Anfang April hat das Zentrum für digitale Lernwelten den 4. Medienfachtag abgehalten. Es wurden Fragestellungen rund um das Thema Agilität in der Bildung und was das für die Unterrichtspraxis bedeutet, diskutiert. Über 28 Workshop-Angebote standen den Teilnehmenden aus allen Schulformen und -stufen zur Verfügung und boten vielfältige Möglichkeiten, die individuelle Expertise rund um digitale Transformationsprozesse zu erweitern bzw. zu vertiefen. Ich selbst war mit einem Vortrag zu „Schule 5.0“ dabei, in dem ich das Constructive Alignmentmodell vorgestellt und unterrichtsnah konkretisiert habe. Es ging darüber hinaus um fächer-, klassen- und jahrgangsübergreifende Unterrichtsprojekte und Schulangebote und im anschließenden Workshop um die Frage, wie ein geeignetes Fortbildungskonzept aussehen könne.

Mittlerweile habe ich das Feedback ausgewertet. Übereinstimmender Tenor: Das Kultusministerium möge

  • mit einer landesweiten Initiative aktiv werden und
  • ein Arbeitszeitmodell einführen, das die schulinterne Fortbildung vor Ort ermöglicht.

Auf diese beiden Forderungen gehe ich in diesem Beitrag ein.

Landesinitiative a lá Hessen (2007 - 2014)

Im Rahmen des hessischen Unterstützungsprogramms „Kompetenzorientiert unterrichten – Bildungsstandards nutzen“ wurden Lehrkräfte über einen längeren Zeitraum fortgebildet. Es gab vier Teilprojekte „Kompetenzorientiert unterrichten“ in

  • Mathematik und Naturwissenschaften (KUMN),
  • Neue Sprachen,
  • Deutsch und in der
  • Grundschule.

Ziel war, dem pädagogischen Personal Wege aufzuzeigen, wie das landesweit gültige Kerncurriculum zu einem schulinternen Curriculum weiterentwickelt werden kann. Das Bild

 

 

deutet an, wie wir seinerzeit in Hessen vorgegangen sind:

  • Mit einem zweijährigen, von Expert*innen getragenen Fortbildungsangebot,
  • mit einer professionellen Prozessbegleitung,
  • mit der Organisation von regionalem Austausch (Schulmessen) und
  • mit Publikationen analog (Zeitschrift BildungBewegt) und digital (kou-hessen).

Ich habe auf dem Workshop eine Adaption mit Fokus auf Schule in der digitalen Welt vorgestellt. Auch mit Überlegungen, wie eine Schulleitung, eine Steuergruppe agieren kann, wenn (noch) keine Landesinitiative angeboten wird. Nachzulesen in meinem Band 4 bzw. in einer videografierten Variante.

Die Teilnehmer*innen des Workshops bestätigten in einer ersten Stellungnahme und im anschließenden Feedback die Sinnhaftigkeit eines solchen Angebots. Und forderten darüber hinaus eine Entlastung bei der Organisation und Durchführung dieser Fortbildungsinitiative.

 

Entlastung durch „Dreimal fünf Prozent“ ...

Ich hatte bisher immer auf die Einführung eines Arbeitszeitmodell gesetzt, das – wie in Betrieben und Unternehmen üblich – Fort- und Weiterbildung als zeitlich zu berücksichtigenden Bestandteil der eigenen Professionalisierung berücksichtigt. Das scheint aber nicht umsetzbar zu sein, warum auch immer. Vielleicht (?) die Vorschläge von Prof. Bewyl von der FH NW Schweiz, die er kürzlich in einem ZEIT Beitrag veröffentlicht hat[1]https://www.zeit.de/2022/16/schulbildung-hattie-studie-lehrkraefte-evaluation-lernerfolg:

Ich nenne ihn “Dreimal fünf Prozent”:

  • Wir senken das Unterrichtsdeputat der Lehrkräfte um fünf Prozent, das setzt bis zu 80 Arbeitsstunden pro Jahr frei für kooperativ-datenbasierte Unterrichtsentwicklung.
  • Wir reduzieren die Unterrichtszeit, in der die ganze Klasse mit der Lehrkraft zusammen ist, um fünf Prozent. Die Schüler arbeiten selbstständig – je nach Alter und Fähigkeit in der Schule oder zu Hause. Damit ist die Deputatsreduktion kostenneutral.
  • steigt der Schuletat dauerhaft um real fünf Prozent.

Diese Zusatzmittel werden investiert, um bei der circa fünfprozentigen zeitlichen Reduktion der „klassischen Schule“ die Wirksamkeit des Unterrichts zu steigern – und zwar durch Lehr-und Lernmethoden, die sich in Hatties Metastudien als hochwirksam erwiesen haben. Dazu gehören auch videobasierte Instruktionen, die mit schnellen (notenfreien) Tests und effektivem Lernfeedback kombiniert werden. Oder selbstgesteuerte Arbeit in leistungsähnlichen Gruppen, unterstützt durch fortgeschrittene Schüler. So kann erreicht werden, dass die schulischen Leistungen das heutige Niveau übertreffen.
 
Was in Unternehmen und Hochschulen zunehmend als der Goldstandard effektiven Lernens gilt, kann sich damit auch in Schulen etablieren: Gelernt wird vermehrt selbstgesteuert und im Team. Unterstützt wird dies durch externe Experten wie durch spezialisierte Lehrkräfte: Denkbar wären die Expertin fürs Digitale, der Fachmann für die Evaluation, die Spezialistin für den klassenübergreifenden Fachunterricht. Gemeinsam verantworten die Lehrkräfte, welcher Stoff analog und welcher digital vermittelt wird, wann der Unterricht innerhalb und wann außerhalb des Klassenverbands stattfindet.
 
All das wird nicht nur die Lernergebnisse verbessern, sondern auch den Lehrerberuf attraktiver machen. So viele Gewinnchancen – wer will da zögern?

Ja, wer eigentlich …

Stay tuned