Sascha Lobo hat sich kürzlich in Spiegel-Online mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in unseren Schulen auseinandergesetzt. Unter dem Titel „Lernen zwischen ChatGPT und Overheadprojektor“ konstatiert Lobo einen ängstlichen, skeptischen und zurückhaltenden Umgang mit dem Thema KI im deutschen Bildungssystem. Dabei sei die Technologie längst in den Schulen angekommen – ganz ohne Vorgaben und Genehmigung „von oben“. Und das stimmt. Seit meinem Start vor vier Wochen berichte ich in meinen Newstickern regelmäßig von Lehrkräften, die diese Technologie sinnvoll einzusetzen wissen.

Im weiteren Verlauf seiner Kolumne verweist Lobo vor allem auf die Chancen, mit der Technik den Schülerinnen und Schülern adaptive Lernumgebungen zu ermöglichen:

Dahinter verbirgt sich eine pädagogische Methode , die allen Schüler:innen die Lerninhalte und die Lernmethodik bietet, die für sie in diesem Moment am besten ist. Gerade für sehr diverse Lerngemeinschaften, wo etwa Deutsch nicht die Erstsprache eines Teils der Kinder ist, eignet sich adaptives Lernen nachgewiesenermaßen hervorragend, um zumindest ein halbwegs ähnliches Bildungsniveau zu erreichen. Der Anpassung sind dabei theoretisch kaum Grenzen gesetzt, was die Sprache angeht oder die ständige Überprüfung des individuellen Lernerfolgs und die Ausrichtung danach.

Was das bedeuten kann, zeigt ein Video der Bertelsmann-Stiftung: Dort wird eine Schule in New York vorgestellt, die wegen schlechter Leistungen kurz vor der Schließung stand. Die Schule suchte sich daraufhin einen Technologiepartner, der eine Methode entwickelte, um der Inhomogenität der Lerngruppe gerecht zu werden: Für die Schülerinnen und Schüler der New Yorker School of One erstellt ein Computer jede Nacht den individuellen Stundenplan für den nächsten Tag. Die digitale Personalisierung ermöglicht es jedem, so zu lernen, wie es am besten zu ihm passt.

Feedback der Lernenden:

  • Ich bin nicht so schnell, deshalb mag ich am liebsten Virtual Instructions.
  • Wir sitzen vor dem Computer, haben unsere Kopfhörer auf und schauen uns die Videos an, ohne die anderen damit zu stören. Ich schreibe mir Sachen auf, aber in meinem eigenen Tempo. Ich kann die Pausetaste drücken, wenn ich will.
  • Wenn ich etwas nicht verstanden habe, kann ich die Frage noch einmal stellen. Ich habe meine Noten mit ,School of One‘ sehr verbessert. Letztes Jahr konnte ich nur ein paar ganz einfache Mathematikaufgaben lösen, heute krieg ich 25 Fragen in einer halben Stunde hin.
  • Meine Noten haben sich verbessert, weil ich in meinem eigenen Tempo lerne.

Mit Blick auf die IGLU-Studie eröffnen adaptive Lernsysteme ganz neue Möglichkeiten, Lernende individuell zu unterstützen. Und KI-Technologie kann schon heute helfen: Steffen Fründt stellt in „Wenn sich ChatGPT die Gute-Nacht-Geschichte ausdenkt“ einen Hörwürfel vor, der von einer KI erfundene Geschichten erfindet und vorliest. Warum eigentlich nicht? Kindergärten und Eltern, die wenig Zeit haben, Märchen/Fabeln zu erfinden und vorzulesen, können damit ihre Kinder unterstützen. Einfach mal ausprobieren. Und natürlich prüfen, ob die von der KI erfundenen Geschichten wirklich „frei von Gewalt und anderen problematischen Inhalten“ sind, wie die Firma verspricht.

Im Zusammenhang mit KI wird in vielen Beiträgen meines Newstickers noch etwas ganz anderes deutlich: Die Berufswelt verändert sich schon jetzt rasant. Hier ein ganz aktuelles Beispiel, das ich Christian Müller (@cmueller80) zu verdanken habe. Er hat in einem Tweet das Video-AI-System OXOLO vorgestellt. Hier ein Selbsttest:

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Für mich ist es interessant zu sehen, wie die KI versucht – und durchaus erfolgreich ist – das Mindset der jeweiligen Seiten zu entwickeln. Christian Müller kommentiert das so: Texter, Grafiker, Cutter werden zunehmend Konkurrenz von solchen Tools bekommen. Aktuell wirken die Ergebnisse noch laienhaft. Das wird sich rasch ändern. Jetzt ist Adaptionsfähigkeit gefragt.

