,
  • Sie bekommen einen umfassenden Überblick zu den institutionellen Gelingensbedingungen zur Planung digital-unterstützten Unterrichts,
  • der Ermittlung von Trainingsbedarf,
  • dem Management digitaler Lehr und Lernmaterialien,
  • der Bedeutung von Lernplattformen für Schulen sowie
  • Kriterien und Prozesse zu deren Anschaffung.

Lehrer*innen erwerben grundlegende Kompetenzen

  • zur Gestaltung digitaler Lehr und Lernmaterialien,
  • zur Förderung digitaler Lerngemeinschaften,
  • zur systematischen und pädagogisch-informierten Entwicklung digital-unterstützter Unterrichtformate und
  • deren Umsetzung in moderne Lernmanagementsysteme.
Weiterführende Informationen (Start, Projektseite)

Offizieller Start des Programmes: 19. Oktober 2020
Ende des Programmes: 31.März 2021
Dauer: 14 Wochen
Form: Online mit zwei wöchentlichen Videokonferenzen (montags und freitags)

Projektseite mit weiteren Detailinformationen.

Die Veranstaltung wird zertifiziert vom Oldenburger Fortbildungszentrum (OFZ). Es fallen keine Teilnahmegebühren an.

Wie bewirbt man sich als Schulteam?

Folgende Kriterien bitten wir zu beachten:

  • Schulform: Alle Schulen aus Sek I & II sowie dem tertiären Bildungsbereich sind eingeladen. Das Seminar richtet sich nicht an Grundschulen.
  • Technische Infrastruktur: Vernetzte und internetfähige Klassenräume und/ oder WLAN in der Schule, eine bestehende oder unmittelbar geplante Schulplattform (LMS). Dabei gibt es keine präferierte Lösung: Moodle, lo-net2, ilias, HPI-cloud, Nextcloud oder vergleichbare Open Source oder kommerzielle Lösungen wie itslearning, iServ. Alle sind uns willkommen.
  • Funktion und Lehramt: Die Schulteams bestehen aus drei Personen, einer davon muss Mitglied einer Schulleitung sein. Eine der beiden weiteren Lehrkräfte ist vorzugsweise Mitglied einer Steuergruppe. Bei den Lehrkräften sollten sowohl MINT als auch sprachlich-musische und andere Fächer repräsentiert sein. Da es um die Umsetzung für alle Fächer geht, ist eine didaktische Vielfalt explizit erwünscht.

Interessierte Schulleitungen beschreiben bitte unter Berücksichtigung der o.g. Kriterien ihre Motivation einer Teilnahme in Form eines Textes, aus dem auch hervorgeht, wie eine Nachhaltigkeit sicher gestellt wird, wie es also – nach Abschluss der Aus- und Weiterbildung – weitergeht.

Die Bewerbung muss (noch) keine personenbezogene Daten enthalten. Die Abfrage dieser Daten übernimmt nach Auswahl der Schulteams das Oldenburger Fortbildungszentrum (OFZ), auch um eine zertifizierte Teilnahmebestätigung zu gewährleisten.

Dieses Dokument mailen Sie bitte bis spätestens 10. Oktober 2020 an: E-Mail

 

 

 

Blick in die Zukunft: das Jahr 2030

 

Es gibt eine Reihe von Forschungsberichten, die Unternehmen, Mittelständler und Kleinbetriebe danach befragt haben, welche Berufe und welche Kompetenzen (Skills) man in der Zukunft von den Schülerinnen und Schülern erwarten muss. Auskunft gibt ganz aktuell eine Übersetzung des OECD Learning Compass 2030, der soeben unter dem Titel OECD Lernkompass 2030 veröffentlicht wurde. Aus ihr stammt auch die folgende Übersicht2:

 

Andreas Schleicher in seinem Vorwort3:

Bei der Arbeit, zu Hause und in der Gemeinschaft werden Menschen ein tiefgehendes Verständnis dafür benötigen, wie andere denken, ob z. B. als Wissenschaftler oder als Künstler, und wie andere in verschiedenen Kulturen und Traditionen leben. Welche Aufgaben und Arbeiten auch immer Maschinen von Menschen übernehmen mögen, die Anforderungen an unser Wissen und unsere Fähigkeiten, einen sinnvollen Beitrag zum sozialen und bürgerlichen Leben zu leisten, werden weiter steigen. (…)

 

Das führt uns zu der schwierigsten Frage in der Bildung – der Werteorientierung von Bildungsprozessen. Werte waren schon immer von zentraler Bedeutung für die Bildung, aber es ist an der Zeit, dass sie von impliziten Bestrebungen zu expliziten Bildungszielen und -praktiken werden. Das kann die Entwicklung von situationsbedingten Wertesystemen – d.h. „Ich tue, was immer eine Situation mir erlaubt“ – hin zu nachhaltigen Wertesystemen unterstützen, die Vertrauen und soziale Bindungen stärken. Die Chance von Bildung ist es, für und mit den Menschen ein solides Fundament für das Handeln und ein verantwortungsvolles Miteinander zu entwickeln.

 

Die Quintessenz ist, dass wir, wenn wir der technologischen Entwicklung voraus sein wollen, die Qualitäten finden und verfeinern müssen, die einzigartig für uns Menschen sind. Dieses Vermögen gilt es zu entwickeln, damit sich unsere Fähigkeiten und die unserer Computer ergänzen können und nicht miteinander konkurrieren.

Der Blog “unterricht digital” hat eine Projektseite Impuls 2020 – Schule 2030 eingerichtet. Hier kommen eine Reihe von Didakterinnen und Didaktikern zu Wort, die einen Blick in Zukunft werfen. Viele der angesprochnenen Themen werden im Modul aufgegriffen bzw. vertieft.

Aus dieser Reihe stammt auch das folgende Statement von Ines Bieler, einer Hochschuldidakterin aus Halle- Wittenberg:

Bildung ist für mich immer verbunden mit Neugier, Wissbegierde und Kreativität. Bildung muss auf einem soliden Fundament aus Wissen, Können und kompetentem Handeln stehen, darf aber nicht verharren, sondern muss in allen Beteiligten, egal ob Lernende oder Lehrende, den Drang zur Weiterentwicklung, zum lebenslangen Lernen entfachen. Ich freue mich, verschiedene Netzwerke aufzubauen oder mich an ihnen zu beteiligen – immer auf der Suche nach Input und Austausch.4

das Frau Kompas und meine uneingeschränkte Zustimmung findet und für uns Leitmotiv bei der Betreuung der beteiligten Lehramts Studierenden und Schulteams ist.

… Stay tuned …

Bildnachweis: Photo by Headway on Unsplash

Footnotes

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/4K-Modell_des_Lernens
  2. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/OECD_Lernkompass_2030.pdf
  3. ebd. S. 6 f.
  4. https://unterrichten.digital/2020/04/21/ines-bieler-schule2030/