Lernen braucht Dialog – nicht nur zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern auch zwischen Gleichaltrigen. Wenn Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig Feedback geben, entsteht eine Lernkultur des Vertrauens, der Verantwortung und der Reflexion. Peer-Feedback ist damit weit mehr als eine methodische Ergänzung – es ist ein Katalysator für Selbstwirksamkeit und vertieftes Lernen. Darüber hinaus geht es bei der Integration von Peer-Feedback in den Unterricht nicht nur darum, die Chancen auf eine gute Note zu erhöhen, sondern auch darum, die Lernenden auf die reale Welt vorzubereiten. In praktisch jedem Beruf muss man:
- die eigene Arbeit bewerten,
- Kolleginnen und Kollegen Feedback geben,
- konstruktive Kritik akzeptieren und einbeziehen.
Damit das gelingt, braucht Peer Feedback klare Strukturen, gemeinsame Kriterien und Raum für Fehlerfreundlichkeit. Besonders wirksam wird es, wenn es eingebettet ist in einen Dreiklang aus Selbsteinschätzung, Peer-Rückmeldung und professionellem Feedback.
Praxisbeispiel: Projektunterricht
Ich nehme dabei eine Übersetzungsarbeit von Gratian Riter auf: Er hat eine Sammlung zu Projektideen erstellt, die sich für eine schulische Behandlung eignen. In einem fächerübergreifenden Projekt erstellen Schülerinnen und Schüler häufig in Gruppen kreative Endprodukte. Diese werden in einem Zwischenschritt durch Peer-Feedback anhand eines Kriterienrasters bewertet. Die Rückmeldungen sind konkret und konstruktiv: „Ich habe verstanden, dass…“, „Besonders gelungen finde ich…“, „Ich würde vorschlagen…“.
Digitale Tools wie TaskCards, Padlet oder FelloFish strukturieren den Prozess und machen Rückmeldungen nachvollziehbar. In einer Reflexionsphase wird sichtbar, wie die Rückmeldungen das Produkt verbessert haben – und wie sehr sich die Beteiligten dabei als Lernende und Lehrende zugleich erleben.
Mini-Curriculum
Ein schulweites Feedbackverständnis entsteht nicht über Nacht. Peer Feedback kann aber systematisch aufgebaut werden. Der Artikel Lernerlebnisse durch formatives Peer- und Self-Assessment fördern von Prof. Steve Joordens schlägt vor (ich übertrage nun auf die Schulwelt):
- Bewertungsschemata und klare Kriterien: Die Forschung zeigt, dass Lernende viel effektiver bewerten, wenn sie explizite Bewertungsschemata erhalten, die beschreiben, wie eine „gute Arbeit“ aussieht
- „Just-in-Time“(JiT)-Mikro-Lernressourcen können ebenfalls die Qualität und Konstanz des Feedbacks verbessern. Diese Methode wurde in den 1950er Jahren von Toyota entwickelt. Das Ziel war einfach: Die exakten Teile, die für die Produktion benötigt werden, nur dann bereitzustellen, wenn sie benötigt wurden. Das sparte Platz, senkte die Kosten und sorgte für einen reibungsloseren Ablauf. JiT blieb nicht in der Fertigung — es stieg in die Welt des Lernens ein. Genau wie in der Fertigung vermitteln JIT-Schulungen den Mitarbeitern genau das, was sie brauchen, und zwar genau dann, wenn sie es brauchen, etwa (ich übertrage auf die Schulwelt)
- zur Unterstützung der Lernenden bei der Entwicklung von kreativen Produkte,
- für Kurzanleitungen für Arbeiter (z. B. kurze Trainingsvideos, Screencasts),
- Auffrischungen für Beschäftigte im Gesundheitswesen (z. B. durch interaktive Lernaktivitäten) ,
- Kompetenztrainings (z. B. durch Dialogsimulation).
- Kalibrierungsübungen: Bevor Lernende an einer Peer-Assessment-Übung teilnehmen, können sie gemeinsam eine Arbeitsprobe bewerten und ihre Bewertungen und Begründungen besprechen, um ihre Standards anzugleichen.
- Anonyme Bewertungen: Durch die Anonymität von Peer-Bewertungen werden Voreingenommenheiten reduziert und die Lernenden fühlen sich wohler, ehrliches zu Feedback geben und zu erhalten.
- Mehrere „Gutachter:innen“: Wenn mindestens drei Schülerinnen und Schüler jede Einreichung bewerten, werden individuelle Voreingenommenheiten ausgeglichen und ein umfassenderes Feedback gewährleistet.
Schlussbemerkungen
„Peer- und Self-Assessment verlangen nicht nur neue Formate, sondern vor allem eine neue Haltung – bei Lernenden und Lehrenden.“ Sie soll zusammenfassend
- durch Einführung in Feedbackprinzipien, durch Übungssituationen mit Beispielen ein Verständnis ermöglichen,
- durch den Einsatz in kleinen Aufgaben, durch eine kontinuierliche Begleitung durch die Lehrkräfte eine Anwendung einüben,
- durch Feedback in Portfolioarbeiten und Präsentationen eine Förderung der Selbstständigkeit ermöglichen und
- durch regelmäßige Reflexion, Einbindung in Leistungsentwicklungsgespräche eine Feedbackkultur verankern.
… stay tuned …
P.S.
Ich habe übrigens im analogen Instrumentenkatalog auf meiner Themenseite Feedback einen Thread von Sebastian Eisele aufgenommen. Er stellt Feedbackbögen für SuS – LK (alle cc0) sowie Möglichkeiten ihrer Auswertung vor.
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