Der übliche Reflex in den Schulen ist der Verweis auf die Betriebe, auf die Unternehmen, auf den dritten Bildungsweg: Dort sei der Ort der Weiterqualifizierung. Immerhin sehen die Schulgesetze berufsorientierende Maßnahmen vor, aber sie greifen meines Erachtens zu kurz, weil sie eben die aktuellen Entwicklungen nur unzureichend aufgreifen. Kooperationen mit Betrieben, Fachhochschulen, Universitäten sind das Gebot der Stunde. Oder Alumni zu suchen, die aus ihrem beruflichen Umfeld berichten und so den zukünftigen Arbeitnehmer*innen eine Vorstellung von den zukünftigen Herausforderungen vermitteln.

Zurück zur Kolumne von Sascha Lobo, der zwei Hauptübel ausgemacht hat: Datenschutz und Schulbuchverlage.

Aber gedruckte Schulbücher sind natürlich viel datenschutziger. Außerdem sind die Unternehmen, die davon profitieren, viel deutscher oder traditionsbewusster als die bösen internationalen Digitalkonzerne und unseriösen Start-ups, die unsere armen Kinderseelen mit Nullen und Einsen vergiften wollen.

Zugegeben, wie in den sozialen Medien üblich, sehr zugespitzt. Und doch höre ich immer wieder aus der Schulbuchszene, angesprochen auf die aus meiner Sicht unzureichenden Aktivitäten der Verlage, nur 1:1-Abbildungen der Printprodukte anzubieten: „95 Prozent der Lehrer wollen doch nichts anderes. Warum sollen wir uns bewegen und Geld in die Hand nehmen, ohne zu wissen, ob wir einen Return of Investment erwarten können“. Von dieser Seite des Bildungsmarktes ist also nichts zu erwarten. Also müssen sich unsere innovativen Lehrenden selbst darum kümmern. Und das bei immer knapper werdenden Zeitressourcen (Stichwort: Lehrermangel).

Und wie Lobo beobachte auch ich, dass in anderen Ländern viel konstruktiver und technologieoffener umgegangen wird. Estland hat bereits um die Jahrtausendwende eine umfassende IT-Offensive inklusive bildungspolitischer (Begleit-)Maßnahmen gestartet. Auch China hat die Notwendigkeit einer curricularen Verankerung der technologischen Entwicklung erkannt. Nachzulesen im lesenswerten Essay von Anastassia Lauterbach (Erscheinungsdatum beachten!!).

Wann endlich starten unsere Wissenschafts- und Kultusministerien vergleichbare Initiativen? Es wird Zeit …

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Bekanntlich biete ich eine Reihe von Plattformen an:

  • schule digital befasst sich dem Einsatz  digitaler Medien zu Beginn eines Transformationsprozesses analog – digital und bildet die Inhalte aus den Praxisbänden 1-3 ab. 
  • schule 5.0 lädt Schulentwickler*innen ein, den Innovationsprozess ganzheitlich zu denken: Unterrichts- und Schulentwicklung setzen hier Änderungsprozesse an Lernorten, an Lehr- und Lernkulturen und an Personalentwicklung geknüpfte mittel- und langfristige Fortbildungsinitiativen. schule 5.0 funktioniert nicht ohne den Erfordernissen angepasste Schulleitungsausbildung und Curriculum(weiter)entwicklung seitens der Bildungspolitik. Schließlich deutet schule 5.0 auch an, dass es für eine Umsetzung Zeit braucht. Zielgröße: 2050. 
  • bildung digital schließlich verknüpft die drei Phasen der Lehrerbildung (Universität – LiV-Seminar – Fortbildung), wobei theoretische sowie empirische Einsichten im Kontext fortschreitender Digitalisierung mit Praxiserfahrungen zusammengeführt werden. Für eine Einführung in die Plattform empfehle ich: #twittercampus – #fl_seminar – #twlz & Co.: Vernetzt Euch!

Und: Vieles entwickelt sich weiter. So wie die oben angesprochene Themenseite zu KI in der Schule.

In den sozialen Netzwerken tauschen sich Lehrkräfte untereinander aus. Fortbildungsangebote entstehen. In Blogs und Magazinen werden Protagonisten, Angebote und vieles mehr vorgestellt. Vielfach wurde der Wunsch an mich herangetragen, einen Newsletter anzubieten, um nicht nur über Twitter und Mastodon informiert zu sein, sondern den Kolleginnen und Kollegen auch eine Adresse zu geben, um sich unabhängig von Edutwitter, FediLZ & Co. zu informieren. Dem komme ich nun nach. Über meine Homepage kann der Newsletter abonniert werden. In Zukunft werde ich – neben Edutwitter und Mastodon – meine neuen Beiträge auch über diesen Weg bekannt machen, wo auch immer ich sie platziere.

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Bleibt noch mein Hinweis auf den aktuellen Newsticker, ganz im Sinne von Frau Prof.’in Artelt:

In diesem Sinne:

… Stay tuned …