Die Schule soll und muss auf ein Hochschulstudium vorbereiten. Sie macht das u. a. mit sogenannten Uni(besuchs)tagen, mit Informationsveranstaltungen vor Ort und eben innerhalb des Unterrichts. Insbesondere hier über das Studienfach Mathematik zu informieren, ist für Schülerinnen und Schüler sicher hilfreich, da die Schulmathematik nichts mit dem Studienfach Mathematik gemein hat. Geht es in der Schule eher ums „Rechnen“, geht es im Studium um Strukturen. Oder, wie mein Matheprof in der Grundvorlesung Differential- und Integralrechung zu sagen pflegte: „Wir Mathematiker hören da auf, wo die Physiker ihre Arbeit aufnehmen. Das Rechnen überlassen wir dann denen.“ Wie ich im weiteren Studiumverlauf dann sehen sollte: Ein gut gepflegter intellektueller Zweikampf zwischen diesen beiden Fakultäten. Legendär die gemeinsame Karnevalssitzungen …Die können auch lustig …

Zurück zur Schule. Es gibt nur wenige Gelegenheiten, auf die strukturellen Eigenschaften der Mathematik einzugehen. Mengenlehre ist in den 80er-Jahren vom Lehrplan verschwunden, andere Themen, fakultativ im Curriculum ausgewiesen, kommen kaum zur Sprache. Dazu gehören etwa Axiomatik, viele Themen der euklidischen und/oder analytischen Geometrie sowie Grenzwertbetrachtungen in der Analysis. Vermutlich sind in den Pandemiezeiten noch mehr Aufgabenstellungen aus diesen Bereichen zum Opfer gefallen. Was tun?

 

Sekundarstufe 1

Nun, niederschwellig denke ich: Als Mathe-Lehrkraft jede Gelegenheit nutzen, im Unterricht ein wenig über das Studium zu erzählen. Das kann man propädeutisch bereits in den Jahrgängen 5-7 anlegen, wenn z. B. die Frage nach der Mächtigkeit von natürlichen Zahlen (ℕ), ganzen Zahlen (ℤ) und rationalen Zahlen (ℚ) aufkommt. Bei mir stellte sich immer ein Raunen ein, wenn ich einfach mal so behauptet habe: Ist alles gleichmächtig. Natürlich wollten die Schülerinnen und Schüler das begründet bekommen, versagte doch hier vollständig das Vorstellungsvermögen, schließlich kommen ja immer mehr Zahlen hinzu (ℕ ⊂ ℤ ⊂ ℚ). Ich habe dann immer das Gedankenexperiment von David Hilbert vorgestellt, bekannt auch als Hilberts Hotel der Unendlichkeit (hier z. B. ein Video von Matthias Büger). Ein weiteres Video hat arte produziert: Auf dem Weg in die Unendlichkeit.

 

Sekundarstufe 2

Oder in der Oberstufe an geigneter Stelle mit der Frage: Was glauben Sie: Besitzt die geometrische Reihe 1/2 + 1/4 + 1/8 + … einen Grenzwert?

Viele meinten entweder: „Natürlich nicht, wird ja immer etwas hinzuaddiert“. Oder: „Na, wenn Sie schon so fragen, wahrscheinlich schon, auch wenn ich das kaum glauben kann.“ In diesem Fall ist es erst einmal einfach, sich zumindest via Anschauung von dem Grenzwert 1 zu überzeugen:

Ob Schülerinnen und Schüler nachfragen, wenn sie die Schieberegler gesteuerte Animation gesehen haben: „Wie kommt eigentlich die Formel zustande?“ „Gilt das für alle vergleichbaren Fragestellungen“, z. B. für die harmonische Reihe 1/2 + 1/3 + 1/4 + 1/5 + … ?“ Übrigens nein, wie ebenfalls viele Videos erläutern.

Buchvorstellung

Es ist kürzlich ein unterhaltsames und ohne Formelsprache erläuterndes Buch erschienen: Marcus Sautoy, – Eine sehr kurze Einführung in die Unendlichkeit

Der Verlag kündigt es so an:

Willkommen im Hotel Unendlichkeit. Es verfügt über eine unendliche Zahl von Zimmern, und in jedem der ankommenden Reisebusse sitzt eine unendliche Zahl von Menschen, die dort übernachten wollen. Wie sie unterbringen? Marcus du Sautoy, bekannt für die Zugänglichkeit und den Witz, mit denen er die Welt der Mathematik verständlich macht, entschlüsselt das Geheimnis der Unendlichkeit.

Ein wirklich lesenswertes und damit empfehlenswertes Buch, nicht nur für Mathe-Lehrkräfte. Auch und damit zurück zu unserem Auftrag, Schülerinnen und Schüler Hinweise auf ein Hochschulstudium zu geben. Wer von ihnen dieses kleine Bändchen mit Interesse liest und anschließend mit uns Lehrkräften das Gespräch sucht: Ein erster Indikator dafür, dass sich jemand für die Mathematik interessiert …

 

Schlussbemerkung

Übrigens gibt es auf

  • Youtube noch einen weiteren Beitrag Mathe studieren JA/NEIN, der einige Hinweise bereit hält, was Studierende zu erwarten haben …
  • SPIEGEL-Online ein Beitrag von Alice Rolf, die ebenfalls beschreibt, wie es ihr ergangen ist …

Bei mir war einzig und allein meine Leistungskurskombination entscheidend für die Aufnahme des Studiums. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Das erste Semester war hart: Durchfallquote 95 %. „Völlig normal“, sagten die Matheprofs. Im zweiten Semester auch nicht viel besser. Mit den Folgesemestern stieg die Erfolgsquote, lag wohl eher an der hohen Abbrecherquote. Bei mir hat es letztlich im Vordiplom „Klick“ gemacht, war man hier gezwungen, Überblickswissen zu organisieren.

Damit war dann der Grundstein für ein wirklich tolles Hauptstudium gelegt. Das Durchbeißen hat sich in jedem Falle gelohnt. Erst recht, wenn man auf die Möglichkeiten schaut, die heutzutage einer/einem bei einem Mathestudium eröffnet werden. Auch diesen Blogbeitrag Erfolgsformeln – Anwendungen der Mathematik gerne an unsere Oberstufenschülerinnen und -schüler weitergeben …

Stay tuned

Bildnachweis: Geralt @pixabay
Buchcover @ISBN 978-3-406-78331-9